Frankreichs Angst vor dem Hitzesommer
oARhr Marc Hay ist ein eher unscheinbarer Mann, der beim Fernsehsender BFM das Wetter ansagt. Die Zuschauer konzentrieren sich normalerweise eher auf die Karte hinter ihm als auf den Journalisten davor. Doch das änderte sich diese Woche, als Hay in ungewöhnlich drastischen Worten die Hitzewelle beschrieb, die das Land gerade überrollt. „Frankreich wird drei Tage lang verbrennen“, prognostizierte Hay. Am Samstag werden im westfranzösischen Nantes, das normalerweise nicht für hohe Temperaturen bekannt ist, 40 Grad erwartet. In Paris soll das Thermometer auf 38 Grad steigen. „40 Grad sind Sommertemperaturen in Dubai oder Oman, aber das ist überhaupt nicht normal für Frankreich“, kommentierte Hay die höchsten Werte, die je registriert wurden.
Die Hitzewelle erinnert viele Franzosen an das Jahr 2003, als Anfang August 15 Prozent der Wetterstationen tagelang Temperaturen über 40 Grad meldeten. Die Folge: Die Notaufnahmen waren mit der Behandlung vor allem alter Menschen überlastet. In den Abendnachrichten kritisierte der Notarzt Patrick Pelloux die schlechte Vorbereitung der Krankenhäuser. „Wir haben Patienten, die nicht hätten sterben müssen“, sagte Mediziner, der damals wegen seiner klaren Worte landesweit berühmt wurde. Fast 20 Jahre später hat sich die Lage deutlich gebessert, doch Pelloux warnt erneut. Inzwischen werde zwar frühzeitig darüber informiert, was im Fall hoher Temperaturen zu tun sei. Dennoch bleibe die Situation in den Notaufnahmen schwierig. „Es herrscht eine echte Krise in den Krankenhäusern und niemand unternimmt etwas“, kritisierte Pelloux im Fernsehen.
Die Regierung nimmt die Hitzewelle durchaus ernst. Premierministerin Elisabeth Borne versammelte am Dienstag die Leiter der Gesundheitsbehörden und die Präfekten, um die Vorbereitungen auf die „Canicule“abzufragen. Damit zeigte die 61-Jährige mehr Präsenz als der konservative Premierminister Jean-Pierre Raffarin, der zusammen mit seiner Regierung im August 2003 Urlaub machte. Der damalige Gesundheitsminister Jean-Francois Mattei gab im Garten seines Urlaubsdomizils in Südfrankreich ein Fernsehinterview, das ein fatales Bild vermittelte.
„Während die einen langsam bräunen, sterben die anderen in ihren Krankenhausbetten“, kommentierte eine Zeitung den Auftritt des bekannten Mediziners, der wenige Tage später zurücktreten musste.
Seit der Katastrophe gilt in Frankreich ein Hitzeplan, der vier Alarmstufen umfasst. Am Mittwoch erreichten bereits 25 Départements das zweithöchste Niveau orange und am Donnerstag stufte Borne zwölf weitere Départements auf die Alarmstufe rot hoch. Regierungssprecherin Olivia Grégoire kündigte zudem einen Fonds über 500 Millionen Euro an, um die Innenstädte zu begrünen.
In den Urlaubsregionen im Süden ist die Feuerwehr bereits jetzt im Dauereinsatz, da der Boden schon vor der Sommersaison ausgetrocknet ist. Anfang der Woche verwüsteten Flammen mehr als 60 Bungalows auf einem der größten Campingplätze Europas in der Nähe des beliebten Badeorts La Grande Motte.
Auch Spanien stöhnt derzeit unter der Extremhitze. Für die Millionenmetropole Madrid warnte der nationale Wetterdienst Aemet vor 39 bis 40 Grad, in Saragossa könnten es am Samstag sogar 45 Grad werden. In Italien wurden 125 Gemeinden in den Regionen Piemont und Lombardei aufgefordert, nachts die Trinkwasserversorgung an die Haushalte einzustellen oder zu drosseln.