Debatte um Sommerwelle – Inzidenz im Saarland steigt
BERLIN/SAARBRÜCKEN (dpa/SZ) Nach dem erneuten Anstieg der Corona-Infektionen in Deutschland ist eine Kontroverse um die weitere Vorgehensweise im Sommer entfacht. Während Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) von einer Sommerwelle spricht, halten manche Experten die Corona-Zahlen derzeit nicht für relevant, weil sie nicht vollständig erfasst und damit nicht aussagekräftig seien.
„Wir können uns nicht noch mal einen Herbst leisten, wo wir so vorbereitet sind wie im letzten Herbst“, sagte Lauterbach am Donnerstag bei einer Konferenz in Rostock. Sein Ministerium arbeite an einer neuen Impfkampagne.
Klaus Stöhr, Mitglied im Sachverständigenausschuss zur wissenschaftlichen Beurteilung der staatlichen Corona-Beschränkungen, sieht den gegenwärtigen Anstieg dagegen gelassen und sprach von „irrelevanten Meldeinzidenzen“. Man müsse auf die Entwicklung in den Krankenhäusern achten, und dort sei die Lage „entspannt“.
Auch beim Erhalt der Impfzentren über den Sommer gibt es Differenzen. Für ihren Weiterbetrieb plädierte der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Stefan Schwartze. Der Hausärzteverband sprach sich wegen mangelnder Auslastung der Zentren dagegen aus.
Bundesweit stieg die Corona-Inzidenz am Donnerstag laut RKI auf 480,0 ( Vorwoche: 276,9). Im Saarland stieg sie auf 620,1 ( Vortag: 555,8).
Auch der Homburger Virologe Dr. Jürgen Rissland hatte zuletzt davor gewarnt, die Pandemie auf die leichte Schulter zu nehmen. „Der Infektionsdruck ist nach wie vor hoch“, sagte er der SZ. Gründe seien etwa die ansteckendere Omikron-Subvariante BA.5 und die „weniger konsequente“Einhaltung der Vorsichtsmaßnahmen. Eine Absage von Großveranstaltungen hielt Rissland aber derzeit für nicht nötig.
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Heute vor einem Jahr war die Inzidenz in Deutschland auf 13 neue Fälle je 100 000 Einwohner gesunken, heute vor zwei Jahren sogar auf 2,6. Und nun? Steigt die Kurve gerade Richtung 500. Die Spanier sind auch schon wieder bei 170, die Griechen bei 290, die Portugiesen sogar über 1300. Die Sommerwelle rollt.
Und sie trifft auf eine europäische Gesellschaft, die darauf nicht im mindesten vorbereitet ist, in der auch der politisch gesetzte Rahmen von der Erwartung getragen wird, dass man es in den warmen Monaten mit erwartet niedrigen Corona-Gefahren ruhig mal schleifen lassen kann. Sommer, Sonne und trotzdem Corona – das sollte neben der Inzidenzentwicklung auch eine Lernkurve bewirken. Gesellschaft und Politik müssen sich von der Vorstellung verabschieden, dass die Pandemie mit Augen zu und durch auf absehbare Zeit überwunden werden kann. Alles deutet darauf hin, dass die Welt es noch viele Jahre mit dieser und anderen Pandemien zu tun haben wird.