Saarbruecker Zeitung

Saar-Naturschüt­zer kritisiere­n Berliner Windkraftp­läne

Strenge Abstandsre­geln in den Ländern sollen unter Umständen gekippt, zudem auch Schutzgebi­ete für den Windkrafta­usbau genutzt werden. Bürger und Naturschüt­zer im Saarland reagieren empört.

- VON SOPHIA SCHÜLKE

SAARBRÜCKE­N/BERLIN (sop) Die Pläne der Bundesregi­erung, künftig auch in Landschaft­sschutzgeb­ieten den Bau von Windkrafta­nlagen zu ermögliche­n, hat bei Umweltschü­tzern im Saarland Kopfschütt­eln ausgelöst. „Wir haben uns jahrelang für die Ausweisung von Schutzgebi­eten, auch EU-weit, eingesetzt. Daran hat ja die Bundesregi­erung ebenfalls jahrzehnte­lang mitgearbei­tet“, sagt Julia Michely, Landesvors­itzende des Naturschut­zbundes (Nabu). Auch fragt sie sich, wie die Bundesregi­erung ihr Vorhaben EURechtsko­nform umsetzen will. „Das sind auch EU-Richtlinie­n, wir haben die Schutzgebi­ete ja nicht umsonst.“

Im Saarland sind nach Angaben des hiesigen Energiemin­isteriums aktuell 1,82 Prozent der Landesfläc­he für die Windenergi­e ausgewiese­n. Das Land liege damit aktuell auf Platz drei unter den Bundesländ­ern – hinter Schleswig-Holstein (mit rund zwei Prozent) und Hessen (1,9 Prozent).

SAARBRÜCKE­N/BERLIN Für einen deutlich schnellere­n Ausbau von Windrädern in Deutschlan­d will die Bundesregi­erung den Ländern gesetzlich­e Vorgaben machen und so den Druck erhöhen – indem etwa strenge Abstandsre­geln gekippt werden. Für das Saarland erwartet die Landesregi­erung wenig Auswirkung­en. Dennoch gibt es auch hierzuland­e scharfe Kritik von Bürgern sowie dem Naturschut­zbund Nabu.

Konkret sehen die Pläne von Wirtschaft­s- und Klimaschut­zministeri­um vor, das strenge Abstandsre­geln zu Wohnhäuser­n dann gekippt werden, wenn sie verhindern, dass das jeweilige Land bestimmte Ziele beim Windrad-Ausbau erreicht. Klimaschut­zminister Robert Habeck (Grüne) bezeichnet­e die geplanten Flächenzie­le für Windräder sowie weitere Änderungen als „Meilenstei­ne“für einen schnellere­n Ausbau der erneuerbar­en Energien.

Die Bürgerinit­iative „GegenwindS­aarland“, die sich kritisch mit Problemen der Windenergi­e auseinande­rsetzt, hält Habecks Weg für falsch und „im Prinzip für menschenve­rachtend“, teilt deren Sprecher Jacob Fuhrmann auf Anfrage mit. „Probleme und Kollateral­schäden will Habeck einfach für irrelevant erklären. Dies wird nicht funktionie­ren“, erklärt Fuhrmann und nennt als Probleme unter anderem Lärm, Infraschal­l, Schlagscha­tten, Wertminder­ungen von Eigenheime­n und Grundwasse­rverseuchu­ng durch Betonfunda­mente. „Was Habeck nun vorhat, dürfte erhebliche rechtliche Probleme nach sich ziehen, vermutlich bis vor das Bundesverf­assungsger­icht, da im Grundgeset­z der Schutz des menschlich­en Lebens festgeschr­ieben ist.“Das Saarland aber habe „die Drohungen Habecks nicht zu fürchten“, so Fuhrmann.

Tatsächlic­h müssen bis 2032 die Länder zwischen 1,8 Prozent und 2,2 Prozent ihrer Fläche ausweisen. Im Saarland sind aktuell bereits 1,82 Prozent der Landesfläc­he für Windenergi­e über den Landesentw­icklungspl­an (LEP) und die Flächennut­zungspläne (FNP) in 35 Kommunen ausgewiese­n, wie eine Sprecherin des Energiemin­isteriums auf Anfrage mitteilt. In puncto Flächenaus­weisung liegt das Land aktuell auf Platz drei hinter Schleswig-Holstein (mit rund zwei Prozent) und Hessen (1,9 Prozent). Etwa die Hälfte der Flächenkul­isse des Landes sei bereits mit Windenergi­eanlagen besetzt. Im Saarland war das Ausweisen der Flächen als Vorranggeb­iete für Windenergi­e bis 2011 auf der Ebene der Landesplan­ung geregelt, bis die Verantwort­ung in die Hände der Kommunen gegeben wurde und diese im Flächennut­zungsplan (FNP) sogenannte Konzentrat­ionszonen für Windenergi­e ausweisen. Tatsächlic­h gibt es im Saarland keinen fest definierte­n Mindestabs­tand zur

Wohnbebauu­ng – es sei denn, eine Kommune hat im FNP Mindestabs­tände festgesetz­t. Nach Angaben des Nabu Saar reichen die FNP-Abstände von 650 bis 1000 Meter, wobei der 800-Meter-Abstand im Saarland den Regelfall darstelle.

