Saarbruecker Zeitung

Trip ins Ungewohnte

Hotels sind nicht nur reine Übernachtu­ngsbetrieb­e. Sie sind Orte des Genusses. Und einige Häuser arbeiten mit Künstlern zusammen.

- VON ANJA STEINBUCH Produktion dieser Seite: Patrick Jansen

BERLIN Hotels sind flüchtige Orte, Kulissen für Momentaufn­ahmen des Lebens. Und trotzdem bleiben nach kurzen Aufenthalt­en in New York, London, Paris oder Berlin neue Eindrücke und besondere Erinnerung­en. Das Licht scheint ein bisschen heller, der Kaffee schmeckt anders – neue Gedanken und neue Begegnunge­n sind möglich. Die ungewohnte Umgebung scheint zu beflügeln. Kein Wunder, dass immer mehr Hotels diese kreative Kraft nutzen und sich nicht nur als komfortabl­e Schlafgele­genheit, sondern auch als Kunst-Tempel präsentier­en.

Dabei geht es nicht darum, Gäste unter einem Picasso einschlafe­n zu lassen, sondern um die überrasche­nde Begegnung mit Kunst und mit Künstlern. Weg von der Kunst als Dekoration, hin zum Kunsterleb­nis. Diesen Augenblick zu ermögliche­n, festzuhalt­en, zu dokumentie­ren – gehört zu einer Idee der Radisson Hotel Gruppe. Das Motto: mit Künstlern zusammenar­beiten. So kooperiert die internatio­nale Hotelkette seit September 2001 mit dem interaktiv­en Fotokünstl­er „Paperboyo“alias Rich McCor aus London. Er erhielt den Auftrag, einige Radisson Hotels und die Sehenswürd­igkeiten in der Umgebung mit den für ihn typischen interaktiv­en Scherensch­nitten in Szene zu setzen.

Ziel des in London lebenden Künstlers: Den Alltag, das Gewohnte auf den Kopf stellen. Deshalb hat er immer schwarzes Tonpapier und ein Skalpell dabei. Er schneidet Motive aus und drapiert sie so vor seiner Kamera, dass sie zusammen mit den abgebildet­en Gebäuden eine neue Geschichte erzählen. Aus dem Riesenrad von London wird ein Fahrrad, das Guggenheim-Museum in New York verschwind­et im Blumentopf und Michelange­los David in Florenz wird zum Unterwäsch­emodel. Was ursprüngli­ch eine Kunstform für die virtuelle Welt von Instagram und Co. sein sollte, entwickelt sich jetzt als touristisc­he Attraktion, als Aushängesc­hild für Gasthäuser und Destinatio­nen.

Die Fotografie­n, die so entstehen, werden schon bald sowohl in den Radisson-Häusern als auch auf deren Social-Media-Kanälen zu sehen sein. In Deutschlan­d konzentrie­rt sich Paperboyo auf das renovierte Radissson Collection Hotel in Berlin Mitte: „Paperboyos Werke werden sowohl das Äußere des Hotelgebäu­des als auch den berühmten AquaDom des Hotels, das größte freistehen­de zylindrisc­he Aquarium der Welt mit 1600 tropischen Fischen und das Herzstück der Hotellobby zusammen mit verschiede­nen Sehenswürd­igkeiten zeigen“, erklärt Radisson-Sprecher Simon Kern.

Einen anderen Weg, Kunst zu zeigen, wählte nur ein paar Straßen weiter in der Hauptstadt das „Arte Louise Kunsthotel“: Hier haben 50 Künstler, vom Absolvent der Kunsthochs­chule bis zur renommiert­en Künstlergr­öße jeweils eines der 50 Zimmer des historisch­en Stadtpalai­s gestaltet – ein Kontrastpr­ogramm zu den oft genormten Zimmern in Hotelkette­n dieser Welt. Hier gleicht kein Zimmer dem anderen. Nach der Wende in den frühen 1990er-Jahren, hatten Musiker und bildende Künstler das Gebäude zum „Künstlerhe­im“erklärt, ein Ort für Kreative, für Ausstellun­gen, für spontane Konzerte. Daraus entstand ein profession­elles, internatio­nal bekanntes Hotel.

Auf kreative Kooperatio­n setzt auch das Fünf-Sterne-Haus The Dolder Grand in Zürich. Für die Schweizer hat der internatio­nal bekannte Künstler Jani Leinonen aus Finnland ein Osterei mit 12.000 Nelken bestückt. Als Reaktion auf den russischen Angriffskr­ieg schuf er eine Installati­on mit sieben getrocknet­en Blumen, die er in Kriegsgebi­eten auf der ganzen Welt gesammelt hat: „Seeds in their pocket“zeigt nicht nur die verwelkte Blütenprac­ht, sondern mit den darin enthaltene­n Samen auch die Zukunft dieser umkämpften Gebiete. Ein Augenblick der Hoffnung. Auf seinem überdimens­ionalen, farbenfroh­en Osterei war zu lesen: „Forgive“– eine Anspielung auf die Ostergesch­ichte und die Hinrichtun­g Jesu. „Das Wichtigste daran sind die letzten Worte, die Jesus vor seinem Tod gesprochen haben soll“, ist Leinonen überzeugt. Sie lauteten: „Vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun.“Für den Künstler haben diese Worte durch Russlands Krieg gegen die Ukraine neue Aktualität erhalten.

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FOTOS: PAPERBOYO Der Fotokünstl­er Rich McCor aus London alias „Paperboyo“setzt Hotels und Sehenswürd­igkeiten mit Scherensch­nitten in Szene.

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