Russen sollen für die Kriegsschäden zur Kasse gebeten werden
Wer wird der Ukraine nach dem Krieg beim Wiederaufbau helfen? Die EU-Justizminister wollen Russen an den Kosten beteiligen.
BRÜSSEL/LUXEMBURG Die Justizminister der EU-Staaten haben sich am Donnerstag mit gleich vier Signalen an Russland wegen seines Angriffskriegs gegen die Ukraine beschäftigt. Sie besprachen bei ihrem Treffen in Luxemburg, wie sie Informationen über Kriegsverbrechen noch besser sammeln und dokumentieren können, wie sie Lücken in den bisherigen Sanktionen schließen und Verstöße ahnden können. Und wie sie Russland am Wiederaufbau des Landes beteiligen können. Schon nach der ersten Kriegswoche hatte Kiew die Schäden durch den Krieg auf über 90 Milliarden Euro beziffert. Seitdem sind 14 Wochen dazugekommen.
„Russland ist verantwortlich für schreckliche Kriegsschäden in der Ukraine“, stellte Justizminister Marco Buschmann (FDP) in Luxemburg fest. Wenn der Krieg hoffentlich bald vorbei sein würde, müsse das Land wiederaufgebaut werden. Das werde sehr viel Geld kosten, das die Ukraine nicht alleine aufbringen könne. „Ich finde schon, dass man darüber diskutieren muss, wie man Russland daran beteiligt“, so Buschmann.
EU-Justizkommissar Didier Reynders legte bereits einen Entwurf vor, nach dem das Vermögen von Kriegsverbrechern in allen EU-Mitgliedsstaaten beschlagnahmt und der Erlös in einen gemeinsamen Fonds fließen soll, aus dem heraus der Ukraine geholfen werden kann. „Es ist ein Weg, um das Geld dem ukrainischen Volk zurückzugeben“, sagte Reynders.
„Wir werden da an ganz vielen Schrauben drehen müssen“, meinte die österreichische Justizministerin Alma Zadic. Sie zeigte sich jedoch zuversichtlich, „dass wir uns annähern werden“. Das Problem dahinter machte Luxemburgs Justizministerin Samantha Tamson klar. In vielen EULändern gebe es unterschiedliche Standards. So sei es nach der Rechtslage in Luxemburg nur möglich, Besitz von Ausländern einzufrieren, nicht zu beschlagnahmen.
Eine Unterscheidung machte auch Buschmann für Deutschland. Es müssten Vermögensgegenstände des russischen Staates von solchen in privater Hand getrennt werden. In Deutschland gebe es das Instrument, Vermögen von Privatleuten abzuschöpfen, wenn ihnen in einem ordentlichen Gerichtsverfahren nachgewiesen worden sei, dass sie etwa an Kriegsverbrechen oder illegaler Kriegsführung beteiligt waren.
Bereits in den ersten Kriegstagen war von der Ukraine die Forderung nach Reparationen erhoben worden. Derartige Zahlungen für entstandene Schäden waren vor allem nach dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg üblich – jedoch vorwiegend durchgesetzt von den Siegern gegen die Besiegten. Ob sie im Krieg Russlands gegen die Ukraine nach einem Waffenstillstand Aussicht auf Erfolg haben, erscheint eher fraglich.
Auch die im Westen eingefrorenen Reserven der russischen Zentralbank waren in den Blick genommen worden. Allerdings kamen sofort Zweifel daran auf, ob diese von Nicht-Kriegsbeteiligten wirklich beschlagnahmt und anderweitig verwendet werden können, ohne das gesamte Weltfinanzsystem zu beschädigen oder gar zu zerstören.
Der Rechtsexperte der EVP im Europa-Parlament, Axel Voss, hält es jedenfalls für „absolut richtig, Russland für Kriegsschäden haften und zahlen zu lassen“– und in dem Zusammenhang auch ein Konjunkturpaket für den Wiederaufbau der Ukraine zu erarbeiten. Es werde schwierig, das rechtlich und praktikabel umzusetzen. „Aber das Signal muss eindeutig sein, dass Russland für seine Aggressionen und die enormen Zerstörungen zahlen muss“, unterstreicht der CDU-Rechtsexperte aus Bonn. Es könne ein erster Schritt sein, die durch die EU-Sanktionen beschlagnahmten Wertgegenständen von an Kriegsschäden indirekt beteiligten Russen zu nutzen, um den Wiederaufbau zu finanzieren.
Buschmann bekommt für seinen Vorstoß die Rückendeckung der Koalitionspartner. SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese unterstützte ihn „ausdrücklich in der Forderung, dass Russland für die Schäden in der Ukraine aufgrund des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges verantwortlich gemacht wird“. Die Reynders-Idee könne ein geeignetes Instrument sein. Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz schließt sich ebenfalls an. „Als Grüne sprechen wir uns dafür aus, sehr genau zu prüfen, inwieweit das eingefrorene Vermögen russischer Oligarchen für den Wiederaufbau der Ukraine nutzbar gemacht werden kann“, sagte von Notz. Allerdings seien die damit verbundenen juristischen Fragen „nicht trivial“und sollten schnellstmöglich vom Justizministerium geprüft werden.
Kopfschütteln kommt vom Berliner Unions-Rechtsexperten Günter Krings. „Ich hätte erwartet, dass diese seit Februar mögliche Prüfung schon zu konkreten Vorschlägen geführt hätte“, sagte der CDU-Politiker. Ein Antrag seiner Fraktion zur Einziehung der Oligarchen-Vermögen zu Gunsten der Ukraine liege längst vor.