Saarbruecker Zeitung

Frankreich­s Angst vor dem Hitzesomme­r

- VON CHRISTINE LONGIN

oARhr Marc Hay ist ein eher unscheinba­rer Mann, der beim Fernsehsen­der BFM das Wetter ansagt. Die Zuschauer konzentrie­ren sich normalerwe­ise eher auf die Karte hinter ihm als auf den Journalist­en davor. Doch das änderte sich diese Woche, als Hay in ungewöhnli­ch drastische­n Worten die Hitzewelle beschrieb, die das Land gerade überrollt. „Frankreich wird drei Tage lang verbrennen“, prognostiz­ierte Hay. Am Samstag werden im westfranzö­sischen Nantes, das normalerwe­ise nicht für hohe Temperatur­en bekannt ist, 40 Grad erwartet. In Paris soll das Thermomete­r auf 38 Grad steigen. „40 Grad sind Sommertemp­eraturen in Dubai oder Oman, aber das ist überhaupt nicht normal für Frankreich“, kommentier­te Hay die höchsten Werte, die je registrier­t wurden.

Die Hitzewelle erinnert viele Franzosen an das Jahr 2003, als Anfang August 15 Prozent der Wetterstat­ionen tagelang Temperatur­en über 40 Grad meldeten. Die Folge: Die Notaufnahm­en waren mit der Behandlung vor allem alter Menschen überlastet. In den Abendnachr­ichten kritisiert­e der Notarzt Patrick Pelloux die schlechte Vorbereitu­ng der Krankenhäu­ser. „Wir haben Patienten, die nicht hätten sterben müssen“, sagte Mediziner, der damals wegen seiner klaren Worte landesweit berühmt wurde. Fast 20 Jahre später hat sich die Lage deutlich gebessert, doch Pelloux warnt erneut. Inzwischen werde zwar frühzeitig darüber informiert, was im Fall hoher Temperatur­en zu tun sei. Dennoch bleibe die Situation in den Notaufnahm­en schwierig. „Es herrscht eine echte Krise in den Krankenhäu­sern und niemand unternimmt etwas“, kritisiert­e Pelloux im Fernsehen.

Die Regierung nimmt die Hitzewelle durchaus ernst. Premiermin­isterin Elisabeth Borne versammelt­e am Dienstag die Leiter der Gesundheit­sbehörden und die Präfekten, um die Vorbereitu­ngen auf die „Canicule“abzufragen. Damit zeigte die 61-Jährige mehr Präsenz als der konservati­ve Premiermin­ister Jean-Pierre Raffarin, der zusammen mit seiner Regierung im August 2003 Urlaub machte. Der damalige Gesundheit­sminister Jean-Francois Mattei gab im Garten seines Urlaubsdom­izils in Südfrankre­ich ein Fernsehint­erview, das ein fatales Bild vermittelt­e.

„Während die einen langsam bräunen, sterben die anderen in ihren Krankenhau­sbetten“, kommentier­te eine Zeitung den Auftritt des bekannten Mediziners, der wenige Tage später zurücktret­en musste.

Seit der Katastroph­e gilt in Frankreich ein Hitzeplan, der vier Alarmstufe­n umfasst. Am Mittwoch erreichten bereits 25 Départemen­ts das zweithöchs­te Niveau orange und am Donnerstag stufte Borne zwölf weitere Départemen­ts auf die Alarmstufe rot hoch. Regierungs­sprecherin Olivia Grégoire kündigte zudem einen Fonds über 500 Millionen Euro an, um die Innenstädt­e zu begrünen.

In den Urlaubsreg­ionen im Süden ist die Feuerwehr bereits jetzt im Dauereinsa­tz, da der Boden schon vor der Sommersais­on ausgetrock­net ist. Anfang der Woche verwüstete­n Flammen mehr als 60 Bungalows auf einem der größten Campingplä­tze Europas in der Nähe des beliebten Badeorts La Grande Motte.

Auch Spanien stöhnt derzeit unter der Extremhitz­e. Für die Millionenm­etropole Madrid warnte der nationale Wetterdien­st Aemet vor 39 bis 40 Grad, in Saragossa könnten es am Samstag sogar 45 Grad werden. In Italien wurden 125 Gemeinden in den Regionen Piemont und Lombardei aufgeforde­rt, nachts die Trinkwasse­rversorgun­g an die Haushalte einzustell­en oder zu drosseln.

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FOTO: EDME/DPA Menschen kühlen sich unter einer Dusche am Strand von Biarritz im Südwesten Frankreich­s ab.

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