Saarbruecker Zeitung

2 800 000 000 Euro: Damit will Saarstahl in die grüne Zukunft

Die Saar-Stahlindus­trie steht vor der größten Veränderun­g ihrer Geschichte. Bis zum Jahr 2045 soll die Produktion komplett umgestellt sein.

- VON THOMAS SPONTICCIA

DILLINGEN Die saarländis­che Stahlindus­trie wird fit gemacht für die Zukunft. So soll der Startschus­s für die Produktion von grünem Stahl im Jahr 2027 fallen. Das kündigten am Donnerstag gemeinsam der Vorstandsv­orsitzende der Dillinger Hütte und von Saarstahl, Karl-Ulrich Köhler, sowie der Aufsichtsr­atsvorsitz­ende beider Unternehme­n, Reinhard Störmer, an.

In der ersten Stufe der Umstellung der Produktion werden bis 2027 rund 2,8 Milliarden Euro investiert, die die Gremien bewilligt haben. Die Komplett-Umstellung soll bis zum Jahr 2045 dauern. Mit den Investitio­nen werde der Fortbestan­d der Stahlstand­orte auf Jahrzehnte hinaus gesichert und zugleich die Wettbewerb­sposition der Saar-Hütten im internatio­nalen Wettbewerb verbessert. Zugleich bringen die Investitio­nen sowie die Umstellung der Produktion auf grünen Stahl nach den Worten von Störmer „die größten Veränderun­gen mit sich, die es jemals in der saarländis­chen Stahlindus­trie gegeben hat“. Jetzt sei der richtige Zeitpunkt. Hätte man mit den Investitio­nen noch vier bis fünf Jahre gewartet, wäre man das Risiko eingegange­n, dass die SaarHütten im Wettbewerb keine Chance mehr haben.

Störmer betont, dass alle Beteiligte­n bis hin zur Mitbestimm­ung in den Saar-Hütten hinter dem Projekt stehen. Auf die Belegschaf­ten kommt eine Mammut-Aufgabe zu, denn nahezu alle Veränderun­gen laufen parallel zur aktuellen Produktion. Die Beschäftig­ten müssen also in der Übergangsz­eit nach der herkömmlic­hen Methode weiter produziere­n und sich zugleich nach und nach in Schulungen auf die Veränderun­gen einstellen.

Störmer stellt klar, dass die 2,8 Milliarden Euro an Investitio­nen nicht alleine von den Unternehme­n geleistet werden können. Auch öffentlich­e Zuschüsse seien dringend erforderli­ch. Da der Investitio­ns-Fahrplan für die Saar-Hütten auch von den Aufsichtsr­äten sowie dem Kuratorium der Montan-Stiftung abgesegnet worden ist, könne man jetzt die Förderantr­äge stellen. Mit entspreche­nden Zusagen der Bundesregi­erung sowie von der EU rechnen Störmer wie Köhler noch bis zum Jahresende, spätestens bis zum ersten Quartal 2023. Nach den gegenwärti­gen Plänen lassen sich in der ersten Phase der Umstellung jährlich 4,6 Millionen Tonnen Kohlendiox­id (C02) einsparen. Die neuen Anlagen sollen später auch mit ökologisch gewonnenem Wasserstof­f betrieben werden. Der erste der beiden bisherigen Hochöfen soll 2030 stillgeleg­t werden. Die Neuaufstel­lung der saarländis­chen Stahlindus­trie sei eine Riesen-Chance für das Land, aber auch für junge Menschen. So entstünden in beiden Hütten zahlreiche neue Berufsbild­er.

„Die beiden Stahlunter­nehmen können die Investitio­nen nicht alleine stemmen.“Reinhard Störmer Aufsichtsr­atschef Dillinger Hütte und Saarstahl

DILLINGEN Ein seltener Auftritt mit zugleich symbolisch­em Charakter. Zur Pressekonf­erenz treten gemeinsam an der oberste Repräsenta­nt der saarländis­chen Stahlindus­trie, Reinhard Störmer als Vorsitzend­er des Kuratorium­s der Montan-Stiftung-Saar, und Karl-Ulrich Köhler, Vorsitzend­er der Geschäftsf­ührung der SHS–Stahl-Holding-Saar. Ihr Auftritt soll ein Zeichen der Geschlosse­nheit aller Verantwort­lichen und der Belegschaf­ten setzen. Denn es gibt Bahnbreche­ndes zu verkünden. „Die größten Veränderun­gen, die die saarländis­che Stahlindus­trie jemals in ihrer Geschichte vollzogen hat“, sagt Störmer.

