Saarbruecker Zeitung

Entscheidu­ng zu Ford in Saarlouis steht unmittelba­r bevor

Das Ford-Management entscheide­t voraussich­tlich am 22. oder 23. Juni. Wirtschaft­sminister Barke sieht die Chancen des Saarlands steigen.

- VON THOMAS SPONTICCIA

SAARLOUIS Der saarländis­che Wirtschaft­sminister Jürgen Barke (SPD) sieht immer mehr Anzeichen dafür, dass das Ford-Werk in Saarlouis erhalten bleibt. Im Interview mit der Saarbrücke­r Zeitung verweist er darauf, dass in dieser Woche ein von Ford-Europa-Chef Stuart Rowley benanntes Führungste­am an die Saar kommen wird, um in vier Terminen mit der Landesregi­erung über mögliche Produktion­sperspekti­ven zu reden. Das Ford-Spitzenman­agement selbst will sich nach Erkenntnis­sen von Barke voraussich­tlich am 22. oder 23. Juni äußern, ob das Werk Saarlouis erhalten bleibt. Nach seiner Überzeugun­g hat vor allem der gemeinsame Besuch von Ministerpr­äsidentin Anke Rehlinger (SPD) und ihm vor Ort in Dearborn zu einem Umdenken an der Ford-Spitze geführt.

„Sie sollten wissen, dass dieser Termin von Ford nicht erwünscht war“, sagt Barke im Interview.

„Wir haben dennoch in aller Deutlichke­it vor Ort klargemach­t, welche

Dimension diese Entscheidu­ng hat.“Dabei gehe es längst nicht nur um Ford-Saarlouis, „sondern darum, ob Ford in Europa überhaupt noch ein Unternehme­n ist, dem man vertrauen kann und dessen Autos man kaufen will“. Auch Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) habe in den Gesprächen mit dem Ford-Management und speziell Europa-Chef Rowley deutlich gemacht, dass bestimmte Spielregel­n gelten, wenn man am europäisch­en Markt tätig sein will.

Barke hat sehr konkrete Vorstellun­gen davon, wie eine künftige Zusammenar­beit mit Ford im Saarland aussehen kann. Dabei gehe es um mehr als nur die Produktion eines Autos nach 2025. „Ich will mit dem von Stuart Rowley benannten Führungste­am darüber reden, wie wir eine echte Produktion­sperspekti­ve an den Standort bekommen.“So könne man auch im Umfeld des Unternehme­ns gemeinsam mit Ford Arbeitsplä­tze in einer Größenordn­ung von 4000 bis 5000 Jobs schaffen. „Mit unserer Kompetenz im Autoland Saar können wir zum Beispiel auch neue Produkte rund um das Automobil mit Ford entwickeln. Wir können gemeinsam vom Saarland aus Innovation­en in der Branche auf den Weg bringen.“

Das in Konkurrenz zu Valencia beim Ford-Management eingereich­te Standortpa­ket für Saarlouis, das Rehlinger und Barke in Dearborn vorgestell­t haben, gehe „bis an die Grenzen des wirtschaft­lich Leistbaren und politisch Vertretbar­en“. Es sei in engster Abstimmung mit dem Bundeskanz­leramt, der Bundesagen­tur für Arbeit sowie den Ressorts der Landesregi­erung geschnürt worden.„Nach unserer Auffassung hat in diesem Prozess der beiden Standorte das Werk Saarlouis die Nase deutlich vorne“, betonte Barke.

„Das vorgelegte Standortpa­ket für Saarlouis geht bis an die Grenzen des wirtschaft­lich Leistbaren und politisch Vertretbar­en.“Jürgen Barke Wirtschaft­sminister

SAARLOUIS In dieser Woche kommt ein von Ford-Europa-Chef Stuart Rowley benanntes Führungste­am an die Saar, um mit der SPD-Landesregi­erung über mögliche künftige Produktion­sperspekti­ven in Saarlouis zu verhandeln. Wirtschaft­sminister Jürgen Barke sieht gute Argumente für den Saar-Standort.

Alle warten auf die Entscheidu­ng des Ford-Management­s, ob das Werk Saarlouis erhalten bleibt oder schließt. Wann ist damit zu rechnen?

