Saar-Naturschützer kritisieren Berliner Windkraftpläne
Strenge Abstandsregeln in den Ländern sollen unter Umständen gekippt, zudem auch Schutzgebiete für den Windkraftausbau genutzt werden. Bürger und Naturschützer im Saarland reagieren empört.
SAARBRÜCKEN/BERLIN (sop) Die Pläne der Bundesregierung, künftig auch in Landschaftsschutzgebieten den Bau von Windkraftanlagen zu ermöglichen, hat bei Umweltschützern im Saarland Kopfschütteln ausgelöst. „Wir haben uns jahrelang für die Ausweisung von Schutzgebieten, auch EU-weit, eingesetzt. Daran hat ja die Bundesregierung ebenfalls jahrzehntelang mitgearbeitet“, sagt Julia Michely, Landesvorsitzende des Naturschutzbundes (Nabu). Auch fragt sie sich, wie die Bundesregierung ihr Vorhaben EURechtskonform umsetzen will. „Das sind auch EU-Richtlinien, wir haben die Schutzgebiete ja nicht umsonst.“
Im Saarland sind nach Angaben des hiesigen Energieministeriums aktuell 1,82 Prozent der Landesfläche für die Windenergie ausgewiesen. Das Land liege damit aktuell auf Platz drei unter den Bundesländern – hinter Schleswig-Holstein (mit rund zwei Prozent) und Hessen (1,9 Prozent).
SAARBRÜCKEN/BERLIN Für einen deutlich schnelleren Ausbau von Windrädern in Deutschland will die Bundesregierung den Ländern gesetzliche Vorgaben machen und so den Druck erhöhen – indem etwa strenge Abstandsregeln gekippt werden. Für das Saarland erwartet die Landesregierung wenig Auswirkungen. Dennoch gibt es auch hierzulande scharfe Kritik von Bürgern sowie dem Naturschutzbund Nabu.
Konkret sehen die Pläne von Wirtschafts- und Klimaschutzministerium vor, das strenge Abstandsregeln zu Wohnhäusern dann gekippt werden, wenn sie verhindern, dass das jeweilige Land bestimmte Ziele beim Windrad-Ausbau erreicht. Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) bezeichnete die geplanten Flächenziele für Windräder sowie weitere Änderungen als „Meilensteine“für einen schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien.
Die Bürgerinitiative „GegenwindSaarland“, die sich kritisch mit Problemen der Windenergie auseinandersetzt, hält Habecks Weg für falsch und „im Prinzip für menschenverachtend“, teilt deren Sprecher Jacob Fuhrmann auf Anfrage mit. „Probleme und Kollateralschäden will Habeck einfach für irrelevant erklären. Dies wird nicht funktionieren“, erklärt Fuhrmann und nennt als Probleme unter anderem Lärm, Infraschall, Schlagschatten, Wertminderungen von Eigenheimen und Grundwasserverseuchung durch Betonfundamente. „Was Habeck nun vorhat, dürfte erhebliche rechtliche Probleme nach sich ziehen, vermutlich bis vor das Bundesverfassungsgericht, da im Grundgesetz der Schutz des menschlichen Lebens festgeschrieben ist.“Das Saarland aber habe „die Drohungen Habecks nicht zu fürchten“, so Fuhrmann.