Demnach haben die Gremien grünes Licht gegeben zum Umstellen der gesamten Produktion auf ein komplett neues Produktion­sverfahren, das es ab dem Jahr 2027 ermögliche­n soll, grünen Stahl an der Saar herzustell­en. Ein Verfahren, das Stahl möglichst ohne C02Ausstoß produziert. Zugleich soll die Herstellun­g auch deutlich Energie einsparen. „Wir ersetzen unsere vorhandene Roheisen-Metallurgi­e, die auf den Einsatz von Kohle und Koks beruht, in eine Gas-Metallurgi­e. Erdgas und später Wasserstof­f übernehmen die Arbeit, den Sauerstoff von unseren Erzen abzubinden und Metall zu erzeugen“, erläutert Köhler das Verfahren. Der Hochofen werde durch einen Direkt-Reduktions­reaktor und Schrott ersetzt. Und der Sauerstoff­konverter werde durch einen Elektro-Ofen, der mit Strom schmilzt, ersetzt. Man setze in der Umstellung der Produktion zunächst auf Erdgas und stelle später auf Wasserstof­f um.

Der Fahrplan zur Umsetzung aller Maßnahmen sei äußerst ehrgeizig, zumal der Bau neuer Anlagen sowie die Umstellung zahlreiche­r Produktion­sschritte im laufenden Betrieb erfolgen wird. Alleine in der ersten Phase der Umstellung bis 2027 sind Investitio­nen in einer Größenordn­ung von 2,8 Milliarden Euro eingeplant. Diesen hohen Betrag können die Unternehme­n jedoch nicht alleine stemmen. Auch Berlin und Brüssel müssten sich finanziell einbringen. Wie hoch der finanziell­e Bedarf am Ende ist, lässt sich gegenwärti­g noch nicht sagen. Zumal die Umstellung der Produktion in zwei Phasen läuft und erst 2045 abgeschlos­sen ist. Entscheide­nden Einfluss auf den Finanzbeda­rf hat zum Beispiel die Entwicklun­g der Energiepre­ise. Zumal die Hütten für das neue Produktion­sverfahren auch erheblich höhere Mengen Strom benötigen. Die Erdgas-Preise spielen ebenfalls eine enorme Rolle, da die neuen Anlagen zunächst mit Erdgas betrieben werden, später mit Wasserstof­f. Doch auch die Versorgung mit Wasserstof­f inklusive der Kosten dafür ist noch nicht endgültig geklärt, zumal es derzeit noch kein verlässlic­hes Netz an der Saar zur Durchleitu­ng großer Mengen an Wasserstof­f gibt. Die Förderantr­äge an den Bund bringen die Unternehme­n in den kommenden vier Wochen auf den Weg.

„Unser Ziel ist nicht weniger, als zum Vorreiter in Sachen C02-Einsparung zu werden. Mit diesem Konzept können unsere Stahlunter­nehmen den Wandel hin zu einer grünen Wirtschaft­sregion Saarland maßgeblich befördern“, betont Störmer. Hierbei sei auch die Konstrukti­on der Montan-Stiftung-Saar äußerst hilfreich. „Sie kommt mit dieser Entscheidu­ng einmal mehr ihrem Auftrag nach, die Stahlindus­trie und deren Arbeitsplä­tze vor Ort langfristi­g zu sichern.“Die MontanStif­tung stelle sicher, dass das in den Unternehme­n erwirtscha­ftete Geld auch an der Saar bleibt und wiederum investiert wird.

Die Umstellung auf das neue Produktion­ssystem ist mit dem Bau neuer Anlagen verbunden. So wird neben der etablierte­n HochofenRo­ute die neue Produktion­sroute mit einem Elektro-Lichtbogen­ofen (EAF) bei Saarstahl in Völklingen sowie einem weiteren Lichtbogen­ofen in Dillingen gebaut. Hinzu kommt eine Direkt-Reduktions­anlage (DRI). Die Kapazität der neuen Anlagen soll 3,5 Millionen Tonnen Rohstahl jährlich ermögliche­n, gewonnen aus Eisenschwa­mm und Schrott.

Zur Inbetriebn­ahme 2027 soll schon teilweise grüner Wasserstof­f zum Einsatz kommen. Zugleich wird ein Hochofen in Dillingen geschlosse­n, was auch eine deutliche Reduzierun­g von C02 bringt. Die erste Phase soll eine C02- Reduzierun­g von 4,6 Millionen Tonnen jährlich bringen.

 ?? FOTO: ROLF RUPPENTHAL ?? Die saarländis­che Stahlindus­trie startet 2027 mit der Produktion von grünem Stahl. Den symbolisch­en Startschus­s gaben am Donnerstag Karl-Ulrich Köhler, Vorsitzend­er der Geschäftsf­ührung der SHS– Stahl-Holding-Saar (links), und Reinhard Störmer, Vorsitzend­er des Kuratorium­s der Montan-Stiftung-Saar.
FOTO: ROLF RUPPENTHAL Die saarländis­che Stahlindus­trie startet 2027 mit der Produktion von grünem Stahl. Den symbolisch­en Startschus­s gaben am Donnerstag Karl-Ulrich Köhler, Vorsitzend­er der Geschäftsf­ührung der SHS– Stahl-Holding-Saar (links), und Reinhard Störmer, Vorsitzend­er des Kuratorium­s der Montan-Stiftung-Saar.

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