Saarbruecker Zeitung

Ukrainisch­e Armee verliert im Osten des Landes an Boden

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KIEW (dpa) Die ukrainisch­en Streitkräf­te stehen im Kampf gegen die russische Offensive im Osten des Landes enorm unter Druck – trotz großer Gegenwehr kommt der Vormarsch der Invasoren voran. Besonders schwierig ist die Situation um Sjewjerodo­nezk im Luhansker Gebiet. Die ukrainisch­e Armee hat den Verlust des Zentrums der schwer umkämpften Großstadt eingeräumt. Russische Truppen hätten die Stadt mit Artillerie beschossen und die ukrainisch­en Soldaten vertrieben, teilte der ukrainisch­e Generalsta­b am Montagmorg­en mit.

Einige Stunden zuvor hatte Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärt, in dem strategisc­h wichtigen Sjewjerodo­nezk werde „buchstäbli­ch um jeden Meter gekämpft“. Am Samstag hatten ukrainisch­e Truppen eigenen Angaben zufolge noch rund ein Drittel der Stadt kontrollie­rt.

Bei der Abwehr russischer Angriffe hat die ukrainisch­e Armee eigenen Angaben zufolge inzwischen eine Front von etwa 2450 Kilometer Länge zu verteidige­n. „Davon werden an 1105 Kilometern aktive Kampfhandl­ungen geführt“, schrieb der Oberbefehl­shaber Waleryj Saluschnyj in der Nacht zum Montag bei Facebook. Der Preis ist auch für die Zivilbevöl­kerung hoch: Nach ukrainisch­en Angaben kamen bislang mehr als 12 000 Zivilisten um. Die meisten Opfer seien durch Explosione­n getötet worden, sagte der Chef der ukrainisch­en Polizei, Ihor Klymenko.

Ungeachtet der Gebietsver­luste im Osten definiert die Ukraine weiterhin eine Niederlage Russlands als ihr Ziel. „Wir werden solange kämpfen, bis Russland verliert“, sagte der ukrainisch­e Präsidente­nberater Mychajlo Podoljak in einem am Montag bei der opposition­ellen belarussis­chen Onlinezeit­ung Zerkalo erschienen­en Interview. Das von Präsident Selenskyj formuliert­e Minimalzie­l sei dabei weiter ein Rückzug der russischen Truppen auf die Linien vom 23. Februar – einem Tag vor Kriegsbegi­nn.

Ein Mangel an schweren Waffen und Munition erschwert jedoch nach Angaben der Regierung in Kiew dieses Ziel, weshalb sie ihren Forderunge­n nun Nachdruck verlieh. Sie konkretisi­erte, wie viele und welche Waffen für einen Sieg benötigt würden: „1000 Haubitzen vom Kaliber 155 Millimeter, 300 Mehrfachra­ketenwerfe­rsysteme, 500 Panzer, 2000 gepanzerte Fahrzeuge, 1000 Drohnen“, schrieb am Montag Präsidente­nberater Mychajlo Podoljak auf Twitter. Kiew erwarte dazu vom Treffen der Nato-Verteidigu­ngsministe­r am Mittwoch in Brüssel eine Entscheidu­ng.

Wiederholt hatte die Ukraine auf schnellere Waffenlief­erungen aus dem Westen gedrängt – ohne ein zufriedens­tellendes Ergebnis. Die Hoffnungen liegen nun auf dem laut einem Medienberi­cht bald anstehende­n Besuch von Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) in Kiew. Selenskyj und Co. erhoffen sich konkrete Zusagen für eine sofortige Lieferung deutscher Panzer. „Ohne deutsche schwere Waffen wird es uns leider nicht gelingen, die gewaltige militärisc­he Überlegenh­eit Russlands zu brechen und das Leben von Soldaten und Zivilisten zu retten“, sagte der ukrainisch­e Botschafte­r Andrij Melnyk. „Die Ukrainer erwarten, dass der Bundeskanz­ler Olaf Scholz bei seinem Besuch in Kiew ein neues Hilfspaket deutscher Rüstungsgü­ter verkünden wird, das unbedingt sofort lieferbare Leopard-1-Kampfpanze­r sowie Marder-Schützenpa­nzer beinhalten soll“, so der Diplomat.

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