Wiederauferstehung: Die „Herbst-Zeitlosen“, next Generation
Sie waren eine Legende. Das Seniorinnentheater „Die Herbst-Zeitlosen“löste sich vor Jahren auf. Jetzt gibt es sie wieder. Und ein alter Bekannter leitet sie.
SAARBRÜCKEN Der Pegel steigt. „Salzwasser in der Tennishalle! Ja, das ist ärgerlich, aber nasse Füße sind noch lang nicht das Ende der Welt.“Zwei Männer in Clubsesseln werfen sich gepflegte Konversations-Bälle zu. Es geht um Evolution, menschliche Hybris und Schicksal. Volkmar Schmoll und Rudolf Hahn mimen zwei Ingenieure, die sich und ihren Portwein durch beiläufige Verlagerung nach oben vor dem zudringlichen Nass retten. Zu wenig plakativ, findet Regisseur Bob Ziegenbalg. „Schwingt euch mal auf die Sessellehnen.“Sagt’s und führt vor, wie man hurtig über Möbel kraxelt. Das also ist Theater für Menschen Ü65. Respekt!
Gut, dass Roman Marceddu als Verantwortlicher der „Akademie für Ältere“bereits wieder in seinem Büro sitzt, als die „Herbst-Zeitlosen“ihre Probe im VHS-Zentrum starten. Der Name dürfte bei älteren Semestern etwas zum Klingen bringen. Ja, es handelt sich um ein Comeback. 2009 war das damals rein weibliche Ensemble 15 Jahre nach seiner Gründung letztmals aufgetreten. Als die VHS des Regionalverbandes mitten in der Pandemie die Theatergruppe wieder ins Programm nahm, erntete das „sofort regen Zuspruch“, strahlt Marceddu. „Einige Damen von damals hätten gern wieder mitgemacht, kommen aber nicht mehr aus dem Haus.“
Ursächlich für den großen Zuspruch dürfte auch der ZiegenbalgDeal sein. Mit dem ehemaligen künstlerischen Leiter des Kinderund Jugendtheaters Überzwerg holte man sich einen so versierten wie bekannten Theaterpädagogen ins Boot. Am Tag des SZ-Besuchs hat der bereits eine Schicht mit 28 Siebtklässlern einer Gemeinschaftsschule hinter sich.
Genau dieser Alters-Kontrast reizt den Ruheständler am Projekt „Herbst-Zeitlose“: „Es ist faszinierend, mit Leuten zusammenzuarbeiten, die einiges an Lebenserfahrung mitbringen.“Als erstes Werk nahm man sich Hans Magnus Enzensbergers „Untergang der Titanic“von 1978 vor. Daraus zeigen die falschen Krokusse ausgewählte Episoden, „Gesänge“genannt. Mit dem Stück verknüpft ihr Regisseur besondere Erinnerungen. 1980 hat er selbst mitgespielt in der legendären „Blauen Maus“.
Zu den wenigen Theater-Frischlingen gehört Christine Speier. Die 65-jährige Lehrerin aus Püttlingen möchte ausprobieren, „in verschiedene Rollen zu schlüpfen“. Und ja, „das macht Spaß“. Den merkt man auch Volkmar Schmoll, 68, an. „Theater spielen hatte ich schon immer vor.“Dass man kein komplettes Stück erarbeitet, überraschte den einstigen Unidozenten zwar etwas. Aber das Szenische sei genauso gut. „Nein, sogar besser“für den Anfang.
Findet Karen Schröder nicht. Die 68-jährige Schreinerin, deren Mutter einst eine Theatergruppe für Kinder, darunter ihre acht Söhne und Karen, leitete, wird die „HerbstZeitlosen“wohl wieder verlassen. Warum? Corona bedingt konnte immer nur mit ein oder zwei Personen geprobt werden. Und auch nicht am Ort der Wahl, bedauert Ziegenbalg. Der Schlosskeller muss nach Sanierungsarbeiten erst noch freigegeben werden.
Rita Beyer kam vor 20 Jahren just durch Ziegenbalg zum Theater. Der leitete eine Fortbildung für Pädagogen. Für die heute 71-Jährige eine nachhaltige Erfahrung, die sie als Laiin unter anderem ans Staatsschauspiel und zur Titania Völklingen führte – und letztlich ihren Gatten, Rudolf Hahn (70), bewog, mitzumischen. Wobei der frühere Leiter des Trierer Bildungszentrums schon immer theateraffin war.
„Blut geleckt“hat Hildegard Dörr, 73, bei der Statisterie am Staatsschauspiel. „Es ist schön, in ein anderes Leben einzutauchen“, sinniert die frühere Postlerin. Ingrid Korb steht seit 22 Jahre aktiv auf der Bühne und ist zudem in klassischem Tanz und Ballett bewandert. An der Realschule Heusweiler leitete die 73-Jährige die Tanz- und Theater AG, deren Erfolg sich bis in die Toscana herumsprach.
Auch Inge Röckelein stammt aus dem Schuldienst. Geweckt wurde die Theaterlust der Ex-Rektorin durch ihre Mutter und deren Dauer-Abo. „Ich finde Theater toll, im Vergleich zum Fernsehen ist es viel authentischer und unmittelbarer. Man kann hinterher nichts rausschneiden oder verändern“. Bliebe noch Doris Lauer-Kiefer, die ihre 68 Lebensjahre schon immer aufs Bunteste genutzt hat: als Heilerzieherin, Bison-Züchterin, im Antiquariat, als Grafikerin – und in der Kleinkunstszene.
Gleich sind die Damen dran. „Und deshalb gehen wir unter“, prosten sich die so eloquenten wie gelenkigen Schiffspassagiere Schmoll und Hahn ein letztes Mal zu. Den „Herbst-Zeitlosen“selbst dürfte das wohl kaum so schnell blühen. „Es werden noch weitere Mitstreiter gesucht“, lässt Roman Maceddu wissen. „Jeder ist herzlich willkommen.“www.vhs-saarbruecken.de/programm/akademie-fuer-aeltere
„Einige Damen von damals hätten gern wieder mitgemacht, kommen aber nicht mehr aus dem Haus.“Roman Marceddu von der „Akademie für Ältere“