Junge Leute lernen von alten Füchsen
Engagierte Ruheständler geben ihr Wissen und ihre Erfahrung beim ehrenamtlichen Senior Experten Service an Schüler weiter – und betreuen spannende Projekte.
SAARBRÜCKEN Stephen Hawking schaute in „schwarze Löcher“– beruflich und privat. Der britische Astrophysiker erforschte diese Löcher in den Weiten des Weltraums, die eigentlich Sternenfriedhöfe sind. Er musste aber auch privat in ein schwarzes Loch blicken, als bei ihm eine Nervenkrankheit festgestellt wurde, die ihn mit 26 Jahren an den Rollstuhl fesselte. Dieses spannende und berührende Leben eines herausragenden Wissenschaftlers hat einige Schülerinnen und Schüler der Ganztagsgemeinschaftsschule Neunkirchen (GGSNK) aus der Klassenstufe 7 ziemlich imponiert. Sie beschlossen, ein Projekt über das Leben und Wirken von Stephen Hawking an ihrer Schule zu starten.
Betreut werden sie von Martina Wingert. Sie ist eingebunden in den Senior Experten Service (SES). Das ist ein ehrenamtliches Netzwerk von Menschen, die ihr Berufsleben hinter sich haben, ihr Wissen und ihre Erfahrungen aber dennoch weitergeben wollen. Die diplomierte Informatikerin Wingert war 26 Jahre beim Walldorfer Software-Riesen SAP beschäftigt und wechselte vor kurzem in den (Un)ruhestand. Dort suchte sie nach sinnvoller Beschäftigung und wurde beim SES fündig.
Die Mädchen und Jungen, alle im pubertären Alter von 14 Jahren, wollen das Leben und Wirken von Stephen Hawking aus möglichst vielen Perspektiven beleuchten und kommende Woche das Ergebnis ihres gemeinsamen, fast siebenwöchigen Arbeitens präsentieren. „Sie sollten lernen, wie man ein solches Projekt aufsetzt und durchzieht“, sagt Martina Wingert. „Das umfasste die Vorbereitung, Durchführung, Überwachung und den Projekt-Abschluss.“Dazu gehörte auch, dass jemand bestimmt werden musste, der das Sagen hat, der den übrigen Teammitgliedern ihre Rollen, Aufgaben und Arbeitsgebiete zuweist, den Fortschritt des Projekts im Auge hat und darauf achtet, dass der Zeitrahmen eingehalten wird. Auf der Internet-Plattform Online Schule Saarland können die Teilnehmer ihre Dokumente austauschen und ablegen, „sodass alle den gleichen Wissenstand haben“.
Im Rahmen dieses Rasters hatten die jungen Leute viele Freiheiten. „Das Thema Stephen Hawking war ihre Idee, und wie sie die Ergebnisse präsentieren, ist ihnen ebenfalls überlassen – von mir aus als Theaterstück“, sagt Wingert. „Die Hauptsache ist, dass etwas Sinnvolles dabei herauskommt.“Zentrale Anlaufstelle ist das Lernzentrum der GGSNK, ein
Ort in der Gemeinschaftsschule, wo die Schüler der Klassenstufen 5 bis 9 ihren Wissensdrang an den Nachmittagen ausleben können. Betreut wird das Zentrum von Steffi Sandmeier, die ebenfalls in das Hawking-Projekt eingebunden ist.
Im Saarland hat sich das SES-Netzwerk darauf fokussiert, die jungen Leute in den Schulen auf das Berufsleben vorzubereiten. Im Rahmen dieses Programms sind derzeit 30 Senioren an 13 saarländischen Schulen aktiv. Es wird von der Globus-Stiftung gefördert und von Dietrich Garlichs betreut, der beim SES für den Bereich Schulprogramme zuständig ist.
Zu diesen SES-Lotsen gehört auch Michael Maurer. Der Jurist, der in der saarländischen Finanzverwaltung arbeitete, findet Freude daran, jungen Leuten den Weg in die Arbeitswelt zu ebnen. Sein Ort der Tat ist die Max von der Grün-Gemeinschaftsschule in Merchweiler. Das passt gut. Denn in dieser Schule „gehört die Berufsvorbereitung zu den selbst erklärten Kernkompetenzen“, sagt Maurer. „Den richtigen Weg für die Zukunft finden“, heißt es in der Schulbroschüre.
Zunächst geht Maurer mit einem SES-Mitstreiter in die Klassen der Stufen 8 und 9 und erläutert den jungen Leuten, „welche Möglichkeiten es überhaupt gibt – neben den üblichen Schubladen-Berufen für Mädchen, Arzthelferin oder Friseurin, beziehungsweise für Jungs, Kfz-Mechatroniker oder Industriemechaniker“. Anschließend bietet er Sprechstunden an, in denen er die Interessen der Schüler auslotet. „Gemeinsam schauen wir, was geht – oder auch nicht – und welcher Betriebe in Wohnort-Nähe infrage kommen.“Damit die Mädchen und Jungen einen ersten Eindruck bekommen, wie groß die Distanz zwischen Berufswunsch und -wirklichkeit sein kann, vereinbart Maurer mit interessierten Firmeninhabern dreiwöchige Praktika oder einen „Bofri“, einen „Berufsorientierten Freitag“. Maurer sieht sich als Sparringspartner seiner Schützlinge, denen er auch beim Schreiben der Bewerbungen hilft oder dabei, wie sie sich auf der erste Gespräch mit dem künftigen Chef vorbereiten sollten. Lohn der Mühe sollte ein Ausbildungsvertrag sein – wenn es klappt, „ein tolles Gefühl“.
Im Rahmen des Programms sind derzeit 30 Senioren an 13 saarländischen Schulen aktiv.
Interessierte Senioren am SES-Schulprogramm können sich an Dietrich Garlichs (d.garlichs@ses-bonn.de) wenden.