2 800 000 000 Euro: Damit will Saarstahl in die grüne Zukunft
Die Saar-Stahlindustrie steht vor der größten Veränderung ihrer Geschichte. Bis zum Jahr 2045 soll die Produktion komplett umgestellt sein.
DILLINGEN Die saarländische Stahlindustrie wird fit gemacht für die Zukunft. So soll der Startschuss für die Produktion von grünem Stahl im Jahr 2027 fallen. Das kündigten am Donnerstag gemeinsam der Vorstandsvorsitzende der Dillinger Hütte und von Saarstahl, Karl-Ulrich Köhler, sowie der Aufsichtsratsvorsitzende beider Unternehmen, Reinhard Störmer, an.
In der ersten Stufe der Umstellung der Produktion werden bis 2027 rund 2,8 Milliarden Euro investiert, die die Gremien bewilligt haben. Die Komplett-Umstellung soll bis zum Jahr 2045 dauern. Mit den Investitionen werde der Fortbestand der Stahlstandorte auf Jahrzehnte hinaus gesichert und zugleich die Wettbewerbsposition der Saar-Hütten im internationalen Wettbewerb verbessert. Zugleich bringen die Investitionen sowie die Umstellung der Produktion auf grünen Stahl nach den Worten von Störmer „die größten Veränderungen mit sich, die es jemals in der saarländischen Stahlindustrie gegeben hat“. Jetzt sei der richtige Zeitpunkt. Hätte man mit den Investitionen noch vier bis fünf Jahre gewartet, wäre man das Risiko eingegangen, dass die SaarHütten im Wettbewerb keine Chance mehr haben.
Störmer betont, dass alle Beteiligten bis hin zur Mitbestimmung in den Saar-Hütten hinter dem Projekt stehen. Auf die Belegschaften kommt eine Mammut-Aufgabe zu, denn nahezu alle Veränderungen laufen parallel zur aktuellen Produktion. Die Beschäftigten müssen also in der Übergangszeit nach der herkömmlichen Methode weiter produzieren und sich zugleich nach und nach in Schulungen auf die Veränderungen einstellen.
Störmer stellt klar, dass die 2,8 Milliarden Euro an Investitionen nicht alleine von den Unternehmen geleistet werden können. Auch öffentliche Zuschüsse seien dringend erforderlich. Da der Investitions-Fahrplan für die Saar-Hütten auch von den Aufsichtsräten sowie dem Kuratorium der Montan-Stiftung abgesegnet worden ist, könne man jetzt die Förderanträge stellen. Mit entsprechenden Zusagen der Bundesregierung sowie von der EU rechnen Störmer wie Köhler noch bis zum Jahresende, spätestens bis zum ersten Quartal 2023. Nach den gegenwärtigen Plänen lassen sich in der ersten Phase der Umstellung jährlich 4,6 Millionen Tonnen Kohlendioxid (C02) einsparen. Die neuen Anlagen sollen später auch mit ökologisch gewonnenem Wasserstoff betrieben werden. Der erste der beiden bisherigen Hochöfen soll 2030 stillgelegt werden. Die Neuaufstellung der saarländischen Stahlindustrie sei eine Riesen-Chance für das Land, aber auch für junge Menschen. So entstünden in beiden Hütten zahlreiche neue Berufsbilder.
„Die beiden Stahlunternehmen können die Investitionen nicht alleine stemmen.“Reinhard Störmer Aufsichtsratschef Dillinger Hütte und Saarstahl
DILLINGEN Ein seltener Auftritt mit zugleich symbolischem Charakter. Zur Pressekonferenz treten gemeinsam an der oberste Repräsentant der saarländischen Stahlindustrie, Reinhard Störmer als Vorsitzender des Kuratoriums der Montan-Stiftung-Saar, und Karl-Ulrich Köhler, Vorsitzender der Geschäftsführung der SHS–Stahl-Holding-Saar. Ihr Auftritt soll ein Zeichen der Geschlossenheit aller Verantwortlichen und der Belegschaften setzen. Denn es gibt Bahnbrechendes zu verkünden. „Die größten Veränderungen, die die saarländische Stahlindustrie jemals in ihrer Geschichte vollzogen hat“, sagt Störmer.
