Zwei, die auch mal Rücken an Rücken stehen
In ihrer Kunst unterscheiden sie sich, aber auf ihrem künstlerischen Weg sind Jonas Mayer und Dennis Di Biase unzertrennlich. Ein schöner Zufall führte die beiden zusammen. Ein Treffen in ihrem Atelier mit Ausblick auf eine sehr spielerische Ausstellung.
SAARBRÜCKEN Jonas Mayer (27) und Dennis Di Biase (26) sind zwei Saarbrücker Künstler, deren Stil unterschiedlicher nicht sein könnte. Von Mayers Arbeiten treten einem bunte, von der Nostalgie der Kindheit geprägte Bildwelten entgegen. Fantasiewelten, in denen von Spielzeugen inspirierte Charaktere regieren, Schaukelpferde, Soldaten und Co.
In Di Biases Arbeiten hingegen regiert, wenn man so will, der Schmerz. Das Leid. Gewalt. Übertragen auf von dunklen Farben dominierte Leinwände, materialisiert in diffusen Figuren.
Und doch: Die Geschichten dieser beiden jungen Männer lassen sich kaum getrennt voneinander erzählen. Die erste gemeinsame Ausstellung hatten die beiden schon, da kannten sie sich kaum. Dem Zufall war ihre erste Begegnung geschuldet. Ein gemeinsamer Freund stellte sie vor.
„Jonas hatte damals den Auftrag, eine Wand am Silo zu gestalten“, erinnert sich Di Biase, „ich hab da dann mal vorbeigeschaut“. Noch am selben Tag begleitete Jonas Mayer Dennis Di Biase in die Galerie Neuheisel. „Ich hatte dort ein Gespräch mit Benjamin Knur, weil ich jemandem meine Bewerbungsmappe für die HBK zeigen wollte“, erzählt Di Biase. Benjamin Knur bot ihm allerdings gleich eine Ausstellung an. „Weil ich ja noch nicht etabliert war, schlug er eine Doppelausstellung vor, und als er fragte, mit wem ich mir das vorstellen könne, zeigte ich einfach auf Jonas“, sagt Di Biase und lacht.
Zum Scheitern verurteilt sei dieses Vorhaben eigentlich gewesen, sagen die beiden heute. Mayer hatte bis dato noch nie mit Öl gemalt. Di Biase weder mit Farbe noch auf Leinwände. Rücken an Rücken haben sie in jener Zeit der Ausstellungs-Vorbereitung in einem Zehn-Quadratmeter-Zimmer im Haus von Mayers Bruder gemalt, viel Zeit miteinander verbracht, gemeinsam viele neue künstlerische Ebenen entdeckt. „Unsere Begegnung war der perfekte Zufall“, sagen sie. Und auch ihre Ausstellung „Contra Stare“2018 in der Galerie Neuheisel wurde ein voller Erfolg.
Seitdem ist viel passiert. Das provisorische Zehn-Quadratmeter-Zimmer ist einem gemeinsamen Atelier in der Eisenbahnstraße gewichen. Und auch die künstlerischen Positionen der beiden haben sich entwickelt, gefestigt. Seine Ausbildung abgebrochen, das Fachabi nachgeholt und sich für freie Kunst an der HBK eingeschrieben zu haben, hat Dennis Di Biase nie bereut.
„Mir wurde damals klar, dass wenn ich Sinn im Leben haben möchte, es genau das ist“, sagt er, „egal, mit welchen Unsicherheiten das dann verbunden ist“. Generell sei er ein eher unsicherer Mensch, da sei es eine gute Übung, sich eben genau in diesen Sachen in Geduld zu üben und ein Bewusstsein aufzubauen.
Die Unsicherheit, die Vagheit des Menschseins, ist auch diskursbestimmend für Di Biases Kunst. Ob auf seinen früheren kleinformatigen schwarz-weißen Papierarbeiten oder den großformatigen Leinwänden, auf die er irgendwann umgestiegen ist – der „intensiveren Wirkung“wegen. Immer geht es um ein existenzialistisches Erforschen der menschlichen Tiefe.