Tatsächlich müssen bis 2032 die Länder zwischen 1,8 Prozent und 2,2 Prozent ihrer Fläche ausweisen. Im Saarland sind aktuell bereits 1,82 Prozent der Landesfläche für Windenergie über den Landesentwicklungsplan (LEP) und die Flächennutzungspläne (FNP) in 35 Kommunen ausgewiesen, wie eine Sprecherin des Energieministeriums auf Anfrage mitteilt. In puncto Flächenausweisung liegt das Land aktuell auf Platz drei hinter Schleswig-Holstein (mit rund zwei Prozent) und Hessen (1,9 Prozent). Etwa die Hälfte der Flächenkulisse des Landes sei bereits mit Windenergieanlagen besetzt. Im Saarland war das Ausweisen der Flächen als Vorranggebiete für Windenergie bis 2011 auf der Ebene der Landesplanung geregelt, bis die Verantwortung in die Hände der Kommunen gegeben wurde und diese im Flächennutzungsplan (FNP) sogenannte Konzentrationszonen für Windenergie ausweisen. Tatsächlich gibt es im Saarland keinen fest definierten Mindestabstand zur
Wohnbebauung – es sei denn, eine Kommune hat im FNP Mindestabstände festgesetzt. Nach Angaben des Nabu Saar reichen die FNP-Abstände von 650 bis 1000 Meter, wobei der 800-Meter-Abstand im Saarland den Regelfall darstelle.
Nach den neuen Regierungsplänen sollen künftig auch Landschaftsschutzgebiete in einem „angemessenen Umfang“in die
Suche nach Flächen für den Windenergieausbau einbezogen werden können, wie es aus Ministeriumskreisen hieß. Beim Nabu Saar sorgt die Idee für Kopfschütteln. „Wir haben uns jahrelang für die Ausweisung von Schutzgebieten, auch EU-weit, eingesetzt. Daran hat ja die Bundesregierung ebenfalls jahrzehntelang mitgearbeitet“, sagt Julia Michely, Landesvorsitzende des
Naturschutzbundes im Saarland mit mehr als 18 800 Mitgliedern. Der Nabu Saar will sich dafür einsetzen, dass die Schutzgebiete bestehen bleiben. Nicht zuletzt: „Wie soll das überhaupt funktionieren? Das sind auch EU-Richtlinien, wir haben die Schutzgebiete ja nicht umsonst“, mahnt Michely, die sich eh ab und an über das Vorgehen beim Ausbau der Windkraft im Saarland wundert. „Es obliegt den Kommunen, Flächen für Windkraft auszuweisen. Aber diese Expertenaufgabe wäre besser beim Landesamt für Umwelt angesiedelt oder im Umweltministerium geblieben.“Michely sieht diese Kommunalplanung als Problem, auch den Bau nur einzelner Windräder an verstreuten Standorten sieht sie kritisch. „Wir wollen stattdessen Flächen mit mehreren Windrädern, damit nicht jedes Mal die komplette Infrastruktur neu in den Boden gelegt werden muss.“
Also kein Handlungsbedarf für das Saarland dank 1,82 Prozent Flächenausweisung? Der Energiefahrplan 2030 der Landesregierung sieht vor, den Anteil der erneuerbaren Energien bis 2030 auf 40 Prozent zu verdoppeln und mit Energieeffizienzmaßnahmen deutliche CO2-Reduktionen zu erreichen. „Das Saarland strebt seit Beschluss des Energiefahrplans 2030 eine tatsächliche Nutzung von zwei Prozent der Landesfläche für die Windenergie an“, erklärt die Sprecherin des Energieministeriums. Insgesamt unterstütze die Landesregierung die mit dem Gesetzespaket verbundene Intention des Bundes. „Landesweite Auswirkungen für das Saarland dürften die Ankündigungen der Bundesregierung zur Abschaffung von Abstandsregelungen in den Bundesländern somit nach jetziger Einschätzung keine haben“, erklärt die Sprecherin. Letztlich werde es von der rechtlichen Gestaltung des Windflächenbedarfsgesetzes abhängen, ob eine Flächenbereitstellung bereits gesicherter Flächen im Saarland bis 2030 erfolgen könne. Und von weiteren rechtlichen Änderungen unter anderem im Bereich des Naturschutzes. Der Nabu Deutschland hat die Bundesregierung indes bereits davor gewarnt, beim Ausbau der Windkraft Naturschutzstandards zu senken.
„Was Habeck nun vorhat, dürfte erhebliche rechtliche Probleme nach sich ziehen.“Jacob Fuhrmann Bürgerinitiative „Gegenwind-Saarland“