Saarbruecker Zeitung

Norwegen feiert Museumsbau für die Ewigkeit

In Oslo ist am Wochenende ein neues Nationalmu­seum für Kunst, Architektu­r und Design eröffnet worden. Es ist der dritte Kulturbau, der in den vergangene­n zwei Jahren in der norwegisch­en Hauptstadt fertig wurde.

- VON SIGRID HARMS

OSLO (dpa) Selbst die Wände der Toiletten sind mit Marmor verkleidet. Das neue Nationalmu­seum für Kunst, Architektu­r und Design am Hafen von Oslo ist kein gläserner, skulptural­er Neubau. Breit und schwer, wie eine Festung – sagen manche – thront es halb versteckt hinter dem Nobel-Friedensze­ntrum. „Ein Gebäude, das viele hundert Jahre überdauern kann“, meint der deutsche Architekt Klaus Schuwerk vom Architekte­nbüro kleihues + schuwerk.

Am Samstag ist es eröffnet worden. Bei einer feierliche­n Zeremonie vor dem massiven Bau durchschni­tt die kunstinter­essierte Königin Sonja (85) dazu symbolisch ein Band. Sonjas Gatte König Harald V. (85) war auf zwei Krücken gestützt ebenso dabei wie Kronprinz Haakon, Kronprinze­ssin Mette-Marit (beide 48) und Ministerpr­äsident Jonas Gahr Støre (61). Die Königsfami­lie stellte im Anschluss auch die ersten offizielle­n Besucher des Museums dar.

Schon in der Eingangsha­lle spürt man, dass es hier nicht um Effekthasc­herei, sondern um solide Qualität geht: Der Boden ist mit Krensheime­r Muschelkal­k ausgelegt, die Wände sind mit vertikal geschnitte­nem Schiefer und dunklen Eichenpane­elen verkleidet. „Ein Gebäude sollte für immer reparierba­r sein“, sagt Architekt Schuwerk. Die Materialie­n sollten das Recht haben, in Würde zu altern. Der norwegisch­e Staat hat sich das umgerechne­t rund 600 Millionen Euro kosten lassen.

Die 6500 Werke, die im neuen Nationalmu­seum ausgestell­t sind, haben damit eine würdige Kulisse bekommen. Die Sammlungen von fünf Osloer Institutio­nen – Nationalga­lerie, Kunstindus­triemuseum, Museum für zeitgenöss­ische Kunst, Architektu­rmuseum und Reichsauss­tellungen – sind nun erstmals unter einem Dach gebündelt. Insgesamt umfasst das Inventar 400 000 Gegenständ­e. Norwegens Nationalsc­hatz auf 55 000 Quadratmet­ern.

Die Sammlungen sind so vielfältig, dass sie an einem Tag nicht zu schaffen sind: In den 86 Räumen finden sich nicht nur Gemälde aller Epochen, sondern auch chinesisch­e Vasen der Ming-Dynastie, antike Büsten römischer Herrscher, die Garderobe der norwegisch­en Königinnen Maud und Sonja und Skulpturen des Bildhauers Gustav Vigeland. Wie in alten Schlössern, die heute als Museen fungieren, sind die Säle aneinander­gereiht.

Dem Maler Edvard Munch ist ein eigener Raum gewidmet, in dem 18 seiner Bilder ausgestell­t sind, darunter eine Ausgabe des berühmten „Schrei“. Insgesamt verfügt das Museum über 57 seiner Werke. Die Farben der Wände sind den Malereien angepasst.

Auch zeitgenöss­ische Künstler haben ihren Platz. In der Eingangsha­lle hängt ein Vorhang aus 200 Schädeln von Rentieren. Alle haben ein Einschussl­och, denn die Rentiere starben nicht eines natürliche­n Todes, sie wurden erschossen. Das Werk der samischen Künstlerin Máret Ánne Sara ist ein Protest gegen die 2013 von der norwegisch­en Regierung angeordnet­e Zwangstötu­ng von Rentieren, um die Bestände zu begrenzen. 2017 stellte sie ihr Werk auf der Documenta in Kassel aus.

Auch in der Lichthalle, die dem steinernen Gebäude aufgesetzt ist, wird Zeitgenöss­isches gezeigt. „Ich nenne es Kunst“lautet der Titel der Eröffnungs­ausstellun­g, die junge Leute zwischen 19 und 24 Jahren zur Zielgruppe hat. Zu sehen sind Werke von 147 Künstlern, die in Norwegen arbeiten, und vieles hat bereits vor der Eröffnung Diskussion­en ausgelöst. So das humorvolle Porträt der norwegisch­en Königsfami­lie von Lena Trydal, auf dem König Harald im Unterhemd auf dem Thron sitzt und König Sonja nach einer Joggingtou­r das Handy ans Ohr hält.

Architekt Schuwerk bezeichnet­e die Ausstellun­g als einen „Flohmarkt“, Museumsdir­ektorin Karin Hindsbø aber begrüßt es, dass sie heiß diskutiert wird: „Unsere Vision ist es, Kunst für alle zugänglich zu machen und die Gesellscha­ft und Zeit, in der wir leben, zu reflektier­en.“Die Halle, die Schuwerk Alabasterh­alle nennt, ist das i-Tüpfelchen des massiven Museumsbau­s. Ihre sieben Meter hohen Wände sind aus Glas und Marmor, der so dünn geschnitte­n ist, dass er das Licht durchlässt. Hier werden Wechselaus­stellungen präsentier­t, was für die Kuratoren eine Herausford­erung darstellt, denn in die Wände kann man keine Nägel schlagen. So hängen viele Werke von der Decke und schweben im Raum.

Von der Halle aus führt eine Tür auf die Dachterras­se, von der man einen wunderbare­n Blick auf die Nachbarn hat: das rote Rathaus der Stadt, das Nobel-Friedensze­ntrum, die mittelalte­rliche Festung Akershus in der Ferne und den Oslofjord.

Das Nationalmu­seum ist der dritte Kulturbau, der in den vergangene­n zwei Jahren in Oslo eröffnet wurde. Neben der spektakulä­ren Oper entstand 2020 eine neue Stadtbibli­othek, die Deichman Bibliothek. Außerdem wurde im vergangene­n Jahr ein neues Munch-Museum eröffnet. „Oslo und

Norwegen präsentier­en sich als eine neue Kunst- und Kulturdest­ination“, meint Museumsdir­ektorin Hindsbø. „Die Augen der Welt sind jetzt auf uns gerichtet.“

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FOTO: SIGRID HARMS/DPA Norwegens neues Nationalmu­seum in Oslo ist am Samstag eröffnet worden. Entworfen wurde der Bau am Fjord vom deutschen Architekte­n Klaus Schuwerk. Die Fassade besteht aus vertikal geschnitte­nen Schieferpl­atten.
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FOTO: SIGRID HARMS/DPA Skulpturen des norwegisch­en Bildhauers Gustav Vigeland und Gemälde des Malers Edvard Munch gehören zu den Höhepunkte­n.
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FOTO: CHRISTOFFE­R ANDERSEN/DPA Königin Sonja von Norwegen hielt eine Rede zur Eröffnung des neuen Nationalmu­seums in der Hauptstadt Oslo.

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