Professionelle Unfallopfer aus Quierschied
Seit 21 Jahren gibt es beim Roten Kreuz in Quierschied eine Gruppe mit Notfalldarstellern. Mit Schmink- und SchauspielSpezialisten. Sie stellen die grausame Realität an einem Unfallort nach.
QUIERSCHIED Die Brandverletzungen im Gesicht, am Hals und an der Schulter sind deutlich zu sehen. Vivien Dahm schreit vor Schmerzen. Günter Schwan sitzt dagegen mit einer Platzwunde am Kopf fast regungslos in einer Ecke. „Bei Günter kommt jetzt noch mehr Blut zum Einsatz, damit es am Kopf herunterläuft“, sagt Frank Schneider, der Leiter der Notfalldarstellung des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Quierschied. Es ist kein Ernstfall. Die Verletzungen bei Dahm und Schwan sind aufwendig geschminkt und modelliert. Die Quierschieder sind Spezialisten, was die Notfalldarstellung angeht. „Es ist extrem wichtig, dass die Verletzungen bei Übungen realistisch aussehen und dass die Verletzungen auch gut gespielt werden. Nur so kann man den Ernstfall richtig darstellen“, sagt Frank Schneider.
Der 39-Jährige hat die Gruppe im DRK Quierschied vor 21 Jahren ins Leben gerufen. „Es ging eigentlich darum, dass wir im DRK nicht immer nur an Puppen üben wollten. Die Notfalldarstellung sorgte damals direkt für Begeisterung, und sie wächst stetig“, erklärt Schneider. Im Saarland gibt es vier Gruppen für Notfalldarstellungen. Sie sind in Merzig, St. Ingbert, St. Wendel und in Quierschied. Mit 14 Darstellern ist die Gruppe in Quierschied eine der größten. „Es ist wahnsinnig spannend, solche Verletzungen zu spielen. Man versetzt sich tatsächlich in die Lage der Verletzten und es ist auch interessant, wie die Ersthelfer mit den Situationen umgehen“, sagt
„Es ist wahnsinnig spannend, solche Verletzungen zu spielen.“Vivien Dahm Notfalldarstellerin beim DRK Quierschied
Vivien Dahm, während sie von ihrer Schwester Sarah die Brandverletzungen geschminkt bekommt.
Mareike Schneider simuliert mit Schminke abgelöste Haut an der Hand von Vivien Dahm. Schneider arbeitet in der Notaufnahme eines Krankenhauses und kennt sich mit Verletzungen aller Art bestens aus. „Eine Schnittverletzung am Finger ist relativ einfach zu schminken. Das dauert fünf Minuten. Bei Verletzungen mit einem offenen Bauch oder beispielsweise einer Durchpfählung dauert das Schminken auch schon mal länger als eine halbe Stunde“, erzählt sie.
Mit ihrer großen Ausrüstung können die Quierschieder Notfalldarsteller so ziemlich jede Verletzung darstellen. Zur Notfalldarstellung gehören auch die Gaffer, die bei Unfällen Fotos machen wollen und so die Ersthelfer behindern. „Wir treffen uns alle zwei Wochen montags von 18.30 bis 21 Uhr bei uns im DRK Quierschied, dann wird geübt. Versuchen Sie einfach mal, laut und hemmungslos zu schreien. Das ist gar nicht so einfach. Wir haben dazu spielerische Übungen, um das Ganze zu erlernen“, erklärt Günter Schwan. Er ist der Vorsitzende der Lagedarstellung Saar.
Die Professionalität der Quierschieder ist begehrt. Zweimal im Monat ist das Team der Notfalldarstellung im Einsatz bei den Prüfungen der Rettungsdienstschule in St. Ingbert. Hinzu kommen Übungen bei der Polizei, der Feuerwehr, dem Technischen Hilfswerk und natürlich beim Roten Kreuz. „2018 gab es in Illingen eine Übung mit mehr als 80 Personen. Das war bislang die größte Übung, bei der ich dabei war. Es war hoch interessant, aber auch anstrengend. Die Übung dauerte sechs Stunden, und wir Darsteller müssen immer schon zwei Stunden vor der Übung vor Ort sein, geschminkt werden und uns mit der Situation vertraut machen“, sagt Vivien Dahm.
Viele Übungen erfordern auch viel Schminkmaterial. Eine kleine Wachsdose kostet etwa 13 Euro. Eine Darstellung einer Verbrennung wie bei Vivien Dahm kostet etwa vier Euro – ein ganzer Schminkkoffer 500 Euro. „Wir verlangen bei Übungen nur den Kostenbeitrag, mehr nicht. Wir machen hier unser Hobby und wollen damit kein Geld verdienen. Das Wichtige ist, dass alle Ersthelfer möglichst realistische Bedingungen bei Übungen vorfinden können. Das kann letztlich entscheidend sein, wenn es bei einem Ernstfall um Leben und Tod geht“, sagt Frank Schneider.