Nicht jeder Protest dient der Natur
In Garding, Schleswig-Holstein, gibt es ein kleines Neubaugebiet für 85 Wohnungen. Früher war die Fläche eine nasse Weide, eine „Fenne“. Derzeit finden dort die Erschließungsarbeiten statt. Ringsherum sieht man Transparente, Relikte eines verlorenen Protestes: „Lieber Natur pur als angeschmiert und zubetoniert“steht darauf.
Und: „Einmal versiegelt – für immer vernichtet“. Hier kämpft die Bürgerinitiative „Freie Fenne“für die Umwelt. Allerdings hängen die Transparente vor Einfamilienhäusern, auch vor einem besonders großen mit Doppelgarage und drei Autos auf dem komplett versiegelten Hof. Die Fenne liegt nämlich keineswegs in einem Naturschutzgebiet, sondern ist eine Freifläche mitten in einer vorhandenen Siedlung. Ganz offensichtlich geht es hier auch um die freie Sicht und den Wert der eigenen Immobilie. Garding ist überall. „Nein zur Stromtrasse“, „Umgehungsstraße nein danke“, „Kein Schweine-KZ“. Landauf, landab sieht man solche Protestschilder. Aber würden die Gegner der neuen Umgehungsstrecke selbst an jenen Straßen wohnen wollen, durch die sie täglich fahren? Oder wären sie bereit, öfter mal die Bahn zu nehmen oder gar das Fahrrad? Haben die Blockierer von Stromtrassen einen Vorschlag, wo die Leitungen hin sollen, die Windstrom von Nord- nach Süddeutschland transportieren müssen? Oder würden sie lieber Kohle- und Atomkraftwerke vor ihrer Haustür haben wollen? Verzichten die Kritiker der Schweinemastanlagen wenigstens gelegentlich mal auf Fleisch?
Oft werden Planungen besser, wenn die Verantwortlichen auf Widerstand stoßen und noch einmal nachdenken müssen. Protest ist also richtig und sowieso legitim. Aber er ist bigott, wenn sein heimliches Motto lautet: „Heiliger Sankt Florian, verschon mein Haus, zünd‘ andere an.“Jetzt will die AmpelKoalition ein Gesetz durchsetzen, wonach künftig zwei Prozent der Landesfläche für Windkraft zur Verfügung stehen sollen. Eine Vervierfachung gegenüber heute. Alle wollen sauberen Strom, alle wollen weg von russischer Energie. Aber dafür müssen in manchen Regionen wohl Abstandsregelungen aufgehoben werden. Es wird bald sehr viele Gardings geben in Deutschland.