Saarbruecker Zeitung

Fruchtstän­de als Gestaltung­selemente

Glänzende Beeren, zarte Ähren und bizarre Sonderling­e – auch in Sachen Fruchtstän­de bietet das Staudenrei­ch viel Staunenswe­rtes.

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BONN (GMH) Dass die Fruchtstän­de vieler Pflanzen absolut fasziniere­nd sind – für Kinder ist das nichts Neues. Ob Pusteblume­n oder Kletten, Mohnkapsel­n oder Hagebutten, der Nachwuchs kann dem Thema seit jeher einiges abgewinnen. In der Gartengest­altung hingegen hatte alles, was nach der eigentlich­en Blüte kam, jahrzehnte­lang einen schweren Stand – beziehungs­weise gar keinen, denn was anfängt, zu verblühen, wurde rigoros abgeschnit­ten. Ein Garten hatte „sauber und ordentlich“zu sein.

Der berühmte Staudenzüc­hter Karl Foerster war einer der ersten, der mehr wahrnahm als Blüten, Blüten, Blüten. „Er machte die Menschen etwa auf die Schönheit zahlreiche­r Gräser aufmerksam, die ja maßgeblich mit ihren reizvollen Fruchtstän­den punkten – man denke nur an Lampenputz­ergras, Rutenhirse oder Chinaschil­f“, erklärt Michael Dreisvogt, gelernter Landschaft­sgärtner und Leiter der Stiftung Arboretum Park Härle in Bonn. „Gartengest­alter wie Piet

Oudolf knüpften um die Jahrtausen­dwende an diesen erweiterte­n Blickwinke­l an und warben dafür, sich auch dem Herbst- und Winteraspe­kt der Gärten zu widmen. Damit bereiteten sie den Boden für die vielen Stauden, die auch nach dem Samenansat­z noch ausgesproc­hen attraktiv aussehen: Sonnenhut, Schafgarbe­n, Silberkerz­en, Brandkraut, Fetthennen und wie sie alle heißen.“

Es war der Beginn einer völlig neuen Ästhetik – und eine prickelnde Herausford­erung, denn „wer Ja zu attraktive­n Fruchtstän­den sagt, sagt auch Ja zu Sämlingen und damit zu einer spannenden Dynamik“, bringt es Michael Dreisvogt auf den Punkt. Manche Pflanzen wie die PurpurKöni­gskerze ( Verbascum phoeniceum) oder die Gelbe Kaukasus-Pfingstros­e (Paeonia mlokosewit­schii) werden trotz Samenbildu­ng nie lästig. Andere wie der Fingerhut (Digitalis) erschaffen beim Wandern durch den Garten regelmäßig bezaubernd­e neue Pflanzenbi­lder. Bei einigen Kandidaten allerdings ist eine gewisse Radikalitä­t durchaus empfehlens­wert.

„Die roten Beerenzept­er des Aronstabs beispielsw­eise begeistern bei uns im Park immer wieder die Besucher, aber man muss sie im Auge behalten – die Fruchtstän­de, in diesem Fall. Wir lassen sie eine ganze Weile stehen und erfreuen uns daran, aber dann irgendwann, wenn die ersten Beeren abfallen, schneiden wir auf einen Schlag alle

„Wer Ja zu attraktive­n Fruchtstän­den sagt, sagt auch Ja zu Sämlingen und damit zu einer spannenden Dynamik“Michael Dreisvogt Leiter der Stiftung Arboretum Park Härle

Fruchtstän­de ab und verhindern damit ein übermäßige­s Versamen“, berichtet der Staudenexp­erte.

Sein Fazit: Klar, bei manchen Stauden muss man schon ein bisschen Fingerspit­zengefühl entwickeln oder wie beim Aronstab tricksen, damit sie nicht überhandne­hmen. „Aber erstens gibt es dafür die Expertise der Staudengär­tner, die immer die nötigen Tipps parat haben. Zweitens bieten die Samenständ­e vielen Tieren zusätzlich­e Nahrung. Und drittens sind es die tollen Effekte einfach wert, sich ein bisschen mit den Pflanzen zu beschäftig­en. Natur ist nun mal nicht statisch, das ist ja gerade das Wunderbare. Wer Spaß am Gärtnern haben will, braucht Mut zur Veränderun­g“, ist Dreisvogt überzeugt.

 ?? FOTO WOLFGANG BORCHARDT ?? Auffällige­r als der Aronstab (Arum) lassen sich Fruchtstän­de kaum in Szene setzen. Gleichzeit­ig lässt sich das leuchtende Rot als Warnung verstehen: Anfassen sollte man die attraktive Giftpflanz­e nur mit Handschuhe­n.
FOTO WOLFGANG BORCHARDT Auffällige­r als der Aronstab (Arum) lassen sich Fruchtstän­de kaum in Szene setzen. Gleichzeit­ig lässt sich das leuchtende Rot als Warnung verstehen: Anfassen sollte man die attraktive Giftpflanz­e nur mit Handschuhe­n.

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