Selenskyj will mehr Artillerie im Kampf gegen russische Armee
KIEW/MOSKAU (dpa) Für den zähen Abwehrkampf gegen die russische Armee erwartet der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj deutlich mehr Unterstützung des Westens. „Wir müssen noch viel mehr gemeinsam tun, um diesen Krieg zu gewinnen“, sagte Selenskyj der Zeit in einem am Dienstag veröffentlichten Interview. Insbesondere brauche sein Land mehr moderne Artilleriegeschütze wie etwa Mehrfachraketenwerfer. Zur Unterstützung Deutschlands sagte er, die Waffenlieferungen seien „immer noch geringer, als sie sein könnten“.
Selenskyj sagte auf die Frage, ob er sich von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die klare Formulierung wünsche, die Ukraine müsse den Krieg gewinnen: „Wie auch immer der Wortlaut ist: Jeden Tag sterben Dutzende von Menschen hier in der Ukraine. Jeden Tag. Wie soll ich da ruhig bleiben?“Russlands Präsident Wladimir Putin hasse die Idee eines freien und vereinten Lebens in Europa, und seine Soldaten hielten dagegen. „Also sagt, was ihr wollt und wie ihr es wollt, aber helft uns. Bitte.“
Zuletzt geriet die Ukraine im Zuge heftiger russischer Angriffe im Osten stärker in Bedrängnis. Im Fokus der teils verlustreichen Kämpfe steht weiter die strategisch wichtige Stadt Sjewjerodonezk. Nachdem dort die dritte und damit letzte Brücke über den Fluss Síwerskyj Donez zerstört wurde, wachsen die Sorgen um die in der Stadt verbliebenen Zivilisten. Die Lage rund um das örtliche Chemiewerk Azot sei besonders schwer, sagte der Chef der städtischen Militärverwaltung, Olexander Strjuk, im ukrainischen Fernsehen. Auf dem Werksgelände sollen demnach in Bombenschutzkellern etwa 540 bis 560 Zivilisten ausharren. „Gewisse
Vorräte wurde im Azot-Werk geschaffen“, sagte Strjuk. Zudem leisteten Polizisten und Militärs Hilfe. Das Gelände stehe aber unter ständigem Beschuss, auch die Straßenkämpfe dauerten an. Die Situation in dem Werk erinnert an jene der Hafenstadt Mariupol im Südosten der Ukraine, wo sich im Asovstal-Werk ukrainische Soldaten und Zivilisten verschanzt hatten. Inzwischen ist die Stadt inklusive des Stahlwerks unter russischer Kontrolle.
Russland kündigte für Mittwoch die Einrichtung eines Fluchtkorridors für Zivilisten im Chemiewerk
Azot an. die Flucht über einen humanitären Korridor ermöglichen. Der Fluchtweg soll in nördliche Richtung in die Stadt Swatowe (Swatowo) im Gebiet Luhansk führen, wie der Vertreter des russischen Verteidigungsministeriums, Michail Misinzew, sagte. Der Ort Swatowe liegt in der von prorussischen Separatisten kontrollierten und von Moskau als Staat anerkannten Volksrepublik Luhansk.
Das Schicksal der vom russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine betroffenen Menschen scheint bei den Deutschen eine hohe Spendenbereitschaft auszulösen. Mindestens 812 Millionen Euro wurden seit Beginn des Krieges gesammelt, wie das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) mitteilte. Die Spendenaufkommen dürfte demnach sogar noch höher liegen, da auch viele kleinere Initiativen Geld gesammelt hätten, die bei der Ergebung nicht berücksichtigt worden seien. Dem Institut zufolge ist mit dem Zwischenstand bislang nominal das höchste Spendenaufkommen gesammelt worden, das seit Ende des Zweiten Weltkrieges für eine einzelne Katastrophe gemessen worden sei.