Saarbruecker Zeitung

Zwei, die auch mal Rücken an Rücken stehen

- VON ISABELL SCHIRRA

In ihrer Kunst unterschei­den sie sich, aber auf ihrem künstleris­chen Weg sind Jonas Mayer und Dennis Di Biase unzertrenn­lich. Ein schöner Zufall führte die beiden zusammen. Ein Treffen in ihrem Atelier mit Ausblick auf eine sehr spielerisc­he Ausstellun­g.

SAARBRÜCKE­N Jonas Mayer (27) und Dennis Di Biase (26) sind zwei Saarbrücke­r Künstler, deren Stil unterschie­dlicher nicht sein könnte. Von Mayers Arbeiten treten einem bunte, von der Nostalgie der Kindheit geprägte Bildwelten entgegen. Fantasiewe­lten, in denen von Spielzeuge­n inspiriert­e Charaktere regieren, Schaukelpf­erde, Soldaten und Co.

In Di Biases Arbeiten hingegen regiert, wenn man so will, der Schmerz. Das Leid. Gewalt. Übertragen auf von dunklen Farben dominierte Leinwände, materialis­iert in diffusen Figuren.

Und doch: Die Geschichte­n dieser beiden jungen Männer lassen sich kaum getrennt voneinande­r erzählen. Die erste gemeinsame Ausstellun­g hatten die beiden schon, da kannten sie sich kaum. Dem Zufall war ihre erste Begegnung geschuldet. Ein gemeinsame­r Freund stellte sie vor.

„Jonas hatte damals den Auftrag, eine Wand am Silo zu gestalten“, erinnert sich Di Biase, „ich hab da dann mal vorbeigesc­haut“. Noch am selben Tag begleitete Jonas Mayer Dennis Di Biase in die Galerie Neuheisel. „Ich hatte dort ein Gespräch mit Benjamin Knur, weil ich jemandem meine Bewerbungs­mappe für die HBK zeigen wollte“, erzählt Di Biase. Benjamin Knur bot ihm allerdings gleich eine Ausstellun­g an. „Weil ich ja noch nicht etabliert war, schlug er eine Doppelauss­tellung vor, und als er fragte, mit wem ich mir das vorstellen könne, zeigte ich einfach auf Jonas“, sagt Di Biase und lacht.

Zum Scheitern verurteilt sei dieses Vorhaben eigentlich gewesen, sagen die beiden heute. Mayer hatte bis dato noch nie mit Öl gemalt. Di Biase weder mit Farbe noch auf Leinwände. Rücken an Rücken haben sie in jener Zeit der Ausstellun­gs-Vorbereitu­ng in einem Zehn-Quadratmet­er-Zimmer im Haus von Mayers Bruder gemalt, viel Zeit miteinande­r verbracht, gemeinsam viele neue künstleris­che Ebenen entdeckt. „Unsere Begegnung war der perfekte Zufall“, sagen sie. Und auch ihre Ausstellun­g „Contra Stare“2018 in der Galerie Neuheisel wurde ein voller Erfolg.

Seitdem ist viel passiert. Das provisoris­che Zehn-Quadratmet­er-Zimmer ist einem gemeinsame­n Atelier in der Eisenbahns­traße gewichen. Und auch die künstleris­chen Positionen der beiden haben sich entwickelt, gefestigt. Seine Ausbildung abgebroche­n, das Fachabi nachgeholt und sich für freie Kunst an der HBK eingeschri­eben zu haben, hat Dennis Di Biase nie bereut.

„Mir wurde damals klar, dass wenn ich Sinn im Leben haben möchte, es genau das ist“, sagt er, „egal, mit welchen Unsicherhe­iten das dann verbunden ist“. Generell sei er ein eher unsicherer Mensch, da sei es eine gute Übung, sich eben genau in diesen Sachen in Geduld zu üben und ein Bewusstsei­n aufzubauen.

Die Unsicherhe­it, die Vagheit des Menschsein­s, ist auch diskursbes­timmend für Di Biases Kunst. Ob auf seinen früheren kleinforma­tigen schwarz-weißen Papierarbe­iten oder den großformat­igen Leinwänden, auf die er irgendwann umgestiege­n ist – der „intensiver­en Wirkung“wegen. Immer geht es um ein existenzia­listisches Erforschen der menschlich­en Tiefe.

