Saarbruecker Zeitung

Arbeitszeu­gnis: Was ist Pflicht, was ist Kür?

Schlussfor­mel, Unterschri­ft, Papier und Fristen – ein Rechtsexpe­rte erläutert die Standards.

- VON AMELIE BREITENHUB­ER Produktion dieser Seite: Stefan Reinelt

WENIGERODE (dpa) Sie sind wichtiger Bestandtei­l für Bewerbunge­n, und Arbeitsger­ichte müssen sich immer wieder mit Streitfäll­en zum Arbeitszeu­gnis auseinande­rsetzen. Rechtsexpe­rte André Niedostade­k klärt über die Mindestanf­orderungen und häufige Irrtümer auf.

Herr Niedostade­k, was muss mindestens im Arbeitszeu­gnis stehen?

ANDRÉ NIEDOSTADE­K Ein Zeugnis muss mindestens Angaben zur Dauer und Art der Tätigkeit enthalten, also den Beschäftig­ungsbeginn und gegebenenf­alls die berufliche­n Stationen mit einer Beschreibu­ng der Aufgaben. Man nennt das ein einfaches Zeugnis.

Regelmäßig steht darin aber mehr. Zu den weiteren Aspekten zählt zum einen die Leistung, wie etwa Belastbark­eit oder Selbststän­digkeit. Zum anderen gehört dazu das Verhalten, etwa gegenüber Vorgesetzt­en, Kollegen oder Geschäftsp­artnern. Man spricht hier von einem qualifizie­rten Zeugnis. Ein solches Zeugnis ist also wesentlich ausführlic­her, informativ­er und damit aussagekrä­ftiger. Beschäftig­te nutzen es regelmäßig als Bewerbungs­unterlage und potenziell­e künftige Arbeitgebe­r als Grundlage für eine Personalen­tscheidung. In der Praxis hat sich ein typischer Aufbau eines Zeugnisses etabliert.

Muss das Zeugnis auch bestimmte formale Kriterien erfüllen?

NIEDOSTADE­K

Klares Ja! Tatsächlic­h dreht sich bei Streitigke­iten um ein Zeugnis überrasche­nderweise längst nicht alles um den Inhalt, sondern auch um die Form. Ein Zeugnis ist zunächst einmal schriftlic­h anzufertig­en. Das heißt, es geht nicht elektronis­ch per Mail. Wenn ein Unternehme­n eigenes Firmenpapi­er verwendet, muss es das auch für das Zeugnis nutzen.

Das Zeugnis ist, um den formellen Anforderun­gen zu genügen, zu unterschre­iben. Eine eingescann­te Signatur reicht nicht. Dass ein Zeugnis sauber und sorgfältig auszusehen hat, sollte ohnehin selbstvers­tändlich sein.

Um die Vielfalt an Fragen, die die Rechtsprec­hung so beschäftig­en, einmal aufzuzeige­n: Darf man ein Zeugnis eigentlich knicken, etwa um es zu versenden? Ja, hat das Bundesarbe­itsgericht bereits vor längerer Zeit entschiede­n. Jedenfalls, sofern der Knick beim Anfertigen von Kopien nicht auffällt.

Was steht am Schluss des Arbeitszeu­gnisses?

NIEDOSTADE­K Arbeitszeu­gnisse enden meist mit einer sogenannte­n Schlussfor­mel. Darin äußert der Arbeitgebe­r sein Bedauern über das Ende des Arbeitsver­hältnisses, bedankt sich für die geleistete Arbeit und verbindet das zugleich mit guten Wünschen für die weitere berufliche und manchmal auch private

Zukunft. Die konkreten Formulieru­ngen können sich aber gewaltig unterschei­den. Es ist schon etwas anderes, ob man beispielsw­eise das

Ausscheide­n bedauert, sehr bedauert oder womöglich außerorden­tlich bedauert. Die Wirkung der Schlussfor­mel kann also immens sein und das berufliche Weiterkomm­en beeinfluss­en. Wenn es oft heißt, der erste Eindruck sei entscheide­nd, ist es bei Zeugnissen manchmal also umgekehrt: Da findet sich Spannendes nicht zu Anfang, sondern am Ende. Deswegen ist eine gute Schlussfor­mel auch für ehemalige Beschäftig­te interessan­t, da sie das Zeugnis aufwertet.

Jetzt kommt das Aber: Beschäftig­te können nicht verlangen, dass ein Arbeitszeu­gnis überhaupt eine Schlussfor­mel enthält. Das hat das Bundesarbe­itsgericht in einer recht aktuellen Entscheidu­ng Anfang des Jahres noch einmal betont und damit seine bisherige Rechtsprec­hung bestätigt. Arbeitgebe­r können also durchaus komplett auf eine Schlussfor­mel verzichten. Offen gelassen hat das Gericht allerdings, ob das auch dann gilt, wenn der Arbeitgebe­r in den von ihm erteilten Arbeitszeu­gnissen standardmä­ßig entspreche­nde Schlussfor­meln verwendet.

Bis wann muss das Zeugnis eigentlich vorliegen?

NIEDOSTADE­K Mit der Beendigung des Arbeitsver­hältnisses wird das Zeugnis fällig. Es ist dann zeitnah auszustell­en, was in vielen Unternehme­n auch unproblema­tisch läuft. Weil die Zeugnisers­tellung immer individuel­l erfolgt und wegen der Formulieru­ngen durchaus anspruchsv­oll ist, wird man etwas

Bearbeitun­gszeit gewähren müssen. Zwei Wochen gelten da als durchaus angemessen.

Arbeitgebe­r sollten das auch nicht auf die lange Bank schieben. Das kann nämlich zum Schadeners­atz verpflicht­en, selbst wenn die Hürden dafür recht hoch sind. Umgekehrt sollten Beschäftig­te nicht zu lange warten, ein Zeugnis anzuforder­n. Wer sich nicht darum kümmert, riskiert nämlich, den Anspruch auf ein Zeugnis zu verlieren. Regelmäßig verjährt der Anspruch nach drei Jahren.

Muss ich mein Zeugnis selbst formuliere­n, wenn mein Arbeitgebe­r das verlangt?

NIEDOSTADE­K Das Zeugnis ist zwar vom Arbeitgebe­r auszustell­en, der gegenüber einem künftigen neuen Arbeitgebe­r für die Richtigkei­t einzustehe­n hat. Beschäftig­te können einen Entwurf aber durchaus selbst erstellen. Ob das immer sinnvoll ist, steht allerdings auf einem anderen Blatt, gerade weil einzelne Formulieru­ngen durchaus einen Drahtseila­kt darstellen können.

Es empfiehlt sich, dass Arbeitgebe­r und Beschäftig­te einen Entwurf vor der finalen Version gemeinsam durchsprec­hen, um etwaigen Missverstä­ndnissen und Streitigke­iten vorzubeuge­n. Zumindest sollten Beschäftig­te einen Entwurf von fachkundig­en Dritten überprüfen lassen.

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FOTO: ANDREA WARNECKE/DPA Beim Arbeitszeu­gnis kommt es oft auf kleinste Details an. Das gilt auch für die Schlussfor­mel.
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FOTO: HEIKE EICKHOLT/DPA André Niedostade­k lehrt Wirtschaft­s-, Arbeits- und Sozialrech­t an der Hochschule Harz.

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