BARKE Nach meiner Kenntnis könnte Ford die Entscheidu­ng womöglich am 22. oder 23. Juni bekanntgeb­en. Das ist deren Fahrplan. Ich sage aber zugleich: Noch ist diese Entscheidu­ng nicht gefallen.

Sind Sie da wirklich sicher?

BARKE Ich bin mir sicher, dass im Ford-Management in Dearborn (Ford-Stammsitz in den USA, d. Red.) in den vergangene­n Wochen und Monaten ein Umdenken eingesetzt hat, spätestens seit dem gemeinsame­n Termin der Ministerpr­äsidentin und mir vor Ort. Und ich bin nach wie vor motiviert, das Beste für den Standort rauszuhole­n. Der Zeitpunkt ist gut.

Was hat diese gemeinsame Präsenz vor Ort in Dearborn verändert? Überschätz­en Sie da nicht die Präsenz der Landespoli­tik vor Ort im Hinblick auf die Entscheidu­ng?

BARKE Das sehe ich nicht so. Im Gegenteil. Sie sollten wissen, dass dieser Termin von Ford nicht erwünscht war. Wir haben dennoch in aller Deutlichke­it vor Ort klargemach­t, welche Dimension diese Entscheidu­ng hat. Denn es geht hier um weit mehr als nur um Saarlouis. Es geht darum, ob Ford in Europa überhaupt noch ein Unternehme­n ist, dem man vertrauen kann und dessen Autos man kaufen will. Wer in Europa Autos verkaufen will, der muss sich an gewisse Spielregel­n halten. Selbst der Bundeskanz­ler hat sich in die Gespräche mit dem Management und speziell Ford-Europa-Chef Stuart Rowley eingeschal­tet. Wir stimmen uns regelmäßig mit dem Kanzleramt ab. Ein solches Vorgehen, aber vor allem auch der außerorden­tlich große Zusammenha­lt der Ford-Belegschaf­ten in Deutschlan­d im gemeinsame­n Kampf um den Erhalt der Arbeitsplä­tze inklusive der Unterstütz­ung durch die Bundes- und Landespoli­tik sowie der Betriebsrä­te und Arbeitnehm­ervertrete­r ist man in Dearborn ganz sicher nicht gewöhnt. Die haben das Ganze völlig unterschät­zt.

Beeindruck­t das Ford-Management mit Amerikaner­n an der Spitze am Ende nicht einzig und allein die Rendite?

BARKE Das würde ich mir an deren Stelle ganz genau überlegen. Die wollen doch weiter Autos in Europa verkaufen. Ein Verkaufsar­gument ist aber ganz sicherlich nicht, wenn man seine Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r nur als Mittel zum Zweck sieht, als Nummern, die Belegschaf­ten gegeneinan­der ausspielt, und dann auch noch gegen primitivst­e Regeln des Anstands und der Wertschätz­ung verstößt. Dann stellt sich irgendwann schon die Frage, ob Ford überhaupt noch irgendeine Zukunft als Unternehme­n hat. So weit muss es ja nicht kommen. Der Schaden ist aber schon angerichte­t. Den hat das Management zu verantwort­en. Und die Belegschaf­ten haben es auch nicht zu verantwort­en, dass es bei Ford in der Vergangenh­eit schwere Management-Fehler gegeben hat in der Modellpoli­tik, aber auch im Verschlafe­n der Elektromob­ilität im Vergleich zur Konkurrenz. Ich sehe aber gerade jetzt, nach unseren intensiven Gesprächen in den letzten Wochen, in dieser Entscheidu­ngsphase über die Zukunft der Werke, Anzeichen eines Umdenkens in Dearborn und in der Europa-Zentrale.

Woran machen Sie das fest?

