DGB erfolgreich bei Saar-Betriebsratswahlen
Die Gewerkschaften sind zufrieden mit den Ergebnissen. Auf die neuen Betriebsräte warten große Herausforderungen.
SAARBRÜCKEN Die Betriebsratswahlen, bei denen seit März die Beschäftigten ihre Stimme abgeben konnten, sind zu Ende. Noch liegen nicht alle Ergebnisse vor, doch bei den sechs Arbeitnehmer-Organisationen, die dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) angehören, herrscht – zumindest im Saarland – allgemeine Zufriedenheit. Allerdings sind sie sich bewusst, dass auf die neuen Mandatsträger eine Menge Arbeit wartet.
Die Zahl der Firmen, in denen Betriebsräte gewählt wurden, ist weitgehend gleich geblieben. Gab es Veränderungen, „waren die Unternehmen entweder insolvent oder existierten nicht mehr“, sagt Jörg Caspar, 1. Bevollmächtigter der IG Metall-Verwaltungsstelle Neunkirchen. Es kamen auch Betriebe hinzu, was in der Verwaltungsstelle Homburg-Saarpfalz der Fall war.
Mit der Wahlbeteiligung können die Gewerkschaftsvertreter leben. Bei der IG Metall in Homburg-Saarpfalz lag sie beispielsweise bei 72 Prozent. „Aufgrund hoher Krankenstände und Quarantäneanordnungen wegen Corona sowie schwieriger Zugänge zu den Mitarbeitern im Homeoffice ist das aus unserer Sicht eine gute Wahlbeteiligung“, sagt der 1. Bevollmächtigte Ralf Reinstädtler. In den Unternehmen, in denen erstmals eine Arbeitnehmer-Vertretung gewählt wurde, „erlebten wir eine sehr hohe, teilweise 100-prozentige Wahlbeteiligungen“, sagt Thomas Müller, Bezirksgeschäftsführer Region Saar Trier der Gewerkschaft Verdi.
Die Mitarbeiter von Firmen, in denen es noch keinen Betriebsrat gibt, sollten jetzt nicht resignieren und die nächsten Wahlen in vier Jahren abwarten. Darauf weist die Arbeitskammer (AK) Saar hin. „Neue Betriebsräte können jederzeit gewählt werden“, sagt AK-Hauptgeschäftsführer Thomas Otto – frei nach dem Motto: „Hast Du keinen, wähl Dir einen“.
Die übergroße Mehrzahl der Mandate konnten die DGB-Gewerkschaften erringen. Die übrigen entfielen auf freie Kandidaten oder Vertreter von ArbeitnehmerOrganisationen des Christlichen Gewerkschaftsbundes (CGB). Der Bezirk Saarbrücken der IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) kann beispielsweise mehr als 80 Prozent der 418 Mandate für sich reklamieren, bilanziert Bezirksleiter Heiko Metzger. Ähnlich hohe Quoten melden auch andere DGB-Gewerkschaften.
Die kleinen Arbeitnehmer-Vertretungen sind ebenfalls zufrieden. Die Christliche Gewerkschaft Metall (CGM), die in knapp 20 saarländischen Betrieben eigene Kandidaten aufgestellt hatte, erhielt „etwa die gleiche Anzahl an Mandaten wie in den Jahren zuvor“, sagt CGMGeschäftsführer Achim Leist nach einer ersten Schätzung. Bei einem großen Saarbrücker Anlagenbauer hätten die Christlichen sogar vier von elf Sitzen erringen können. „Das spricht für die gute Arbeit unserer Betriebsräte vor Ort.“
Allerdings gibt es im Saarland auch traurige Schlusslichter. Mark
Baumeister, Geschäftsführer der Region Saar bei der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), beklagt, dass in seinem Sprengel nur ein einziges Restaurant und ein Hotel einen Betriebsrat haben. „Damit haben wir bundesweit die rote Laterne.“Es sei für die NGG zudem schwer, mit den Lehrlingen über die Themen Tarifverträge und Mitbestimmung zu sprechen, „da wir nicht in die Berufsschulen hineindürfen“. Er plant für den 20. Juni einen Infotag an den Bushaltestellen vor den Schulen, „um mit den Azubis ins Gespräch zu kommen“.
Informations- und Schulungsbedarf besteht auch bei den Betriebsräten, die neu in die ArbeitnehmerVertretungen gewählt wurden. Bei der IG-Metall-Verwaltungsstelle Neunkirchen ist das jeder Vierte. „Wir haben die Verjüngung vorangetrieben“, sagt Caspar. Die potenziellen Kandidaten seien schon vorher intensiv geschult worden, „um sie auf ihre verantwortungsvolle Tätigkeit vorzubereiten“. In technischen Fragen bietet sich die Arbeitskammer-Tochter „Best“(Beratungsstelle für sozialverträgliche Technologiegestaltung) als Wissenstankstelle an, wirbt Otto.
Denn die Herausforderungen der kommenden Jahre seien für die Betriebe an der Saar – und damit auch für die Arbeitnehmer-Vertreter – gewaltig. Der AK-Chef nennt sie „die drei großen D“: die Dekarbonisierung (weg von Kohle, Öl oder Gas), die Digitalisierung und den Aufbau einer Wasserstoff-Wirtschaft, da Wasserstoff als der Energieträger der Zukunft gilt. Für Reinstädtler sind die Fachkräftesicherung sowie eine intensive Aus- und Weiterbildung weitere wichtige Themen. Die Arbeitnehmer müssten die Produktionsmethoden der Zukunft schließlich auch beherrschen. Das geht schon beim Kfz-Handwerk los, wo die Mechaniker lernen müssen, Elektro-Autos zu reparieren, sagt Thorsten Dellmann, 2. Bevollmächtigter der IG Metall-Verwaltungsstelle Saarbrücken. Für den DGB Rheinland-Pfalz-Saarland ist klar, dass angesichts dieser Herausforderungen „die Möglichkeiten der Mitbestimmung erweitert werden müssen“.
Konkrete Wünsche an die neue Landesregierung hat Verdi-Bezirksleiter Müller. Er erwartet, dass sie in ihren Aufsichts- und Kontrollbehörden „endlich ausreichend Personal einstellt“. Gerade „rund um den Arbeits- und Gesundheitsschutz ist das dringend notwendig“. Das Landesamt für Umweltund Arbeitsschutz (LUA) „kann gar nicht adäquat reagieren, wenn ihm beispielsweise Verstöße gegen das Arbeitszeit-, Mutterschutz- und Jugendarbeitsschutzgesetz gemeldet werden“, kritisiert er.
Auch Ralf Damde, Vorsitzender des Landesverbandsvorstands Saarland bei der Eisenbahner-Verkehrsgewerkschaft (EVG), mag es konkret. Er fordert neben einer Aufwertung des Bahn-Standorts Saar, wo Leute auch wieder aus- und weitergebildet werden sollen, Dinge wie „altersgerechte Dienstpläne für das Fahrpersonal“. Es könne nicht sein, dass ein Lokführer, der das Ende seines Berufslebens am Horizont sieht, „immer noch um 3 Uhr morgens Dienstbeginn hat“.