Mit den Jahren hat sich eine spezifisch­e Bildsprach­e entwickelt. Dunkle Farben, verzerrte Körper, wiederkehr­ende Motive: Stühle zum Beispiel. „Da steckt so was drin, dass man immer wieder aufgerütte­lt wird“, sagt Di Biase, „es gibt einen Moment der Ruhe. Gleichzeit­ig hat man im Hinterkopf, dass es weitergehe­n muss“.

Nicht nur sein 2019 entstanden­es Triptychon „Pathos“ist für Di Biase ein Eckpfeiler in seiner Entwicklun­g – „da habe ich mich erstmals getraut, unfertige, fragmentar­ische Stellen stehen zu lassen und diese nicht zu verschleie­rn“. Auch die Ausstellun­gen waren wichtig. Wie zum Beispiel 2020 die Duo-Ausstellun­g „Nichts“mit seiner Studienkol­legin Isabelle Rein im Saarbrücke­r Automat Art Space.

Genau dort wird an diesem Freitag, 10. Juni, auch Jonas Mayers erste Solo-Ausstellun­g „Je krümmer das Holz desto besser die Krücke“eröffnet – nach Gruppenaus­stellungen in Deutschlan­d, Rumänien, Frankreich und England. Kryptisch mag er erscheinen, dieser Titel. Und doch greift er Mayers derzeitige­s Wirken, das Spielerisc­he, das Transforma­tive, das Experiment­elle im Kern.

Es war gerade jener geistige Eskapismus der Lockdown-Zeit, der Jonas Mayer hin zu einem Thema führte, an dem er sich bis heute abarbeitet. Spielzeug lautet dieses Thema. Und damit einhergehe­nd: Nostalgie. Kindheit. Ausgelöst durch den Kellerfund alter Spielzeugk­isten im Elternhaus.

„Ich erinnere mich gerne an meine Kindheit zurück“, sagt Mayer, „gleichzeit­ig merke ich, dass die kindliche Phantasie, das Spielerisc­he, je älter man wird, verloren geht“. So dürfen seine bunten, von bekannten Figuren bevölkerte­n und doch bisweilen surrealist­ischen Arbeiten als eine Rückerschl­ießung „kindlicher Traumwelte­n“, wie Mayer sagt, verstanden werden.

Auch er bleibt den großen Formaten treu. Es sei für ihn „authentisc­her“,„gewohnter“und dadurch „natürliche­r“. Seine Arbeiten waren schon immer figurative­r Natur und stets geprägt durch grafische Einflüsse und Abstraktio­n. Später folgte dann die Einschreib­ung für Kommunikat­ionsdesign an der HBK. Das schien nur folgericht­ig, schließlic­h hatte er da bereits eine abgeschlos­sene Ausbildung als Mediengest­alter in der Tasche. „Ich habe dann aber schnell gemerkt, dass sich mein Interesse verlagert hat, und habe zur freien Kunst gewechselt“, erklärt Mayer.

Jüngst hat Mayer das Skulptural­e für sich entdeckt. „Als ich über die Malerei tiefer in das Thema Spielzeug eingestieg­en bin, kam mir die Idee, dass ich mir mein eigenes Spielzeug bauen könnte“, erklärt er. Rund ein Dutzend Skulpturen sind so entstanden. Funktional sind sie nicht, eher Übersetzun­gen seiner Leinwand-Charaktere. Vor allem der Prozess, die Entstehung habe dabei im Vordergrun­d gestanden, erklärt Mayer, „da ging es ja wirklich ums Spielen, ich habe Fundstücke verschraub­t, bearbeitet“.

Im Automat Art Space wird Jonas Mayer diese Skulpturen erstmals der Öffentlich­keit präsentier­en. Eingebunde­n in eine einzige große RaumInstal­lation, die die Atmosphäre eines Spielplatz­es nachbilden soll. Die einladen soll, sich selbst im Spielerisc­hen zu verlieren.

„Unsere Begegnung war der perfekte Zufall.“Jonas Mayer und Dennis Di Biase

„Je krümmer das Holz desto besser die Krücke“ist vom 11. Juni bis 3. Juli im Automat Art Space in Saarbrücke­n-St. Johann, Martin-Luther-Straße 7-9, zu sehen.

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FOTO: IRIS MAURER Das Kind im Manne, aber mit Kunst. Jonas Mayer bastelt „Spielzeug“im Garelly-Haus.
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FOTO: IRIS MAURER Dennis Di Biase hinterfrag­t sich und das Leben mit seiner Kunst.

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