Verschwundenes zum Anfassen
Am Alten Brühl, wo Völklingen seinen Anfang nahm und die Martinskirche stand, ist eine hübsche Grünanlage mit greifbaren ErinnerungsElementen entstanden.
VÖLKLINGEN Das Mittelalter war keineswegs ein so dunkles Zeitalter, wie gerne behauptet wird. So gab es viele Feiertage, an denen tatsächlich gerne gefeiert wurde. Sicher auch am „Alten Brühl“, wo im Mittelalter die Wiege Völklingens lag – allerdings gab es dabei sicher nie so viele Infos zur Martinskirche, wie am Freitag und noch mal diesen Samstag, 11. Juni, als dort, umrahmt von mittelalterlichem Tanz und Gaukelei, gefeiert wurde und wird. Zumal die Martinskirche, am 12. Februar 1922 durch ein Feuer beschädigt und 1937 abgerissen, seit 85 Jahren verschwunden ist und das Areal über Jahrzehnte nichts weiter als ein verbuschtes, verwildertes und vermülltes Gelände hinter einem Bahndamm gewesen war. Doch die AG Lebenswertes Völklingen hat 2019 damit begonnen, das „MartinsAreal“wieder herzurichten. So lässt sich dort nun fast so etwas wie ein kleiner Park bestaunen, mit Sitzgelegenheiten, vielen Wildblumen, unterschiedlichen, meist noch jungen Bäumen und nicht zuletzt mit Hinweisen zur geschichtlichen Bedeutung des Ortes.
So zeigen niedrige Bruchsandsteinmauern die Umrisse der Martinskirche in ihrer „barocken“Ausdehnung. Wobei auch die Bruchsteine selbst ein Stück Völklinger Geschichte widerspiegeln, denn es sind Steine des „Weißen Hauses“ in der Karl-Janssen-Straße (damals Juwelier Scheffel), die nach seinem Abriss nicht auf einer Deponie verschwanden, sondern am Alten Brühl wiederverwertet wurden, wie Ludwig Heil berichtet. Er ist nicht nur Vorsitzender des Völklinger Mittelaltervereins „Die Tafelrunde“, sondern auch profunder Kenner der Martinskirchen-Geschichte von den Anfängen bis zu ihren letzten Tagen und bei der AG Lebenswertes Völklingen mit im Boot. Er hatte auch die Idee, die Vorträge zur Kirche und zum Alten Brühl mit einer guten
Portion Mittelalter-Flair zu würzen und als Hingucker die bunten Zelte aufzustellen, „denn schließlich war das hier ja auch mal ein Lebensort“– an diesem Samstag beginnen die Veranstaltungen um 11 Uhr, Vortrag mit Führung ist von 14 bis 15.30 Uhr.
Alexander Benzmüller von der AG Lebenswertes Völklingen, ein„zugewanderter“Saarbrücker, war es, der sich, in Gedanken an die Martinskirche, vor einigen Jahren dachte,„das ist ein Platz, da kann man was mit machen“– und das durch Bürgerengagement deutlich preiswerter als durch zwischenzeitlich mal angedachte Pläne der Stadt.
Wo die Kirchenmauern in den verschiedenen Epochen standen, in denen es immer wieder Anbauten, Umbauten, Erweiterungen und Abrisse gegeben hatte – die größte Ausdehnung hatte die Kirche, als 1883 das Querschiff hinzukam –, ist auch deshalb bekannt, weil es ab Ende 2000 Ausgrabungen gegeben hatte: Die Firma Lidl wollte auf dem von der Stadt erworbenen Gelände einen Discount-Markt errichten, sodass das Landeskonservatoramt „Notgrabungen“veranlasste, die alte Mauern und auch Skelette vom ehemaligen Friedhof zutage brachten. Nach etlichen Protesten gegen die Bebauung nahm Lidl wieder Abstand davon; die Stadt kaufte das Gelände zurück und musste dem
Unternehmen zudem rund 350 000 Euro Planungskosten erstatten.
2007 wurde das Gelände wieder verfüllt, um die historischen Grundmauern zu schützen. Die AG Lebenswertes Völklingen hat zusätzlich einen Schutz gegen durchdringende Wurzeln und darüber 50 Zentimeter hoch Erdreich aufgetragen. Beim Bepflanzen gab es dann einen willkommenen Helfer: Die Natur selbst hat zum Teil für Wildblumen-Bewuchs gesorgt, der in das Gelände integriert wurde. Geplant ist ein weiterer Ausbau, eine neue
Wildblumen-Wiese ist bereits angelegt. Und wenn es nach der AG geht, soll hier auch ein Ort für Freilichtveranstaltungen entstehen, etwa von Gottesdiensten über Flohmärkte bis zu Tanz- oder Kino-Abenden. Was man dazu aber, neben weiterer Unterstützung durch die Stadt, noch sehr gut brauchen könnte, das sind weitere tatkräftige Mitstreiter.
Wer bei der Arbeitsgemeinschaft Lebenswertes Völklingen mitmachen möchte: Infos gibt es per E-Mail an agsvoelklingen@gmail.com.