Trägt der Papst sich mit Rücktrittsgedanken?
Zwei Termine hat Franziskus im Sommer anberaumt – der eine hochsymbolisch, der andere eine Weichenstellung. Das sorgt für Spekulationen.
ROM (ap) Es ist nur eine Ankündigung von Papst Franziskus. Er will im August L’Aquila besuchen. Doch sie reicht aus, Spekulationen über die Zukunft des Kirchenoberhauptes weiter zu schüren. Plant der Pontifex etwa seinen Rücktritt? Denn der Zeitpunkt der Reise gilt als ungewöhnlich, und das Fest, das Franziskus dort mitfeiern will, geht auf seinen Vorgänger Coelestin V. zurück, der noch zu Lebzeiten den Heiligen Stuhl räumte.
Immer wieder wurde zuletzt in italienischen und katholischen Medien gemutmaßt, dass sich der Papst mit Gedanken an eine ähnliche Entscheidung wie Coelestin im 13. Jahrhundert oder vor neun Jahren Benedikt XVI. tragen könnte. Mit Blick auf die Gesundheitsprobleme des 85-Jährigen – in den vergangenen Wochen musste Franziskus Termine im Rollstuhl wahrnehmen – wird jede Äußerung und jede Planung des Vatikans aufmerksam beobachtet.
Die Spekulationen erhielten vorige Woche neue Nahrung, als der Papst für den 27. August ein Konsistorium anberaumte. Bei dieser Kardinalsversammlung sollen 21 neue Kardinäle bestellt werden. 16 davon sind jünger als 80 und damit wahlberechtigt, wenn ein neuer Papst gesucht werden muss. Insgesamt hat Franziskus dann 83 der 132 Kardinäle in wahlfähigem Alter ernannt. So stelle er die Weichen für seine Nachfolge, betonen Beobachter. Denn auch wenn nicht absehbar sei, wie die Kardinäle abstimmen würden, so erhöhten sich doch die Chancen auf einen künftigen Papst, der die Ziele und Prioritäten von Franziskus teilt.
Im Anschluss an das Konsistorium hat der Pontifex zwei Tage lang Gespräche über seine am Pfingstsonntag in Kraft getretene neue VatikanVerfassung eingeplant. Dieses neue Grundgesetz des Vatikans namens „Praedicate Evangelium“stellt den Verwaltungsapparat des Heiligen
Stuhls neu auf. Es sieht unter anderem vor, dass Frauen künftig Einrichtungen der Kurie leiten dürfen. Auch definiert es Rom stärker als Dienstleister der Ortskirchen in aller Welt. Italienische Medien ordneten die Kurienreform als „wichtigstes Vermächtnis“für die Nachfolger von Franziskus ein.
Franziskus hatte sein Amt 2013 mit dem Vorhaben angetreten, die römische Kurie zu reformieren. Mit der neuen Verfassung scheint die Aufgabe weitgehend bewältigt. Der Zeitpunkt für einen Rücktritt könnte also passen.
Aufmerksamkeit erregte nicht nur die Ankündigung von Konsistorium und Besuch in L’Aquila, sondern vor allem das Timing beider Termine. Denn üblicherweise ist im Vatikan ebenso wie in ganz Italien von August bis Mitte September Sommerpause. Ausgerechnet in dieser Zeit eine wichtige Kirchenversammlung einzuberufen, seine Reformpläne zu diskutieren und einen symbolisch bedeutsamen Besuch in L’Aquila für den 28. August anzusetzen, könnte darauf hinweisen, dass der Papst Außergewöhnliches vorhabe.
Die Entscheidung seines Vorgängers Benedikt XVI. zum Rücktritt würdigte Franziskus vor neun Jahren als Türöffner für künftige Päpste, es ihm gleichzutun. Klare Signale, dass er jetzt das Amt aufgeben wolle, hat Franziskus allerdings nicht gesandt. Dennoch mehren sich die Spekulationen angesichts der gesundheitlichen Probleme. Die seien aus der Luft gegriffen, sagte Kardinal Oscar Rodriguez Maradiaga, ein enger Freund und Berater des Papstes, dieser Tage im Gespräch mit der Webseite Religion Digital. Der Kirchenhistoriker Christopher Bellitto von der Kean University im USStaat New Jersey erklärte hingegen, die meisten Vatikan-Beobachter rechneten mit einem Rücktritt von Franziskus – allerdings nicht jetzt, sondern frühestens nach dem Tod seines Vorgängers Benedikt. Er werde dem Vatikan nicht zwei ehemalige Päpste gleichzeitig zumuten wollen.