Die Klima-Verhandler stehen unter Doppel-Druck
Der Jubel war laut, aber die Motivation verwirrend: Völlig überraschend verhinderten Grüne, Sozialdemokraten, Linke und Rechtspopulisten mit ihrer Mehrheit das zentrale Zertifikatehandel-Projekt des EUKlimaschutzpaketes. Die einen, weil es ihnen nicht weit genug ging, die anderen, weil es ihnen viel zu weit ging. Das bedeutet: Wie ein nun nötiger neuer Anlauf aussehen wird, werden die Grünen kaum mit SPD, Linken, Sozialdemokraten und Rechtspopulisten aushandeln. Im Kern wird es also um einen neuen Kompromiss zwischen Union und Grünen gehen. Und da hier mit Peter Liese ein deutscher CDUPolitiker federführend ist, gibt es eine bemerkenswerte Parallelität: In Brüssel wird Liese bereits in der nächsten Woche mit den Grünen erneut verhandeln. Zugleich ist er auch einer der wichtigsten Akteure bei den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und Grünen in NRW. Damit nicht genug: Etliche Europa-Abgeordnete von Grünen und CDU pendeln nicht nur zwischen Brüssel und NRW, sondern auch zwischen Brüssel und Kiel, wo gerade ebenfalls ein schwarz-grünes Bündnis ausgehandelt wird. Und in beiden Ländern geht es im Kern um die künftige Aufstellung der Landesregierungen im Kampf gegen den Klimawandel. Der Verständigungsdruck kommt also von zwei Fronten.
In zwei Wochen soll bereits ein neuer Abstimmungsanlauf im Europa-Parlament unternommen werden. Allerdings muss Liese dabei aufpassen, den Grünen nicht zu weit entgegenzukommen. Sonst gehen ihm nämlich die eigenen Leute von der Stange. Bei der Positionierung zum Umgang mit dem Emissionshandel hatte sich eine seltene Übereinstimmung zwischen Wirtschafts-, Industrie-,
Gewerkschafts- und Sozialflügel innerhalb der EVP herausgebildet. Sie verweisen zudem darauf, dass auf einen Teil der sozialdemokratischen Fraktion die Warnungen der Gewerkschafter nicht ohne Wirkung blieben. So hatten allein sechs SPD-Europa-Abgeordnete mit ihrem Chef Jens Geier mit der EVP gestimmt.
Was heißt das nun für das Klimapaket der EU? Geschwunden ist jedenfalls die Hoffnung, dass alles noch während der französischen Ratspräsidentschaft fertig verhandelt sein könnte. Vieles spricht dafür, dass es erst im nächsten Halbjahr zu einer endgültigen Verständigung kommt – dann unter tschechischer Präsidentschaft, die erkennbar mehr pragmatisch aufgestellt sein wird und den Pariser Zielen nicht so emotional verbunden ist wie die Pariser Regierung.
Zudem ist noch lange nicht entschieden, dass sich die Mehrheiten im EU-Parlament am Ende auch bei den EU-Mitgliedsstaaten durchsetzen. Am Mittwoch schien noch klar, dass das Aus für Verbrennungsmotoren nach dem Votum des Parlamentes ab 2035 unabwendbar sei. Am Donnerstag stellte FDP-Chef Christian Lindner zumindest für Deutschland schon mal einen Fuß in die Tür – und drängte die Bundesregierung Richtung „Technologieoffenheit“. Könnte sein, dass die Verlierer der Abstimmung von gestern, die Gewinner der Entscheidung von übermorgen sind.