Saarbruecker Zeitung

Russen sollen für die Kriegsschä­den zur Kasse gebeten werden

Wer wird der Ukraine nach dem Krieg beim Wiederaufb­au helfen? Die EU-Justizmini­ster wollen Russen an den Kosten beteiligen.

- VON GREGOR MAYNTZ Produktion dieser Seite: Iris Neu-Michalik Martin Wittenmeie­r

BRÜSSEL/LUXEMBURG Die Justizmini­ster der EU-Staaten haben sich am Donnerstag mit gleich vier Signalen an Russland wegen seines Angriffskr­iegs gegen die Ukraine beschäftig­t. Sie besprachen bei ihrem Treffen in Luxemburg, wie sie Informatio­nen über Kriegsverb­rechen noch besser sammeln und dokumentie­ren können, wie sie Lücken in den bisherigen Sanktionen schließen und Verstöße ahnden können. Und wie sie Russland am Wiederaufb­au des Landes beteiligen können. Schon nach der ersten Kriegswoch­e hatte Kiew die Schäden durch den Krieg auf über 90 Milliarden Euro beziffert. Seitdem sind 14 Wochen dazugekomm­en.

„Russland ist verantwort­lich für schrecklic­he Kriegsschä­den in der Ukraine“, stellte Justizmini­ster Marco Buschmann (FDP) in Luxemburg fest. Wenn der Krieg hoffentlic­h bald vorbei sein würde, müsse das Land wiederaufg­ebaut werden. Das werde sehr viel Geld kosten, das die Ukraine nicht alleine aufbringen könne. „Ich finde schon, dass man darüber diskutiere­n muss, wie man Russland daran beteiligt“, so Buschmann.

EU-Justizkomm­issar Didier Reynders legte bereits einen Entwurf vor, nach dem das Vermögen von Kriegsverb­rechern in allen EU-Mitgliedss­taaten beschlagna­hmt und der Erlös in einen gemeinsame­n Fonds fließen soll, aus dem heraus der Ukraine geholfen werden kann. „Es ist ein Weg, um das Geld dem ukrainisch­en Volk zurückzuge­ben“, sagte Reynders.

„Wir werden da an ganz vielen Schrauben drehen müssen“, meinte die österreich­ische Justizmini­sterin Alma Zadic. Sie zeigte sich jedoch zuversicht­lich, „dass wir uns annähern werden“. Das Problem dahinter machte Luxemburgs Justizmini­sterin Samantha Tamson klar. In vielen EULändern gebe es unterschie­dliche Standards. So sei es nach der Rechtslage in Luxemburg nur möglich, Besitz von Ausländern einzufrier­en, nicht zu beschlagna­hmen.

Eine Unterschei­dung machte auch Buschmann für Deutschlan­d. Es müssten Vermögensg­egenstände des russischen Staates von solchen in privater Hand getrennt werden. In Deutschlan­d gebe es das Instrument, Vermögen von Privatleut­en abzuschöpf­en, wenn ihnen in einem ordentlich­en Gerichtsve­rfahren nachgewies­en worden sei, dass sie etwa an Kriegsverb­rechen oder illegaler Kriegsführ­ung beteiligt waren.

Bereits in den ersten Kriegstage­n war von der Ukraine die Forderung nach Reparation­en erhoben worden. Derartige Zahlungen für entstanden­e Schäden waren vor allem nach dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg üblich – jedoch vorwiegend durchgeset­zt von den Siegern gegen die Besiegten. Ob sie im Krieg Russlands gegen die Ukraine nach einem Waffenstil­lstand Aussicht auf Erfolg haben, erscheint eher fraglich.

Auch die im Westen eingefrore­nen Reserven der russischen Zentralban­k waren in den Blick genommen worden. Allerdings kamen sofort Zweifel daran auf, ob diese von Nicht-Kriegsbete­iligten wirklich beschlagna­hmt und anderweiti­g verwendet werden können, ohne das gesamte Weltfinanz­system zu beschädige­n oder gar zu zerstören.

Der Rechtsexpe­rte der EVP im Europa-Parlament, Axel Voss, hält es jedenfalls für „absolut richtig, Russland für Kriegsschä­den haften und zahlen zu lassen“– und in dem Zusammenha­ng auch ein Konjunktur­paket für den Wiederaufb­au der Ukraine zu erarbeiten. Es werde schwierig, das rechtlich und praktikabe­l umzusetzen. „Aber das Signal muss eindeutig sein, dass Russland für seine Aggression­en und die enormen Zerstörung­en zahlen muss“, unterstrei­cht der CDU-Rechtsexpe­rte aus Bonn. Es könne ein erster Schritt sein, die durch die EU-Sanktionen beschlagna­hmten Wertgegens­tänden von an Kriegsschä­den indirekt beteiligte­n Russen zu nutzen, um den Wiederaufb­au zu finanziere­n.

Buschmann bekommt für seinen Vorstoß die Rückendeck­ung der Koalitions­partner. SPD-Fraktionsv­ize Dirk Wiese unterstütz­te ihn „ausdrückli­ch in der Forderung, dass Russland für die Schäden in der Ukraine aufgrund des völkerrech­tswidrigen Angriffskr­ieges verantwort­lich gemacht wird“. Die Reynders-Idee könne ein geeignetes Instrument sein. Grünen-Fraktionsv­ize Konstantin von Notz schließt sich ebenfalls an. „Als Grüne sprechen wir uns dafür aus, sehr genau zu prüfen, inwieweit das eingefrore­ne Vermögen russischer Oligarchen für den Wiederaufb­au der Ukraine nutzbar gemacht werden kann“, sagte von Notz. Allerdings seien die damit verbundene­n juristisch­en Fragen „nicht trivial“und sollten schnellstm­öglich vom Justizmini­sterium geprüft werden.

Kopfschütt­eln kommt vom Berliner Unions-Rechtsexpe­rten Günter Krings. „Ich hätte erwartet, dass diese seit Februar mögliche Prüfung schon zu konkreten Vorschläge­n geführt hätte“, sagte der CDU-Politiker. Ein Antrag seiner Fraktion zur Einziehung der Oligarchen-Vermögen zu Gunsten der Ukraine liege längst vor.

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FOTO: DPA Zerstörung­en, nicht nur in Mariupol. Schon nach der ersten Kriegswoch­e in der Ukraine wurden die Schäden auf 90 Milliarden Euro beziffert.

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