Demnach haben die Gremien grünes Licht gegeben zum Umstellen der gesamten Produktion auf ein komplett neues Produktionsverfahren, das es ab dem Jahr 2027 ermöglichen soll, grünen Stahl an der Saar herzustellen. Ein Verfahren, das Stahl möglichst ohne C02Ausstoß produziert. Zugleich soll die Herstellung auch deutlich Energie einsparen. „Wir ersetzen unsere vorhandene Roheisen-Metallurgie, die auf den Einsatz von Kohle und Koks beruht, in eine Gas-Metallurgie. Erdgas und später Wasserstoff übernehmen die Arbeit, den Sauerstoff von unseren Erzen abzubinden und Metall zu erzeugen“, erläutert Köhler das Verfahren. Der Hochofen werde durch einen Direkt-Reduktionsreaktor und Schrott ersetzt. Und der Sauerstoffkonverter werde durch einen Elektro-Ofen, der mit Strom schmilzt, ersetzt. Man setze in der Umstellung der Produktion zunächst auf Erdgas und stelle später auf Wasserstoff um.
Der Fahrplan zur Umsetzung aller Maßnahmen sei äußerst ehrgeizig, zumal der Bau neuer Anlagen sowie die Umstellung zahlreicher Produktionsschritte im laufenden Betrieb erfolgen wird. Alleine in der ersten Phase der Umstellung bis 2027 sind Investitionen in einer Größenordnung von 2,8 Milliarden Euro eingeplant. Diesen hohen Betrag können die Unternehmen jedoch nicht alleine stemmen. Auch Berlin und Brüssel müssten sich finanziell einbringen. Wie hoch der finanzielle Bedarf am Ende ist, lässt sich gegenwärtig noch nicht sagen. Zumal die Umstellung der Produktion in zwei Phasen läuft und erst 2045 abgeschlossen ist. Entscheidenden Einfluss auf den Finanzbedarf hat zum Beispiel die Entwicklung der Energiepreise. Zumal die Hütten für das neue Produktionsverfahren auch erheblich höhere Mengen Strom benötigen. Die Erdgas-Preise spielen ebenfalls eine enorme Rolle, da die neuen Anlagen zunächst mit Erdgas betrieben werden, später mit Wasserstoff. Doch auch die Versorgung mit Wasserstoff inklusive der Kosten dafür ist noch nicht endgültig geklärt, zumal es derzeit noch kein verlässliches Netz an der Saar zur Durchleitung großer Mengen an Wasserstoff gibt. Die Förderanträge an den Bund bringen die Unternehmen in den kommenden vier Wochen auf den Weg.
„Unser Ziel ist nicht weniger, als zum Vorreiter in Sachen C02-Einsparung zu werden. Mit diesem Konzept können unsere Stahlunternehmen den Wandel hin zu einer grünen Wirtschaftsregion Saarland maßgeblich befördern“, betont Störmer. Hierbei sei auch die Konstruktion der Montan-Stiftung-Saar äußerst hilfreich. „Sie kommt mit dieser Entscheidung einmal mehr ihrem Auftrag nach, die Stahlindustrie und deren Arbeitsplätze vor Ort langfristig zu sichern.“Die MontanStiftung stelle sicher, dass das in den Unternehmen erwirtschaftete Geld auch an der Saar bleibt und wiederum investiert wird.
Die Umstellung auf das neue Produktionssystem ist mit dem Bau neuer Anlagen verbunden. So wird neben der etablierten HochofenRoute die neue Produktionsroute mit einem Elektro-Lichtbogenofen (EAF) bei Saarstahl in Völklingen sowie einem weiteren Lichtbogenofen in Dillingen gebaut. Hinzu kommt eine Direkt-Reduktionsanlage (DRI). Die Kapazität der neuen Anlagen soll 3,5 Millionen Tonnen Rohstahl jährlich ermöglichen, gewonnen aus Eisenschwamm und Schrott.
Zur Inbetriebnahme 2027 soll schon teilweise grüner Wasserstoff zum Einsatz kommen. Zugleich wird ein Hochofen in Dillingen geschlossen, was auch eine deutliche Reduzierung von C02 bringt. Die erste Phase soll eine C02- Reduzierung von 4,6 Millionen Tonnen jährlich bringen.