Mit den Jahren hat sich eine spezifische Bildsprache entwickelt. Dunkle Farben, verzerrte Körper, wiederkehrende Motive: Stühle zum Beispiel. „Da steckt so was drin, dass man immer wieder aufgerüttelt wird“, sagt Di Biase, „es gibt einen Moment der Ruhe. Gleichzeitig hat man im Hinterkopf, dass es weitergehen muss“.
Nicht nur sein 2019 entstandenes Triptychon „Pathos“ist für Di Biase ein Eckpfeiler in seiner Entwicklung – „da habe ich mich erstmals getraut, unfertige, fragmentarische Stellen stehen zu lassen und diese nicht zu verschleiern“. Auch die Ausstellungen waren wichtig. Wie zum Beispiel 2020 die Duo-Ausstellung „Nichts“mit seiner Studienkollegin Isabelle Rein im Saarbrücker Automat Art Space.
Genau dort wird an diesem Freitag, 10. Juni, auch Jonas Mayers erste Solo-Ausstellung „Je krümmer das Holz desto besser die Krücke“eröffnet – nach Gruppenausstellungen in Deutschland, Rumänien, Frankreich und England. Kryptisch mag er erscheinen, dieser Titel. Und doch greift er Mayers derzeitiges Wirken, das Spielerische, das Transformative, das Experimentelle im Kern.
Es war gerade jener geistige Eskapismus der Lockdown-Zeit, der Jonas Mayer hin zu einem Thema führte, an dem er sich bis heute abarbeitet. Spielzeug lautet dieses Thema. Und damit einhergehend: Nostalgie. Kindheit. Ausgelöst durch den Kellerfund alter Spielzeugkisten im Elternhaus.
„Ich erinnere mich gerne an meine Kindheit zurück“, sagt Mayer, „gleichzeitig merke ich, dass die kindliche Phantasie, das Spielerische, je älter man wird, verloren geht“. So dürfen seine bunten, von bekannten Figuren bevölkerten und doch bisweilen surrealistischen Arbeiten als eine Rückerschließung „kindlicher Traumwelten“, wie Mayer sagt, verstanden werden.
Auch er bleibt den großen Formaten treu. Es sei für ihn „authentischer“,„gewohnter“und dadurch „natürlicher“. Seine Arbeiten waren schon immer figurativer Natur und stets geprägt durch grafische Einflüsse und Abstraktion. Später folgte dann die Einschreibung für Kommunikationsdesign an der HBK. Das schien nur folgerichtig, schließlich hatte er da bereits eine abgeschlossene Ausbildung als Mediengestalter in der Tasche. „Ich habe dann aber schnell gemerkt, dass sich mein Interesse verlagert hat, und habe zur freien Kunst gewechselt“, erklärt Mayer.
Jüngst hat Mayer das Skulpturale für sich entdeckt. „Als ich über die Malerei tiefer in das Thema Spielzeug eingestiegen bin, kam mir die Idee, dass ich mir mein eigenes Spielzeug bauen könnte“, erklärt er. Rund ein Dutzend Skulpturen sind so entstanden. Funktional sind sie nicht, eher Übersetzungen seiner Leinwand-Charaktere. Vor allem der Prozess, die Entstehung habe dabei im Vordergrund gestanden, erklärt Mayer, „da ging es ja wirklich ums Spielen, ich habe Fundstücke verschraubt, bearbeitet“.
Im Automat Art Space wird Jonas Mayer diese Skulpturen erstmals der Öffentlichkeit präsentieren. Eingebunden in eine einzige große RaumInstallation, die die Atmosphäre eines Spielplatzes nachbilden soll. Die einladen soll, sich selbst im Spielerischen zu verlieren.
„Unsere Begegnung war der perfekte Zufall.“Jonas Mayer und Dennis Di Biase
„Je krümmer das Holz desto besser die Krücke“ist vom 11. Juni bis 3. Juli im Automat Art Space in Saarbrücken-St. Johann, Martin-Luther-Straße 7-9, zu sehen.