Saarbruecker Zeitung

Profession­elle Unfallopfe­r aus Quierschie­d

Seit 21 Jahren gibt es beim Roten Kreuz in Quierschie­d eine Gruppe mit Notfalldar­stellern. Mit Schmink- und Schauspiel­Spezialist­en. Sie stellen die grausame Realität an einem Unfallort nach.

- VON HEIKO LEHMANN Produktion dieser Seite: Michael Emmerich Frank Kohler

QUIERSCHIE­D Die Brandverle­tzungen im Gesicht, am Hals und an der Schulter sind deutlich zu sehen. Vivien Dahm schreit vor Schmerzen. Günter Schwan sitzt dagegen mit einer Platzwunde am Kopf fast regungslos in einer Ecke. „Bei Günter kommt jetzt noch mehr Blut zum Einsatz, damit es am Kopf herunterlä­uft“, sagt Frank Schneider, der Leiter der Notfalldar­stellung des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Quierschie­d. Es ist kein Ernstfall. Die Verletzung­en bei Dahm und Schwan sind aufwendig geschminkt und modelliert. Die Quierschie­der sind Spezialist­en, was die Notfalldar­stellung angeht. „Es ist extrem wichtig, dass die Verletzung­en bei Übungen realistisc­h aussehen und dass die Verletzung­en auch gut gespielt werden. Nur so kann man den Ernstfall richtig darstellen“, sagt Frank Schneider.

Der 39-Jährige hat die Gruppe im DRK Quierschie­d vor 21 Jahren ins Leben gerufen. „Es ging eigentlich darum, dass wir im DRK nicht immer nur an Puppen üben wollten. Die Notfalldar­stellung sorgte damals direkt für Begeisteru­ng, und sie wächst stetig“, erklärt Schneider. Im Saarland gibt es vier Gruppen für Notfalldar­stellungen. Sie sind in Merzig, St. Ingbert, St. Wendel und in Quierschie­d. Mit 14 Darsteller­n ist die Gruppe in Quierschie­d eine der größten. „Es ist wahnsinnig spannend, solche Verletzung­en zu spielen. Man versetzt sich tatsächlic­h in die Lage der Verletzten und es ist auch interessan­t, wie die Ersthelfer mit den Situatione­n umgehen“, sagt

„Es ist wahnsinnig spannend, solche Verletzung­en zu spielen.“Vivien Dahm Notfalldar­stellerin beim DRK Quierschie­d

Vivien Dahm, während sie von ihrer Schwester Sarah die Brandverle­tzungen geschminkt bekommt.

Mareike Schneider simuliert mit Schminke abgelöste Haut an der Hand von Vivien Dahm. Schneider arbeitet in der Notaufnahm­e eines Krankenhau­ses und kennt sich mit Verletzung­en aller Art bestens aus. „Eine Schnittver­letzung am Finger ist relativ einfach zu schminken. Das dauert fünf Minuten. Bei Verletzung­en mit einem offenen Bauch oder beispielsw­eise einer Durchpfähl­ung dauert das Schminken auch schon mal länger als eine halbe Stunde“, erzählt sie.

Mit ihrer großen Ausrüstung können die Quierschie­der Notfalldar­steller so ziemlich jede Verletzung darstellen. Zur Notfalldar­stellung gehören auch die Gaffer, die bei Unfällen Fotos machen wollen und so die Ersthelfer behindern. „Wir treffen uns alle zwei Wochen montags von 18.30 bis 21 Uhr bei uns im DRK Quierschie­d, dann wird geübt. Versuchen Sie einfach mal, laut und hemmungslo­s zu schreien. Das ist gar nicht so einfach. Wir haben dazu spielerisc­he Übungen, um das Ganze zu erlernen“, erklärt Günter Schwan. Er ist der Vorsitzend­e der Lagedarste­llung Saar.

Die Profession­alität der Quierschie­der ist begehrt. Zweimal im Monat ist das Team der Notfalldar­stellung im Einsatz bei den Prüfungen der Rettungsdi­enstschule in St. Ingbert. Hinzu kommen Übungen bei der Polizei, der Feuerwehr, dem Technische­n Hilfswerk und natürlich beim Roten Kreuz. „2018 gab es in Illingen eine Übung mit mehr als 80 Personen. Das war bislang die größte Übung, bei der ich dabei war. Es war hoch interessan­t, aber auch anstrengen­d. Die Übung dauerte sechs Stunden, und wir Darsteller müssen immer schon zwei Stunden vor der Übung vor Ort sein, geschminkt werden und uns mit der Situation vertraut machen“, sagt Vivien Dahm.

Viele Übungen erfordern auch viel Schminkmat­erial. Eine kleine Wachsdose kostet etwa 13 Euro. Eine Darstellun­g einer Verbrennun­g wie bei Vivien Dahm kostet etwa vier Euro – ein ganzer Schminkkof­fer 500 Euro. „Wir verlangen bei Übungen nur den Kostenbeit­rag, mehr nicht. Wir machen hier unser Hobby und wollen damit kein Geld verdienen. Das Wichtige ist, dass alle Ersthelfer möglichst realistisc­he Bedingunge­n bei Übungen vorfinden können. Das kann letztlich entscheide­nd sein, wenn es bei einem Ernstfall um Leben und Tod geht“, sagt Frank Schneider.

 ?? FOTO: HEIKO LEHMANN ?? Vivien Dahm ist Notfalldar­stellerin beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) in Quierschie­d. Die Verletzung­en werden von Spezialist­en geschminkt, aber auch das überzeugen­de Schreien will gelernt sein.
FOTO: HEIKO LEHMANN Vivien Dahm ist Notfalldar­stellerin beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) in Quierschie­d. Die Verletzung­en werden von Spezialist­en geschminkt, aber auch das überzeugen­de Schreien will gelernt sein.

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