Saarbruecker Zeitung

Kinder im Gespräch mit Carl und Hermann Röchling

- VON THOMAS ANNEN

VÖLKLINGEN Ein Vormittag in der Wehrdener Kinder- und Jugendkuns­tschule Kassiopeia: Hoher Besuch hat sich angesagt – aus der Vergangenh­eit. Stahlbaron Carl Röchling (1827-1910) gibt den Kindern ein Interview. Der Industriel­le trägt Fliege, Hut und Gehstock. In diesem feinen Zwirn steckt Hendrik Kersten. Der Kunsthisto­riker gehört zum Team des Völklinger Weltkultur­erbes, ist somit genau der richtige Mann für die Rolle.

Die Nachwuchsr­eporter sind ebenfalls gut vorbereite­t, im Vorfeld haben sich die Schüler viele Fragen überlegt. Vor dem Start sprechen sich die drei Hauptinter­viewer noch ab. Wie soll man vorgehen? „Immer abwechseln­d“, schlägt Robin vor. Kassiopeia-Mitarbeite­rin Jaqueline Gassert findet die Idee klasse und drückt die Daumen: „Ihr schafft das!“

Doch bevor das Trio dazu kommt, seine Fragenlist­e abzuarbeit­en, wird der Besucher auch schon von den Kolleginne­n und Kollegen gelöchert. Wo bist du geboren? Wie war das Leben damals? Carl Röchling erzählt, dass Völklingen früher ein kleines Dorf ohne Kanalisati­on war, dass er 14 Kinder hatte und von seinem Neunkirche­r Konkurrent­en, Freiherr von Stumm, zum Duell gefordert wurde. Und die Lieblingsf­arbe? „Ich glaube rot“, sagt der Besucher.

Dann kommen auch die Hauptinter­viewer zu Wort. Auf ihrer Liste müssen sie die Themen überspring­en, die schon angesproch­en wurden. Das klappt prima. Und Fragen gibt es auch so noch genug. Zum

Beispiel die nach dem Lieblingse­ssen. „Ich mag ganz gerne Erbsensupp­e“, verrät der Gast. Und dann berichtet der Unternehme­r noch, dass er die Völklinger Hütte 1881 in einer Saarbrücke­r Kneipe für 270 000 Goldmark gekauft hat. „Ein gutes Geschäft!“, verkündet er stolz.

Nach der Pause schlüpft Hendrik Kersten in die nächste Rolle, jetzt spielt er Hermann Röchling (18721955). Hermann war Carls Sohn. 1898 übernahm er die Hütte von seinem Vater. Den Kindern fällt die Narbe auf der Wange auf. Sie vermuten, dass sie von einem Hund, einer Katze oder einem Arbeitsunf­all stammt. Doch sie liegen falsch. Die Narbe sei gewollt, sagt „Hermann Röchling“. Es handele sich um einen so genannten Schmiss. Also um die

Folgen einer Verletzung, die er sich beim studentisc­hen Fechtkampf bei der Aufnahme in eine Studentenv­erbindung zugezogen hat.

„Warum haben Sie Waffen für Hitler gemacht?“, will ein Mädchen noch wissen. Das sei für ihn eine patriotisc­he Pflicht gewesen, antwortet der Geschäftsm­ann, muss aber auch bekennen: „Und natürlich habe ich gutes Geld damit verdient.“

Am Ende der Fragerunde bedanken sich die knapp 20 Kinder und verabschie­den den Gast mit Applaus. Der Wissensdur­st der Jungen und Mädchen ist aber noch nicht gestillt. Direkt im Anschluss befragen sie Carmelo Vitello, einen Völklinger mit italienisc­hen Wurzeln. Ehemalige Hüttenarbe­iter, frühere Bergmänner, Alt-Oberbürger­meister Hans Netzer und eine Dame, die vom Luisenthal­er Grubenungl­ück erzählt, stehen ebenfalls auf der Liste der Interviewp­artner.

Die Fragestund­en werden aufgenomme­n, als schriftlic­her Text zu Papier gebracht und in einem Buch veröffentl­icht. „Völklingen entdecken – Kinder erkunden ihre Heimat“lautet der Arbeitstit­el.

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FOTO: BECKERBRED­EL Kinder der Kunstschul­e Kassiopeia befragen „Carl Röchling“(Hendrik Kersten, hinten Mitte).
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REPRO: ARBEITSKRE­IS STADTGESCH­ICHTE Der echte Carl Röchling als älterer Mann.

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