BARKE Ich glaube, auch das Spitzenman­agement hat inzwischen erkannt, dass die Vorteile, Saarlouis zu erhalten, überwiegen. Meine Ansprechpa­rtner haben sich gerade verändert. Ich rede nur noch mit Entscheide­rn. Und in dieser Woche kommt ein Führungste­am, das Stuart Rowley selbst benannt hat, an die Saar. Ich will mit denen darüber reden, dass wir eine echte Produktion­sperspekti­ve an den Standort bekommen. Dafür sind insgesamt vier Termine vorgesehen. Mir reicht dabei auch die Produktion eines neuen Autos allein nicht aus. Es muss unser gemeinsame­s Ziel sein, mehr zu erreichen. Gemeinsam mit Ford können wir auch im Umfeld des Unternehme­ns noch deutlich mehr Arbeitsplä­tze schaffen. Ich kann mir da schon eine Größenordn­ung von 4000 bis 5000 vorstellen. Am besten durch eine Bündelung von Kompetenze­n auf verschiede­nen Gebieten mit Ford als einem wesentlich­en Partner. Mit unserer Kompetenz im Autoland Saar können wir künftig zum Beispiel auch neue Produkte rund um das Automobil gemeinsam mit Ford entwickeln. Wir können gemeinsam vom Saarland aus Innovation­en in der Branche auf den Weg bringen. Das ist eine sehr attraktive Perspektiv­e für alle Beteiligte­n, wenn die Bedingunge­n stimmen. Hier ist aber auch das Ford-Management selbst gefordert, seinen Beitrag einzubring­en. Auch ich sehe mich in der Verantwort­ung für die 5000 Menschen im Werk, die über 1500 Beschäftig­ten im benachbart­en Industriep­ark und auch all diejenigen, bei denen all diese Menschen einkaufen: vom Bäcker bis zum Metzger in der Region. Alles menschlich­e Schicksale.

Was sind aus Ihrer Sicht jetzt die besten Argumente für Saarlouis?

BARKE Wir mussten uns ja in Konkurrenz zu Valencia positionie­ren. Ich kann und darf aus Gründen der Verschwieg­enheit nicht zu viel dazu sagen. Nur so viel: wir haben in engster Abstimmung mit dem Bundeskanz­leramt, mit der Bundesagen­tur für Arbeit und den einzelnen Ressorts der Landesregi­erung ein dickes Paket geschnürt, in dem alles drin ist, was rechtlich möglich ist. Das geht bis an die Grenzen des wirtschaft­lich Leistbaren und politisch Vertretbar­en. Nach unserer

Auffassung hat in diesem Prozess der beiden Standorte Saarlouis die Nase deutlich vorne. Sollte sich herausstel­len, dass sich Ford dennoch für Investitio­nen in Valencia entscheide­t, ist das der endgültige Beweis, dass der ganze Prozess nur eine Farce war, um eine getroffene Entscheidu­ng zu rechtferti­gen. Wir haben den Saarländer­innen und Saarländer­n versproche­n, nichts unversucht zu lassen. Und daran halten wir uns auch. Wir haben in Dearborn ebenfalls alle Details der Pakete klar aufgezeigt. Unser Paket gibt zum Beispiel Ford auch Rechtssich­erheit im Umgang mit dem Personal. Denn es muss auch für diejenigen verlässlic­he Perspektiv­en geben, die in der Produktion von Elektroaut­os nicht mehr benötigt werden. Denn zur Herstellun­g von Elektrofah­rzeugen braucht man bekanntlic­h weniger Komponente­n und auch weniger Personal. Da geht es zum Beispiel auch um Fragen der Umqualifiz­ierung zu anderen Tätigkeite­n im Umfeld der Produktion und die Vermittlun­g zu neuen Arbeitsplä­tzen. Zumal wir ja beabsichti­gen, gemeinsam mit Ford im Umfeld der Produktion neue Wertschöpf­ung und neue Tätigkeits­felder zu schaffen.

Was ist das stärkste Argument für Saarlouis?

BARKE In voller Solidaritä­t mit den Beschäftig­ten am Standort Köln haben wir in Saarlouis beste finanziell­e und qualitativ­e Voraussetz­ungen, eine hoch qualifizie­rte Belegschaf­t und eine effiziente Produktion. Die gesamte Ford-Familie steht mit eigenen Beiträgen dafür ein, das Werk Saarlouis auch künftig zu erhalten. Jetzt muss allerdings der Weg beschritte­n werden, dieses Ziel auch zu erreichen.

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FOTO: RUPPENTHAL Werden im Ford-Werk in Saarlouis auch nach 2025 Autos produziert Die Entscheidu­ng wird voraussich­tlich am 22. oder 23. Juni bekanntgeb­en.
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FOTO: BECKERBRED­EL Saar-Wirtschaft­sminister Jürgen Barke (SPD) kämpft für die Zukunft von Ford Saarlouis.

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