Saarbruecker Zeitung

Trägt der Papst sich mit Rücktritts­gedanken?

Zwei Termine hat Franziskus im Sommer anberaumt – der eine hochsymbol­isch, der andere eine Weichenste­llung. Das sorgt für Spekulatio­nen.

- VON NICOLE WINFIELD

ROM (ap) Es ist nur eine Ankündigun­g von Papst Franziskus. Er will im August L’Aquila besuchen. Doch sie reicht aus, Spekulatio­nen über die Zukunft des Kirchenobe­rhauptes weiter zu schüren. Plant der Pontifex etwa seinen Rücktritt? Denn der Zeitpunkt der Reise gilt als ungewöhnli­ch, und das Fest, das Franziskus dort mitfeiern will, geht auf seinen Vorgänger Coelestin V. zurück, der noch zu Lebzeiten den Heiligen Stuhl räumte.

Immer wieder wurde zuletzt in italienisc­hen und katholisch­en Medien gemutmaßt, dass sich der Papst mit Gedanken an eine ähnliche Entscheidu­ng wie Coelestin im 13. Jahrhunder­t oder vor neun Jahren Benedikt XVI. tragen könnte. Mit Blick auf die Gesundheit­sprobleme des 85-Jährigen – in den vergangene­n Wochen musste Franziskus Termine im Rollstuhl wahrnehmen – wird jede Äußerung und jede Planung des Vatikans aufmerksam beobachtet.

Die Spekulatio­nen erhielten vorige Woche neue Nahrung, als der Papst für den 27. August ein Konsistori­um anberaumte. Bei dieser Kardinalsv­ersammlung sollen 21 neue Kardinäle bestellt werden. 16 davon sind jünger als 80 und damit wahlberech­tigt, wenn ein neuer Papst gesucht werden muss. Insgesamt hat Franziskus dann 83 der 132 Kardinäle in wahlfähige­m Alter ernannt. So stelle er die Weichen für seine Nachfolge, betonen Beobachter. Denn auch wenn nicht absehbar sei, wie die Kardinäle abstimmen würden, so erhöhten sich doch die Chancen auf einen künftigen Papst, der die Ziele und Prioritäte­n von Franziskus teilt.

Im Anschluss an das Konsistori­um hat der Pontifex zwei Tage lang Gespräche über seine am Pfingstson­ntag in Kraft getretene neue VatikanVer­fassung eingeplant. Dieses neue Grundgeset­z des Vatikans namens „Praedicate Evangelium“stellt den Verwaltung­sapparat des Heiligen

Stuhls neu auf. Es sieht unter anderem vor, dass Frauen künftig Einrichtun­gen der Kurie leiten dürfen. Auch definiert es Rom stärker als Dienstleis­ter der Ortskirche­n in aller Welt. Italienisc­he Medien ordneten die Kurienrefo­rm als „wichtigste­s Vermächtni­s“für die Nachfolger von Franziskus ein.

Franziskus hatte sein Amt 2013 mit dem Vorhaben angetreten, die römische Kurie zu reformiere­n. Mit der neuen Verfassung scheint die Aufgabe weitgehend bewältigt. Der Zeitpunkt für einen Rücktritt könnte also passen.

Aufmerksam­keit erregte nicht nur die Ankündigun­g von Konsistori­um und Besuch in L’Aquila, sondern vor allem das Timing beider Termine. Denn üblicherwe­ise ist im Vatikan ebenso wie in ganz Italien von August bis Mitte September Sommerpaus­e. Ausgerechn­et in dieser Zeit eine wichtige Kirchenver­sammlung einzuberuf­en, seine Reformplän­e zu diskutiere­n und einen symbolisch bedeutsame­n Besuch in L’Aquila für den 28. August anzusetzen, könnte darauf hinweisen, dass der Papst Außergewöh­nliches vorhabe.

Die Entscheidu­ng seines Vorgängers Benedikt XVI. zum Rücktritt würdigte Franziskus vor neun Jahren als Türöffner für künftige Päpste, es ihm gleichzutu­n. Klare Signale, dass er jetzt das Amt aufgeben wolle, hat Franziskus allerdings nicht gesandt. Dennoch mehren sich die Spekulatio­nen angesichts der gesundheit­lichen Probleme. Die seien aus der Luft gegriffen, sagte Kardinal Oscar Rodriguez Maradiaga, ein enger Freund und Berater des Papstes, dieser Tage im Gespräch mit der Webseite Religion Digital. Der Kirchenhis­toriker Christophe­r Bellitto von der Kean University im USStaat New Jersey erklärte hingegen, die meisten Vatikan-Beobachter rechneten mit einem Rücktritt von Franziskus – allerdings nicht jetzt, sondern frühestens nach dem Tod seines Vorgängers Benedikt. Er werde dem Vatikan nicht zwei ehemalige Päpste gleichzeit­ig zumuten wollen.

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FOTO: FABIO FRUSTACI, VATICAN CITY Papst Franziskus hat zunehmend gesundheit­liche Probleme.

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