Gartenzwerge – zwischen Kitsch und Kult
Früher Ausdruck von Reichtum, heute vielen ein Inbegriff von Geschmacklosigkeit: Am Gartenzwerg scheiden sich die Geister.
BERLIN (dpa) Noch vor Kartoffeln, Autobahnraserei und Socken in Sandalen sind sie vielleicht das größte Klischee, das mit den Deutschen in Verbindung gebracht wird: Gartenzwerge stehen bei Wind und Wetter ihren Zipfelmann – mal kleinbürgerlich-fleißig mit Schubkarre, mal frivol-peinlich mit blankem Hinterteil.
Die kleinen Männer (und seltener auch Frauen) aus Gips, Ton, Keramik oder schnödem Plastik genießen bei den einen Kultcharakter. Für andere sind die Zwerge der Inbegriff von Spießbürgertum. Man belächelt und verspottet sie – und damit auch ihre Besitzer.
Dabei reicht ihre Tradition weit zurück. In fürstlichen Gärten aufgestellte Gestalten gibt es seit dem Barock. Im Salzburger Zwergelgarten zum Beispiel sind die Figuren aus weißem Marmor mehr als 320 Jahre alt. Sie gehen auf Kupferstich-Karikaturen des französischen Grafikers und Florenzer Hofmalers Jacques Callot vom Anfang des 17. Jahrhunderts zurück.
Ende des 18. Jahrhunderts sind die Gnome weit verbreitet, der Weimarer Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe schreibt im bürgerlichen Epos „Hermann und Dorothea“über einen „in der ganzen Gegend“berühmten Garten mit seinen „farbigen Zwergen“. Spätestens mit den Brüdern Grimm und ihren Märchen (1812) etwa von „Schneewittchen“oder „Rumpelstilzchen“setzten die Knirpse zum Siegeszug an.
„In der Zeit von 1870 bis 1920 hatten die Zwerge ihre größte Blütezeit“, schreibt die Regensburger Kulturwissenschaftlerin Esther Gajek in einem Aufsatz. Ausgelöst worden sei die Manie von der Märchenwelle der Neuromantik. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts werden in und um Gräfenroda in Thüringen die ersten Zwerge für den Garten in Serie hergestellt – und bis nach Großbritannien angeboten.
Lange gelten Gartenzwerge als anerkannte Accessoires gehobener
Lange galten Gartenzwerge als anerkannte Accessoires gehobener Gesellschaftsschichten.
Gesellschaftsschichten. Literaturpreisträger Thomas Mann lässt zum Beispiel seinen Roman-Protagonisten Felix Krull über den „anmutigen Herrensitz“seiner Familie berichten: „Der abfallende Garten war freigebig mit Zwergen, Pilzen und allerlei täuschend nachgeahmtem Getier aus Steingut geschmückt.“
Heute prägen besonders Kunststoffwichtel, die etwa ab den 1960ern aufkommen, das eher verkitschte Bild. Die Kulturhüter von der „Internationalen Vereinigung zum Schutz der Gartenzwerge“im schweizerischen Basel lassen allerdings nur Gefährten aus natürlichen Materialien wie Lehm, Ton oder Holz als echt durchgehen.
Die kleinen Herren sind auch jenseits deutschsprachiger Gegenden begehrt: Im Frühjahr 2021 gab es in Großbritannien gar nicht mehr genug Nachschub. Während des Corona-Lockdows wurde das Gärtnern dort so populär, dass die Zwerge Mangelware wurden.