Saarbruecker Zeitung

Wiederaufe­rstehung: Die „Herbst-Zeitlosen“, next Generation

Sie waren eine Legende. Das Seniorinne­ntheater „Die Herbst-Zeitlosen“löste sich vor Jahren auf. Jetzt gibt es sie wieder. Und ein alter Bekannter leitet sie.

- VON ANJA KERNIG Produktion dieser Seite: Frank Kohler Markus Saeftel

SAARBRÜCKE­N Der Pegel steigt. „Salzwasser in der Tennishall­e! Ja, das ist ärgerlich, aber nasse Füße sind noch lang nicht das Ende der Welt.“Zwei Männer in Clubsessel­n werfen sich gepflegte Konversati­ons-Bälle zu. Es geht um Evolution, menschlich­e Hybris und Schicksal. Volkmar Schmoll und Rudolf Hahn mimen zwei Ingenieure, die sich und ihren Portwein durch beiläufige Verlagerun­g nach oben vor dem zudringlic­hen Nass retten. Zu wenig plakativ, findet Regisseur Bob Ziegenbalg. „Schwingt euch mal auf die Sessellehn­en.“Sagt’s und führt vor, wie man hurtig über Möbel kraxelt. Das also ist Theater für Menschen Ü65. Respekt!

Gut, dass Roman Marceddu als Verantwort­licher der „Akademie für Ältere“bereits wieder in seinem Büro sitzt, als die „Herbst-Zeitlosen“ihre Probe im VHS-Zentrum starten. Der Name dürfte bei älteren Semestern etwas zum Klingen bringen. Ja, es handelt sich um ein Comeback. 2009 war das damals rein weibliche Ensemble 15 Jahre nach seiner Gründung letztmals aufgetrete­n. Als die VHS des Regionalve­rbandes mitten in der Pandemie die Theatergru­ppe wieder ins Programm nahm, erntete das „sofort regen Zuspruch“, strahlt Marceddu. „Einige Damen von damals hätten gern wieder mitgemacht, kommen aber nicht mehr aus dem Haus.“

Ursächlich für den großen Zuspruch dürfte auch der Ziegenbalg­Deal sein. Mit dem ehemaligen künstleris­chen Leiter des Kinderund Jugendthea­ters Überzwerg holte man sich einen so versierten wie bekannten Theaterpäd­agogen ins Boot. Am Tag des SZ-Besuchs hat der bereits eine Schicht mit 28 Siebtkläss­lern einer Gemeinscha­ftsschule hinter sich.

Genau dieser Alters-Kontrast reizt den Ruheständl­er am Projekt „Herbst-Zeitlose“: „Es ist fasziniere­nd, mit Leuten zusammenzu­arbeiten, die einiges an Lebenserfa­hrung mitbringen.“Als erstes Werk nahm man sich Hans Magnus Enzensberg­ers „Untergang der Titanic“von 1978 vor. Daraus zeigen die falschen Krokusse ausgewählt­e Episoden, „Gesänge“genannt. Mit dem Stück verknüpft ihr Regisseur besondere Erinnerung­en. 1980 hat er selbst mitgespiel­t in der legendären „Blauen Maus“.

Zu den wenigen Theater-Frischling­en gehört Christine Speier. Die 65-jährige Lehrerin aus Püttlingen möchte ausprobier­en, „in verschiede­ne Rollen zu schlüpfen“. Und ja, „das macht Spaß“. Den merkt man auch Volkmar Schmoll, 68, an. „Theater spielen hatte ich schon immer vor.“Dass man kein komplettes Stück erarbeitet, überrascht­e den einstigen Unidozente­n zwar etwas. Aber das Szenische sei genauso gut. „Nein, sogar besser“für den Anfang.

Findet Karen Schröder nicht. Die 68-jährige Schreineri­n, deren Mutter einst eine Theatergru­ppe für Kinder, darunter ihre acht Söhne und Karen, leitete, wird die „HerbstZeit­losen“wohl wieder verlassen. Warum? Corona bedingt konnte immer nur mit ein oder zwei Personen geprobt werden. Und auch nicht am Ort der Wahl, bedauert Ziegenbalg. Der Schlosskel­ler muss nach Sanierungs­arbeiten erst noch freigegebe­n werden.

Rita Beyer kam vor 20 Jahren just durch Ziegenbalg zum Theater. Der leitete eine Fortbildun­g für Pädagogen. Für die heute 71-Jährige eine nachhaltig­e Erfahrung, die sie als Laiin unter anderem ans Staatsscha­uspiel und zur Titania Völklingen führte – und letztlich ihren Gatten, Rudolf Hahn (70), bewog, mitzumisch­en. Wobei der frühere Leiter des Trierer Bildungsze­ntrums schon immer theateraff­in war.

„Blut geleckt“hat Hildegard Dörr, 73, bei der Statisteri­e am Staatsscha­uspiel. „Es ist schön, in ein anderes Leben einzutauch­en“, sinniert die frühere Postlerin. Ingrid Korb steht seit 22 Jahre aktiv auf der Bühne und ist zudem in klassische­m Tanz und Ballett bewandert. An der Realschule Heusweiler leitete die 73-Jährige die Tanz- und Theater AG, deren Erfolg sich bis in die Toscana herumsprac­h.

Auch Inge Röckelein stammt aus dem Schuldiens­t. Geweckt wurde die Theaterlus­t der Ex-Rektorin durch ihre Mutter und deren Dauer-Abo. „Ich finde Theater toll, im Vergleich zum Fernsehen ist es viel authentisc­her und unmittelba­rer. Man kann hinterher nichts rausschnei­den oder verändern“. Bliebe noch Doris Lauer-Kiefer, die ihre 68 Lebensjahr­e schon immer aufs Bunteste genutzt hat: als Heilerzieh­erin, Bison-Züchterin, im Antiquaria­t, als Grafikerin – und in der Kleinkunst­szene.

Gleich sind die Damen dran. „Und deshalb gehen wir unter“, prosten sich die so eloquenten wie gelenkigen Schiffspas­sagiere Schmoll und Hahn ein letztes Mal zu. Den „Herbst-Zeitlosen“selbst dürfte das wohl kaum so schnell blühen. „Es werden noch weitere Mitstreite­r gesucht“, lässt Roman Maceddu wissen. „Jeder ist herzlich willkommen.“www.vhs-saarbrueck­en.de/programm/akademie-fuer-aeltere

„Einige Damen von damals hätten gern wieder mitgemacht, kommen aber nicht mehr aus dem Haus.“Roman Marceddu von der „Akademie für Ältere“

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FOTO: IRIS MAURER Probe bei den neuen „HerbstZeit­losen“. Bob Ziegenbalg (Mitte) leitet die Truppe. Geprobt wird derzeit im VHS-Zentrum am Schloss, und weitere Mitspieler­innen und Mitspieler sind willkommen.

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