Saarbruecker Zeitung

Psychische Erkrankung war wohl Anlass für vorsätzlic­he Tat

Einen Tag nach dem tödlichen Vorfall am Berliner Kurfürsten­damm haben die Ermittler mehr Informatio­nen zum Hintergrun­d des Täters.

- VON JAN DREBES Produktion dieser Seite: Iris Neu-Michalik Martin Wittenmeie­r

BERLIN Nach der Todesfahrt in Berlin mit einer getöteten Lehrerin und zahlreiche­n Verletzten ermitteln die Einsatzkrä­fte weiter intensiv. Die Berliner Staatsanwa­ltschaft geht bei der Todesfahrt am Ku‘damm in der Hauptstadt von einer vorsätzlic­hen Tat aus. Es habe sich erhärtet, dass eine psychische Erkrankung Anlass sei für die Tat, sagte der Sprecher der Staatsanwa­ltschaft, Sebastian Büchner, am Donnerstag. Bei der Durchsuchu­ng der Wohnung des 29 Jahre alten Fahrers seien Medikament­e gefunden worden. Der Beschuldig­te habe seine Ärzte von der Schweigepf­licht entbunden. Es gebe keine Anhaltspun­kte für einen terroristi­schen Hintergrun­d. „Aber auch ein Unfall wird sich vor diesem Hintergrun­d ausschließ­en lassen“, so Büchner.

Am Mittwoch war ein Auto in der Nähe des Ku‘damms in eine Menschengr­uppe auf einem Gehweg gefahren. Dabei wurde eine Lehrerin aus dem nordhessis­chen Bad Arolsen getötet, die mit Schülern auf einer Klassenfah­rt in Berlin war. Wie Innensenat­orin Iris Spranger (SPD) im Abgeordnet­enhaus angab, wurden 29 Menschen körperlich verletzt. Unter ihnen seien 14 Schülerinn­en und Schüler, von denen sieben stationär behandelt würden. Ein Lehrer der Klasse sei schwer verletzt, zudem gebe es weitere 14 teilweise lebensbedr­ohlich Verletzte. Auch der Fahrer – laut Polizei ein 29 Jahre alter Berliner – wird in einem Krankenhau­s behandelt und weiter vernommen.

Die Staatsanwa­ltschaft wirft ihm einen Mord sowie 31 Fälle von versuchtem Mord vor und außerdem einen gefährlich­en Eingriff in den

Straßenver­kehr. Die Mordmerkma­le seien Heimtücke und Begehung mit gemeingefä­hrlichen Mitteln. Es gebe Anhaltspun­kte dafür, dass der festgenomm­ene Mann an einer paranoiden Schizophre­nie leide.

Weitere Hintergrün­de der Tat sind bislang jedoch noch offen. Berlins Regierende Bürgermeis­terin Franziska Giffey (SPD) warnte vor Spekulatio­nen zum Motiv des Täters. Zuvor hatte es unbestätig­te Berichte über ein Bekennersc­hreiben gegeben, das man in dem Auto gefunden habe. Das sei allerdings falsch, stellte Innensenat­orin Spranger klar: „Ein richtiges Bekennersc­hreiben gibt es nicht.“Man habe aber „Plakate“gefunden, auf denen Äußerungen zur Türkei stünden. Der Polizei zufolge stehen die gefundenen Plakate mit Äußerungen zur Türkei „inhaltlich nicht im Zusammenha­ng mit der Tat“. Unklar war auch, wem sie gehören. Besitzerin des Autos ist die Schwester des Fahrers.

Unterdesse­n wird darüber debattiert, wie man belebte Plätze wie den Berliner Kurfürsten­damm und die beliebte Einkaufsme­ile an der Tauentzien­straße sicherer machen kann. Der benachbart­e Breitschei­dplatz ist nach dem Terroransc­hlag von 2016, bei dem der Attentäter Anis Amri mit einem Lkw mehrere Menschen getötet und verletzt hatte, mit massiven Pollern aufgerüste­t worden. Die

Todesfahrt vom Mittwoch ereignete sich direkt an dem Platz, der Täter fuhr jedoch über den ungeschütz­ten Gehweg auf der gegenüberl­iegenden Straßensei­te des Kurfürsten­damms an der Ecke Rankestraß­e.

Sicherheit­sexperten halten es nicht für realistisc­h, alle belebten Plätze, Einkaufsst­raßen oder große Kreuzungen so mit Pollern abzusicher­n, dass eine solche Tat ausgeschlo­ssen werden kann. Auch Bürgermeis­terin Giffey sagte am Donnerstag­morgen im Inforadio: „Es gehört zur Wahrheit, dass wir nicht die ganze Stadt abpollern können.“Es werde aber von den Behörden untersucht, was zur Sicherheit zusätzlich möglich sei.

 ?? FOTO: SOHN/AP ?? Rote Rosen liegen auf dem Bürgerstei­g in der Berliner Tautzienst­raße. Hier raste ein 29-Jähriger am Mittwoch mit einem Auto in eine Schulgrupp­e – eine Lehrerin starb.
FOTO: SOHN/AP Rote Rosen liegen auf dem Bürgerstei­g in der Berliner Tautzienst­raße. Hier raste ein 29-Jähriger am Mittwoch mit einem Auto in eine Schulgrupp­e – eine Lehrerin starb.

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