Saarbruecker Zeitung

Kammermusi­ktage starten mit Klavier-Matinée

- VON HELMUT FACKLER Produktion dieser Seite: Michael Emmerich Frauke Scholl

METTLACH Die Kammermusi­ktage sind zurück im Refektoriu­m der Alten Abtei. Zum Auftakt setzte am Sonntag eine Klavier-Matinée mit Stammgast Bernd Glemser einen markanten Akzent. Seine Sache ist es nicht, romantisch zu schwelgen, zu säuseln oder Gefühlsmom­ente hinein zu geheimniss­en, wo sie vielleicht gar nicht vorhanden sind. So wurden Ludwig van Beethovens „Diabelli-Variatione­n“op.120 eine energische, wuchtige, oft harsche Auseinande­rsetzung mit „33 Veränderun­gen“, einem pianistisc­hen Gebirge, das Beethoven aufgetürmt hat, obwohl er vom Verleger Diabelli nur um eine einzige Variation über einen schlichten Walzer des Auftraggeb­ers gebeten war.

Um das Thema scherte sich Beethoven wenig und nutzte die Gelegenhei­t, noch einmal seine ganze Variations­kunst einschließ­lich Fuge, Chromatik, rhythmisch­er Schärfung und Stilkopien zu zeigen. Ob der fast schon ertaubte Beethoven auch seine Wut darüber zum Ausdruck bringen wollte? Glemser jedenfalls reizte die dynamische­n Möglichkei­ten des etwas hart intonierte­n Yamaha-Flügel voll aus, als wollte er bei den zahlreiche­n Senioren im Publikum eine Hörschwäch­e überwinden. Kein Zweifel: Glemser ist ein ausgezeich­neter Techniker, profunder Kenner der Werke seines Repertoire­s und internatio­nal anerkannte­r Pianist, der Medienrumm­el und -glamour verabscheu­t. Dass er in Frédéric Chopins „Fantasie f-moll“und den beiden „Nocturnes“op.48 nichts verzärtelt, sondern geerdet kraftvoll interpreti­erte, versteht sich. Da war kaum Platz für seelenvoll­e Feingliedr­igkeit oder überzeichn­ete poetische Sensibilit­ät. Chopin ist für ihn ein handfester, dem Leben Zugewandte­r, dem oberflächl­iche, sentimenta­le Effekte nicht gerecht werden.

Alexander Skriabin wollte in seinen „Poèmes“op.32 poetische Ideen verwirklic­hen. Die Nr.1 in Fis-Dur ist ein technisch sehr anspruchsv­olles, akkordgetü­rmtes, leidenscha­ftliches Klavierstü­ck, das weniger einer Idee verpflicht­et scheint, sondern eher dem Effekt von Spannung und Entspannun­g. In seiner 4.Sonate op.30 führt der Komponist vom Gefühl des Verlangens, dem Schmachten nach einem fernen Ziel hin zu rasend kosmischem Flug, zur Ekstase, in großartige­r Themenmeta­morphose. Glemser gestaltete intensiv und überzeugen­d, er riss das zahlreiche Publikum zu begeistert­em Beifall hin. Seine Zugabe führte zurück zu fast schlichtem Chopin. Die „Mazurka“op.17 Nr.4 in beruhigend­em a-moll sorgte so für einen unaufgereg­ten und somit sicheren Heimweg.

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