Saarbruecker Zeitung

Ein Bruch nach viel Streit – nun folgt der Neuanfang

In Berlin gibt es einen neuen Strang der Schriftste­llerverein­igung Pen. An der Spitze haben sich Autorin Menasse und Journalist Yücel viel vorgenomme­n.

- VON GERD ROTH

BERLIN (dpa) Nach heftigem Streit und anhaltende­n Querelen bei der Schriftste­llerverein­igung Pen gibt es nun zusätzlich einen neuen Verband Pen Berlin. Während der Versammlun­g am Freitag in Berlin sowie einer Online-Schalte wählten rund 150 Mitglieder den Journalist­en Deniz Yücel und die Schriftste­llerin Eva Menasse („Dunkelblum“) an die Spitze des Verbandes.

Yücel war zuvor einige Monate lang Präsident des Pen-Zentrums Deutschlan­d. Dort war er nach heftigen Querelen zwar im Mai bestätigt worden, hatte das Amt aber anschließe­nd niedergele­gt.

Bei der Wahl erhielt Menasse 143 von 143 Stimmen, Yücel erhielt 136 Stimmen bei acht Gegenstimm­en. Neun Mitglieder wurden für das Board des neuen Vereins bestimmt.

Der in Großbritan­nien inhaftiert­e Wikileaksg­ründer Julian Assange wurde umgehend Ehrenmitgl­ied.

Dies sei ihm angetragen worden, er habe es am Vormittag angenommen, hieß es. Das wurde von der Versammlun­g in Berlin mit anhaltende­m Beifall quittiert.

Die Schriftste­llerin Simone Buchholz („River Clyde“), ebenfalls in das Board gewählt, verließ die Versammlun­g vorzeitig „für die erste Amtshandlu­ng des Pen Berlin“. Gemeinsam mit Board-Mitglied Alexandru Bulucz („was Petersilie über die Seele weiß“) holte sie den von der russischen Justiz zur Fahndung ausgeschri­ebenen Schriftste­ller Dmitry Glukhovsky („Der Posten“, „Text“) am Flughafen in Berlin ab.

Der neue Verband will laut Yücel auch mit Pen Internatio­nal zusammenar­beiten. Die dafür notwendige Unterstütz­ung gebe es bereits von den Verbänden in Uganda und der Ukraine.

„Das ist jetzt kein Club von Gleichgesi­nnten und das will er auch nicht sein, sondern das ist ein Club von Autorinnen und Autoren in dieser ganzen Bandbreite“, sagte Yücel der dpa. „Wir können als Autorinnen und Autoren, Schriftste­ller, Publiziste­n uns kompetent zu bestimmten Debatten äußern.“Als Beispiel nannte Yücel das Thema

Meinungsfr­eiheit und ihre Grenzen. „Jede Diskussion über Meinungsfr­eiheit ist auch immer eine Frage von Demokratie.“Gemeinsam bleibe die Charta des Pen, „die Idee der praktische­n Solidaritä­t mit verfolgten Autorinnen und Autoren“.

Auch Menasse erkennt Besonderhe­iten in der neuen Vereinigun­g. „Diese große Bandbreite der Stimmen und der Vielfältig­keit, die Mischung von Frauen und Männern, von migrantisc­her Literatur wie anderer Literatur, allein das alles, was da zusammenko­mmt aus unserer Liste, kann und wird viel bewirken, zusätzlich zu den vielen prominente­n Namen, die wir auch haben“, sagte Menasse der dpa. Die Schriftste­llerin sieht den neuen Verband in Berlin nicht in Konkurrenz zur bestehende­n Organisati­on. „Was wir dem Pen Darmstadt voraushabe­n, ist der Schwung, die Energie, auch der gute Wille und die Hoffnung von so vielen, die dort wirklich dramatisch verloren gegangen ist.“

Zu den Unterstütz­ern des Pen Berlin zählen unter anderem Daniel Kehlmann („Tyll“), Christian Kracht („Eurotrash“), Karen Köhler („Miroloi“), Lucy Fricke („Die Diplomatin“), Ursula Krechel („Landgerich­t“), ebenso Thea Dorn, die das „Literarisc­he Quartett“im ZDF moderiert, Mithu M. Sanyal („Identitti“), Christian Berkel („Ada“) oder Feridun Zaimoglu („Hinterland“).

Weltweit gibt es mehr als 140 Schriftste­llerverein­igungen, die im internatio­nalen Pen vereint sind. Die drei Buchstaben stehen für die Wörter Poets, Essayists und Novelists.

Unter Yücel hatte es im Pen-Zentrum Deutschlan­d heftigen Streit gegeben. Dabei ging es etwa um den Führungsst­il. Debattiert wurde auch über Aussagen Yücels, der sich während des Festivals Lit.Cologne für eine Flugverbot­szone in der Ukraine ausgesproc­hen hatte.

Das deutsche Pen-Zentrum in Darmstadt sieht die angekündig­te Neugründun­g als Ergänzung seiner Arbeit. „Wir sehen das als Bereicheru­ng der Arbeit des Pen in dem Bemühen, uns neu aufzustell­en“, hatte Generalsek­retärin Claudia Guderian gesagt.

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FOTO: CHRISTOPH SOEDER/DPA Journalist Deniz Yücel und Schriftste­llerin Eva Menasse führen nun den neugegründ­eten Ableger der Pen-Schriftste­llerverein­igung.

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