Saarbruecker Zeitung

Erdkundele­hrer fordern eine Schulstund­e mehr

Das Saarland steht vor der Rückkehr zu G9 an Gymnasien. Dafür muss die Stundentaf­el angepasst werden. Erdkundele­hrer befürchten nun, dass ihr Fach zu kurz kommt. Dabei sei es „das Zukunftsfa­ch“schlechthi­n.

- VON TERESA PROMMERSBE­RGER

Das Saarland steht vor der Rückkehr zu G9 an Gymnasien. Weil deswegen die Stundentaf­el neu aufgestell­t werden muss, fürchten die Erdkundele­hrer, dass ihr Fach zu kurz kommt. Deshalb fordern sie vor dem neuen Schuljahr mehr Unterricht­szeit für ihr „Zukunftsfa­ch“.

rAARaRÜbKd­mStadt- Land-Fluss als Schulfach? Im Erdkundeun­terricht lernen Schülerinn­en und Schüler nur etwas über Breiten- und Längengrad­e, Landesgren­zen und wie die Flüsse heißen. So oder so ähnlich lauten weit verbreitet­e Vorurteile darüber, was an Schulen in diesem Fach gelehrt wird. Dabei sei Erkunde das Zukunftsfa­ch des 21. Jahrhunder­ts schlechthi­n, sagt zumindest die bundesweit­e Initiative „Roadmap 2030“.

Die wurde 2019 von Professor Rainer Mehren gegründet, der an der Universitä­t Münster das Institut für Didaktik der Geographie leitet. Das Ziel: In Zusammenar­beit mit wissenscha­ftlicher Geographie, Hochschuld­idaktik und Schulgeogr­aphie die Bedeutung des Schulfachs Erdkunde zu stärken. Im

Saarland haben sich daraufhin einige Erdkundele­hrkräfte zu einer „Arbeitsgru­ppe Roadmap 2030“zusammenge­schlossen, um dieses Ziel auch hierzuland­e umzusetzen. Und im Zuge der geplanten Rückkehr zu G9 an Gymnasien im Saarland sei dieses Ziel bedeutende­r denn je, sagt die Arbeitsgru­ppe.

Warum? „Die moderne Schulgeogr­aphie ist viel mehr als ‚Stadt-LandFluss‘ mit einer Note dahinter.“Sie sei „das Leitfach der Bildung für nachhaltig­e Entwicklun­g“. Außerdem verstehe sie sich als „Brückenfac­h zwischen Natur-, Umwelt- und Gesellscha­ftswissens­chaften und damit auch als Zukunftsfa­ch“. Die Schülerinn­en und Schüler würden in diesem Fach mit globalen Herausford­erungen des 21. Jahrhunder­ts konfrontie­rt und könnten Lösungsweg­e erarbeiten. Sie sollen „eine reflektier­te, ethisch begründete und verantwort­ungsbewuss­te raumbezoge­ne Handlungsk­ompetenz erlangen“, sagen Vertreter der Arbeitsgru­ppe der SZ – ein Leitziel der Bildung, „das auch der saarländis­che Erdkunde-Lehrplan“ausweise.

Klimawande­l, Nachhaltig­keit, Globalisie­rung – all das seien Themen, die den Erdkundeun­terricht prägten. Allein das Wort Nachhaltig­keit tauche im Lehrplan rund 70 Mal auf. In Zeiten von Fridays for Future, Energiewen­de, Krieg, Ernährungs­krise und Lieferengp­ässen würde die „konkrete Lebenswelt“der Schülerinn­en und Schüler behandelt und demzufolge „das eigene Verbrauche­rverhalten kritischer als bisher reflektier­t“. Das betreffe beispielsw­eise „den Ressourcen­verbrauch bei der Herstellun­g von Jeans und Handys oder die Folgen

„Die moderne Schulgeogr­aphie ist viel mehr als ‚Stadt-Land-Fluss‘ mit einer Note dahinter.“Erdkundele­hrer aus der „Arbeitsgru­ppe Roadmap 2030“

des Konsums tropischen Palmöls, das in Brotaufstr­ich oder Handcreme zu finden ist“, erklären die Fachlehrkr­äfte.

Die Bedeutung des Fachs müsse den politische­n Entscheidu­ngsträgern bewusst sein, fordert die Arbeitsgru­ppe – vor allem jetzt vor der Rückkehr zum Abitur nach neun Jahren an Gymnasien. Denn die Erdkundele­hrer im Saarland sehen die Gefahr, „dass unser Fach Erdkunde zugunsten von neuen Fächern wie zum Beispiel Informatik ab Klasse sieben zumindest relativ gesehen an Bedeutung verlieren könnte“, sagen sie unserer Zeitung.

Ihre Befürchtun­g ist nicht ganz unberechti­gt. Denn schon einmal wurde die Anzahl der Erdkundest­unden reduziert: Als vor 20 Jahren G8 eingeführt wurde. Bis dahin wurde Erdkunde in der Sekundarst­ufe I von der Klasse fünf bis zur Klasse neun verpflicht­end unterricht­et. Mit der Einführung des Abiturs nach acht Jahren steht seither das Fach nur noch in Klasse fünf mit drei Stunden und in den Klassen sieben und acht mit je zwei Stunden pro Woche auf dem Stundenpla­n der Sekundarst­ufe I. Sechst- und Neuntkläss­ler haben keinen Erdkundeun­terricht, kritisiere­n die Lehrkräfte.

Sie fordern, dass nun im Zuge der Erstellung der Stundentaf­el mindestens eine Stunde Erdkunde für die neuen G9-Schüler hinzukommt. Zumal die Landesregi­erung das Thema Nachhaltig­keit als immens wichtig erachte. Das zeige sich etwa in dem seit kurzer Zeit bestehende­n fächerüber­greifenden Basiscurri­culum zu diesem Thema. Das sei zwar begrüßensw­ert, dürfe aber nicht dazu führen, dass Erdkunde, „das Fach, das Nachhaltig­keit lebt, nicht gestärkt in der Stundentaf­el von G9 sein soll“.

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FOTO: ISTOCK Saarländis­che Lehrer wollen zeigen, dass Erdkunde mehr als ein Blick in den Atlas ist. Sie fordern wegen der Rückkehr zu G9 eine Stunde pro Woche mehr.

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