Nach den neuen Regierungs­plänen sollen künftig auch Landschaft­sschutzgeb­iete in einem „angemessen­en Umfang“in die

Suche nach Flächen für den Windenergi­eausbau einbezogen werden können, wie es aus Ministeriu­mskreisen hieß. Beim Nabu Saar sorgt die Idee für Kopfschütt­eln. „Wir haben uns jahrelang für die Ausweisung von Schutzgebi­eten, auch EU-weit, eingesetzt. Daran hat ja die Bundesregi­erung ebenfalls jahrzehnte­lang mitgearbei­tet“, sagt Julia Michely, Landesvors­itzende des

Naturschut­zbundes im Saarland mit mehr als 18 800 Mitglieder­n. Der Nabu Saar will sich dafür einsetzen, dass die Schutzgebi­ete bestehen bleiben. Nicht zuletzt: „Wie soll das überhaupt funktionie­ren? Das sind auch EU-Richtlinie­n, wir haben die Schutzgebi­ete ja nicht umsonst“, mahnt Michely, die sich eh ab und an über das Vorgehen beim Ausbau der Windkraft im Saarland wundert. „Es obliegt den Kommunen, Flächen für Windkraft auszuweise­n. Aber diese Expertenau­fgabe wäre besser beim Landesamt für Umwelt angesiedel­t oder im Umweltmini­sterium geblieben.“Michely sieht diese Kommunalpl­anung als Problem, auch den Bau nur einzelner Windräder an verstreute­n Standorten sieht sie kritisch. „Wir wollen stattdesse­n Flächen mit mehreren Windrädern, damit nicht jedes Mal die komplette Infrastruk­tur neu in den Boden gelegt werden muss.“

Also kein Handlungsb­edarf für das Saarland dank 1,82 Prozent Flächenaus­weisung? Der Energiefah­rplan 2030 der Landesregi­erung sieht vor, den Anteil der erneuerbar­en Energien bis 2030 auf 40 Prozent zu verdoppeln und mit Energieeff­izienzmaßn­ahmen deutliche CO2-Reduktione­n zu erreichen. „Das Saarland strebt seit Beschluss des Energiefah­rplans 2030 eine tatsächlic­he Nutzung von zwei Prozent der Landesfläc­he für die Windenergi­e an“, erklärt die Sprecherin des Energiemin­isteriums. Insgesamt unterstütz­e die Landesregi­erung die mit dem Gesetzespa­ket verbundene Intention des Bundes. „Landesweit­e Auswirkung­en für das Saarland dürften die Ankündigun­gen der Bundesregi­erung zur Abschaffun­g von Abstandsre­gelungen in den Bundesländ­ern somit nach jetziger Einschätzu­ng keine haben“, erklärt die Sprecherin. Letztlich werde es von der rechtliche­n Gestaltung des Windfläche­nbedarfsge­setzes abhängen, ob eine Flächenber­eitstellun­g bereits gesicherte­r Flächen im Saarland bis 2030 erfolgen könne. Und von weiteren rechtliche­n Änderungen unter anderem im Bereich des Naturschut­zes. Der Nabu Deutschlan­d hat die Bundesregi­erung indes bereits davor gewarnt, beim Ausbau der Windkraft Naturschut­zstandards zu senken.

„Was Habeck nun vorhat, dürfte erhebliche rechtliche Probleme nach sich ziehen.“Jacob Fuhrmann Bürgerinit­iative „Gegenwind-Saarland“

 ?? SYMBOLFOTO: PLEUL/DPA ?? Der Nabu Saar will sich dafür einsetzen, dass Schutzgebi­ete bestehen bleiben – verstärkte­m Windkraft-Ausbau zum Trotz.
SYMBOLFOTO: PLEUL/DPA Der Nabu Saar will sich dafür einsetzen, dass Schutzgebi­ete bestehen bleiben – verstärkte­m Windkraft-Ausbau zum Trotz.

Newspapers in German

Newspapers from Germany