Kinder im Gespräch mit Carl und Hermann Röchling
VÖLKLINGEN Ein Vormittag in der Wehrdener Kinder- und Jugendkunstschule Kassiopeia: Hoher Besuch hat sich angesagt – aus der Vergangenheit. Stahlbaron Carl Röchling (1827-1910) gibt den Kindern ein Interview. Der Industrielle trägt Fliege, Hut und Gehstock. In diesem feinen Zwirn steckt Hendrik Kersten. Der Kunsthistoriker gehört zum Team des Völklinger Weltkulturerbes, ist somit genau der richtige Mann für die Rolle.
Die Nachwuchsreporter sind ebenfalls gut vorbereitet, im Vorfeld haben sich die Schüler viele Fragen überlegt. Vor dem Start sprechen sich die drei Hauptinterviewer noch ab. Wie soll man vorgehen? „Immer abwechselnd“, schlägt Robin vor. Kassiopeia-Mitarbeiterin Jaqueline Gassert findet die Idee klasse und drückt die Daumen: „Ihr schafft das!“
Doch bevor das Trio dazu kommt, seine Fragenliste abzuarbeiten, wird der Besucher auch schon von den Kolleginnen und Kollegen gelöchert. Wo bist du geboren? Wie war das Leben damals? Carl Röchling erzählt, dass Völklingen früher ein kleines Dorf ohne Kanalisation war, dass er 14 Kinder hatte und von seinem Neunkircher Konkurrenten, Freiherr von Stumm, zum Duell gefordert wurde. Und die Lieblingsfarbe? „Ich glaube rot“, sagt der Besucher.
Dann kommen auch die Hauptinterviewer zu Wort. Auf ihrer Liste müssen sie die Themen überspringen, die schon angesprochen wurden. Das klappt prima. Und Fragen gibt es auch so noch genug. Zum
Beispiel die nach dem Lieblingsessen. „Ich mag ganz gerne Erbsensuppe“, verrät der Gast. Und dann berichtet der Unternehmer noch, dass er die Völklinger Hütte 1881 in einer Saarbrücker Kneipe für 270 000 Goldmark gekauft hat. „Ein gutes Geschäft!“, verkündet er stolz.
Nach der Pause schlüpft Hendrik Kersten in die nächste Rolle, jetzt spielt er Hermann Röchling (18721955). Hermann war Carls Sohn. 1898 übernahm er die Hütte von seinem Vater. Den Kindern fällt die Narbe auf der Wange auf. Sie vermuten, dass sie von einem Hund, einer Katze oder einem Arbeitsunfall stammt. Doch sie liegen falsch. Die Narbe sei gewollt, sagt „Hermann Röchling“. Es handele sich um einen so genannten Schmiss. Also um die
Folgen einer Verletzung, die er sich beim studentischen Fechtkampf bei der Aufnahme in eine Studentenverbindung zugezogen hat.
„Warum haben Sie Waffen für Hitler gemacht?“, will ein Mädchen noch wissen. Das sei für ihn eine patriotische Pflicht gewesen, antwortet der Geschäftsmann, muss aber auch bekennen: „Und natürlich habe ich gutes Geld damit verdient.“
Am Ende der Fragerunde bedanken sich die knapp 20 Kinder und verabschieden den Gast mit Applaus. Der Wissensdurst der Jungen und Mädchen ist aber noch nicht gestillt. Direkt im Anschluss befragen sie Carmelo Vitello, einen Völklinger mit italienischen Wurzeln. Ehemalige Hüttenarbeiter, frühere Bergmänner, Alt-Oberbürgermeister Hans Netzer und eine Dame, die vom Luisenthaler Grubenunglück erzählt, stehen ebenfalls auf der Liste der Interviewpartner.
Die Fragestunden werden aufgenommen, als schriftlicher Text zu Papier gebracht und in einem Buch veröffentlicht. „Völklingen entdecken – Kinder erkunden ihre Heimat“lautet der Arbeitstitel.