Kammermusiktage starten mit Klavier-Matinée
METTLACH Die Kammermusiktage sind zurück im Refektorium der Alten Abtei. Zum Auftakt setzte am Sonntag eine Klavier-Matinée mit Stammgast Bernd Glemser einen markanten Akzent. Seine Sache ist es nicht, romantisch zu schwelgen, zu säuseln oder Gefühlsmomente hinein zu geheimnissen, wo sie vielleicht gar nicht vorhanden sind. So wurden Ludwig van Beethovens „Diabelli-Variationen“op.120 eine energische, wuchtige, oft harsche Auseinandersetzung mit „33 Veränderungen“, einem pianistischen Gebirge, das Beethoven aufgetürmt hat, obwohl er vom Verleger Diabelli nur um eine einzige Variation über einen schlichten Walzer des Auftraggebers gebeten war.
Um das Thema scherte sich Beethoven wenig und nutzte die Gelegenheit, noch einmal seine ganze Variationskunst einschließlich Fuge, Chromatik, rhythmischer Schärfung und Stilkopien zu zeigen. Ob der fast schon ertaubte Beethoven auch seine Wut darüber zum Ausdruck bringen wollte? Glemser jedenfalls reizte die dynamischen Möglichkeiten des etwas hart intonierten Yamaha-Flügel voll aus, als wollte er bei den zahlreichen Senioren im Publikum eine Hörschwäche überwinden. Kein Zweifel: Glemser ist ein ausgezeichneter Techniker, profunder Kenner der Werke seines Repertoires und international anerkannter Pianist, der Medienrummel und -glamour verabscheut. Dass er in Frédéric Chopins „Fantasie f-moll“und den beiden „Nocturnes“op.48 nichts verzärtelt, sondern geerdet kraftvoll interpretierte, versteht sich. Da war kaum Platz für seelenvolle Feingliedrigkeit oder überzeichnete poetische Sensibilität. Chopin ist für ihn ein handfester, dem Leben Zugewandter, dem oberflächliche, sentimentale Effekte nicht gerecht werden.
Alexander Skriabin wollte in seinen „Poèmes“op.32 poetische Ideen verwirklichen. Die Nr.1 in Fis-Dur ist ein technisch sehr anspruchsvolles, akkordgetürmtes, leidenschaftliches Klavierstück, das weniger einer Idee verpflichtet scheint, sondern eher dem Effekt von Spannung und Entspannung. In seiner 4.Sonate op.30 führt der Komponist vom Gefühl des Verlangens, dem Schmachten nach einem fernen Ziel hin zu rasend kosmischem Flug, zur Ekstase, in großartiger Themenmetamorphose. Glemser gestaltete intensiv und überzeugend, er riss das zahlreiche Publikum zu begeistertem Beifall hin. Seine Zugabe führte zurück zu fast schlichtem Chopin. Die „Mazurka“op.17 Nr.4 in beruhigendem a-moll sorgte so für einen unaufgeregten und somit sicheren Heimweg.