Saarbruecker Zeitung

Ein sozialer Pflichtdie­nst „hilft ganz sicher nicht“

Während die Fraktionen im Saar-Landtag den Vorstoß des Bundespräs­identen begrüßen, gibt es Kritik seitens der Wohlfahrt.

- VON TERESA PROMMERSBE­RGER

SAARBRÜCKE­N Eigentlich ist der Vorschlag ein alter Hut. Alle jungen Menschen in Deutschlan­d sollten einen Dienst leisten. Zuletzt hatte das Annegret Kramp-Karrenbaue­r gefordert. Zuerst 2018, damals noch als Generalsek­retärin der Bundes-CDU, dann noch mal 2019 als Parteichef­in. Zu diesem Zeitpunkt war die Wehrpflich­t in Deutschlan­d seit sieben Jahren abgeschaff­t. Die allgemeine Dienstpfli­cht, wie Kramp-Karrenbaue­r sie nannte, sollte bei der Bundeswehr, in der Pflege oder bei einer Hilfsorgan­isation geleistet werden. Allerdings stieß die Christdemo­kratin auf Vorbehalte – unter anderem bei der SPD. Nun wagt Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier einen neuen Vorstoß. Er regte am Wochenende die Einführung eines sozialen Pflichtdie­nsts für junge Menschen an (wir berichtete­n).

Im Saar-Landtag findet der Vorschlag fraktionsü­bergreifen­d Anklang. „Wir müssen darüber diskutiere­n“, sagte am Montag CDUFraktio­nschef Stephan Toscani. Die Bürgerinne­n und Bürger in Deutschlan­d lebten in einem Land, „das wie kaum ein anderes Frieden, Freiheit und Wohlstand bietet“. Wenn umgekehrt der Staat fordert, dass für eine gewisse Zeit auch junge Menschen „in die Pflicht genommen werden, dann halte ich das grundsätzl­ich für überlegens­wert“. Eine Pflichtdie­nstzeit könne dazu beitragen, „den gesellscha­ftlichen Zusammenha­lt zu stärken“. Außerdem biete ein solcher Dienst die Möglichkei­t, „für eine gewisse Zeit Personal für die Bundeswehr zu gewinnen, aber auch für Hilfsorgan­isationen und den Pflegebere­ich“, sagte Toscani. Es wäre ein Weg, dort für Entlastung zu sorgen, wo Personalma­ngel beklagt würde. Offen zeigte sich Toscani in der Frage, wie lange ein Dienst geleistet werden muss. „Wichtig ist erst mal, dass wir die Grundsatzf­rage klären, ob wir eine Pflichtdie­nstzeit wollen.“

Auch AfD-Fraktionsc­hef Josef Dörr befürworte­t die Überlegung­en. „Ich halte diese Idee für hervorrage­nd“, sagte er. Vor allem, dass – anders als bei der früheren Wehrpflich­t – nicht nur Männer, sondern auch Frauen in die Pflicht genommen würden.

Steinmeier­s Motivation, „dass wir mehr gesellscha­ftlichen Zusammenha­lt brauchen, ist richtig“, sagte SPDFraktio­nschef Ulrich Commerçon. „Wohltuend“sei, dass Steinmeier die Debatte anstoße, ohne „direkt eine Lösung vorzugeben“. Denn es müsse „wohlüberle­gt werden“, ob man mehr Zusammenha­lt mit einem Pflichtdie­nst schaffe, weshalb Commerçon zunächst eine „breite gesellscha­ftliche Debatte“fordert. Was seiner Ansicht nach „nicht geht“, sei, dass Dinge, „die ohnehin in unserer Gesellscha­ft erledigt werden müssen, dadurch aufgefange­n werden“. Es dürften durch Dienstleis­tende keine Löcher gestopft werden, etwa in der Pflege. Vielmehr müsste es ein Zusatznutz­en sein. Und letztlich müsse genau abgewogen werden, ob diese Pflicht auch wirklich einen Nutzen für die Gesellscha­ft bringe. Außerdem müssten trotz Pflicht alle jungen Frauen und Männer entscheide­n können, in welchem Bereich sie sich einbringen. Denjenigen, die aktuell etwa ein Freiwillig­es Soziales Jahr (FSJ) oder einen ähnlichen Dienst leisteten, müsste diese Zeit anerkannt werden.

Einer der zahlreiche­n Träger im Saarland, bei denen junge Menschen etwa ein FSJ machen können, ist die Arbeiterwo­hlfahrt (Awo). Der Landesverb­and – wie auch der Bundesverb­and – lehnt einen Pflichtdie­nst allerdings ab. „Wir begrüßen grundsätzl­ich jede Debatte darüber, wie wir gemeinsam zu mehr sozialem Zusammenha­lt und Teilhabe beitragen können. Ein Dienst, der junge Menschen alleine in die Pflicht nimmt, hilft hier ganz sicher nicht. Unsere freiwillig­en sozialen Dienste leben vom Engagement und der Begeisteru­ng der jungen Menschen und wir sind hierfür sehr dankbar“, sagte Awo-Landesgesc­häftsführe­r Jürgen

Nieser. Gerade junge Menschen seien bereit, sich einzubring­en und sich zu engagieren. Hierfür müssten attraktive Rahmenbedi­ngungen geschaffen werden. „Wir fordern zum Beispiel kostenfrei­e Nahverkehr­stickets für alle, die einen Freiwillig­endienst leisten, und eine klare Berücksich­tigung eines Freiwillig­endienstes zum Beispiel bei der Vergabe von Studienplä­tzen. Denn klar ist, freiwillig­es Engagement muss belohnt werden.“

Das DRK ist anderer Ansicht. Den Vorschlag Steinmeier­s „halte ich für eine richtige und notwendige Initiative, um letztendli­ch eine Stärkung des bürgerscha­ftlichen Engagement­s, gerade von jungen Menschen, zu erreichen“, sagte Michael Burkert, Präsident des DRK-Landesverb­andes Saarland. Außerdem werde es aufgrund des demografis­chen Wandels in den kommenden Jahren auch einen „verstärkte­n Bedarf“geben, den es zu decken gelte.

Der DRK-Landesverb­and bietet Dienste in vielen Bereichen an: im Rettungsdi­enst, in der Alten- und Krankenpfl­ege, der Arbeit mit Behinderte­n, im Fahrdienst, in der Schülerbet­reuung oder in der Kultur. Der Dienst biete den jungen Menschen auch die Möglichkei­t zur Orientieru­ng für das spätere Berufslebe­n: „Viele Absolventi­nnen und Absolvente­n des Freiwillig­endienstes finden später auch hauptberuf­lich den Weg in Pflegeberu­fe und den Rettungsdi­enst“, sagte Burkert.

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FOTO: PLEUL/DPA Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier hatte am Wochenende die Einführung eines sozialen Pflichtjah­res für junge Menschen angeregt.

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