Schriller Umzug durch Saarbrücken
Etwa 1000 überwiegend junge Menschen marschierten am Sonntag zum Christopher Street Day durch die Landeshauptstadt.
SAARBRÜCKEN Nach drei Jahren konnte am Wochenende wieder der Christopher Street Day SaarLorLux gefeiert werden. Die Mischung aus Demonstration und Feier von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender-Personen und Intersexuellen geht vom Namen her auf einen Aufstand von Homosexuellen gegen Polizeigewalt in der New Yorker Christopher Street zurück. Zum Glück sind die Zeiten vorüber: So schützte die saarländische Polizei den an der Congresshalle startenden Zug vor dem Straßenverkehr. An dem Marsch mit Lautsprecherwagen, schrill gekleideten Menschen, Transparenten und Plakaten nahmen etwa 1000 überwiegend junge Menschen teil. Sie hielten Plakate hoch mit Botschaften wie „Gemeinsam sind wir Vielfalt“, „CSD statt AfD“, „Bin offen für alles“und „Stolzer queerer Widerstand“.
Die politischen Parteien Grüne, SPD und FDP waren mit ihren Jugendorganisationen vertreten. Außerdem waren das Staatstheater, der Saarländische Rundfunk und der Lesben- & Schwulenverband Saar vertreten, letztere als Veranstalter. Sonst zeigte sich die ganze Vielfalt einer solchen Demonstration: Vom Frankfurter Fetischclub über die Antifa, die Aids-Hilfe Saar, die Turbojugend Saarbrooklyn bis zur Stiftung Buntes Leben stiften reichte da die Palette. Sehr viele Teilnehmer waren aber offensichtlich einfach so vorbeigekommen, hatten sich in Regenbogenfahnen gehüllt oder sich solche Farben auf die Wangen geschminkt. Livemusik kam von der Marschkapelle „Pfälzer Rhythmusfetzer“aus Steinwenden.
Hauptsächlich aber dröhnte die Musik ohrenbetäubend von den Lautsprecherwagen: Gerne mal etwas von der Schwulen-Ikone Madonna, auch Stücke mit einer passenden Aussage („Let’s Get Loud“von Jennifer Lopez) und natürlich die Hymne der Schwulenbewegung: „Er gehört zu mir“von Marianne Rosenberg. Als Hingucker hatten sich Drag-Queens herausgeputzt: Allen voran Viola Bond, die als Freiheitsstatue verkleidet den Zug anführte. Die „Heaven Girls“machten auf sich aufmerksam, indem sie sich in einem Porsche Cabrio chauffieren ließen. Überhaupt spielte das Gesehen-werden eine große Rolle beim Christopher Street Day: So trug eine der Drag-Queens circa 50 Zentimeter hohe Plateausohlen. Jemand anders hatte sich einen vampirartigen Umhang umgelegt, dazu trug er einen mit Federn geschmückten Hut. Der bekannte Aktivist Jonas LGBT hatte seine weißen Engelsflügel angezogen und war ein beliebtes Motiv für Selfies. Eine Gruppe wirkte sehr auffällig unter den vielen exaltierten Leuten aufgrund ihrer Ledermontur und den über den Kopf gezogenen Tiermasken. Da kam das Angebot vieler junger Leute angenehmer rüber: „Free hugs“(„Kostenlose Umarmungen“) und „Free kisses“ („Kostenlose Küsse“) hatten sie sich auf die Haut geschrieben.
Wurde das auch in Anspruch genommen? „Eher nicht so“, meinte die 18-jährige Lena aus Neunkirchen, die mit ihren Freundinnen hergekommen war. Ihre Motivation zur Teilnahme war „Solidarität mit sexuellen Minderheiten“, aber sie meinte auch: „Das ist einfach eine große Party hier.“Unter den zahlreichen interessierten Zuschauern befand sich Ulrich Herb. Sein Statement: „Ich bin hier, weil das total cool ist, gerade in einer piefigen Stadt wie Saarbrücken. Es ist etwas Buntes, das die Stadt belebt – das hat sie dringend nötig.“
Ein CSD-Veteran ist Gert Rickart von der Stiftung Buntes Leben – er war von Anfang an immer dabei. Seine Organisation setzt sich für ältere queere Menschen ein, „sodass sie gut schwul oder lesbisch alt werden können“. Wie hat sich der CSD im Laufe der Zeit geändert? „Er ist lustiger geworden und vielfältiger. Es sind vor allem sehr viel junge Leute dabei, das war früher nicht so.“Allerdings waren es wohl weniger Menschen, die insgesamt teilnahmen. Die Veranstalter vom Lesben- & Schwulenverband hatten 2019 noch 50 000 Leute geschätzt – davon war die diesjährige Ausgabe des CSD weit entfernt.