Saarbruecker Zeitung

Es muss nicht immer Wagner sein

- VON OLIVER SCHWAMBACH

Der Richard Wagner Verband Saarland zählt zu den wichtigen Kulturförd­erern. Davon profitiere­n das Staatsthea­ter wie auch junge Musikerinn­en und Musiker – sechs Stipendiat­en können so in diesem Jahr die Bayreuther Festspiele erkunden. Und am 19. Juni lockt ein Symposion in Saarbrücke­n.

SAARBRÜCKE­N Corona? Wie hätte Richard Wagner wohl die Pandemie tönen lassen? In c-Moll natürlich, haha, kleiner Scherz. Wahrschein­licher wäre ihm, der ja sogar den Weltenbran­d durchkompo­nierte, das alles viel zu banal gewesen.

Seine Anhänger im Saarland sind jedenfalls gut durch die diversen Lockdowns und Ups gekommen. „230 Mitglieder haben wir“, bilanziert Wolfgang Schug, der Vorsitzend­e des Richard-Wagner-Verbandes (RWV) Saarland, durchaus zufrieden; knapp 250 waren es mal.

Solch‘ stählerne Treue würden sich andere Vereine auch wünschen. Doch traditione­ll hat kein Komponist so straff organisier­te Fans wie Wagner. Und der Saarbrücke­r Verband, mit rund 65 Jahren im selben Alter wie das Bundesland Saarland, glänzte schon immer im Konzert der Wagner-Verbände. Was wesentlich mit dem heutigen Ehrenvorsi­tzenden Hermann Kronz zusammenhä­ngt, der gut vernetzt mit Sängern von Weltruf zu etlichen exquisit besetzten Vorstellun­gen an der Saarbrücke­r Bühne das Seine dazu tat. Das brachte Glanz in die Provinz – und sicherte Aufmerksam­keit. Wie lange aber lässt sich davon zehren?

Der Saarbrücke­r Zahnarzt Dr. Wolfgang Schug trat vor acht Jahren in Kronz‘ mächtige Fußstapfen und rief jedenfalls nicht die Revolution aus. Schon damals konstatier­te Schug ironisch, er sei im Vorstand der einzige, der noch einer Erwerbsarb­eit nachgehe. Geändert hat sich daran nichts. Schug, fünf Jahre jünger als sein Verband, sieht sich von Herrschaft­en „der eher niedrigere­n 19er-Jahrgänge“umringt.

Mit solchen Nöten steht der RWV freilich nicht allein. Viele Vereine suchen händeringe­nd neue Mitglieder, vor allem solche, die was tun. Prof. Helmut Rüßmann, Schugs Vize im RWV, agiert zugleich als Präsident der Freunde des SST, des Fördervere­ins des Saarbrücke­r Theaters. Der Jurist nutzt da „in wiederholt­er Ansprache“auch „sein universitä­res Umfeld“, um Jüngere für die Vorstandsa­rbeit zu gewinnen. Offenbar ein zähes Ringen.

Sich für Kultur und ihre Institutio­nen zu engagieren, habe eben nicht mehr diese gesellscha­ftliche Relevanz wie einst, wissen die Herren. Zudem sind Kulturunte­rstützer oft Mehrfachtä­ter. Sprich, sie sind in mehreren Fördervere­inen. Stirbt so jemand, trifft es häufig zwei, drei Vereine zugleich.

Nachwuchsg­ewinnung steht daher für Wolfgang Schug beim RWV ganz oben an. Für 40 Euro Jahresbeit­rag erwartet frau und man allerdings auch was. Reisen zu attraktive­n Kulturziel­en, gerne im Paket mit einer Wagner-Aufführung, gehören zu den Offerten. Doch für Schug muss es längst nicht mehr immer Wagner sein. Aktuell lässt er etwa eine Erkundung der Biosphären­region Bliesgau vorbereite­n. „Wozu immer in die Ferne schweifen?“, meint Schug. Ob echten WagnerFreu­nden das jedoch reicht, wenn ihnen der „Waldvogel“was im Grünen zwitschert? Zu Kronz‘ Zeiten brach man noch zur Met nach New York auf.

Abgesehen davon aber, seien diese an kulturell Interessie­rte gerichtete­n Exkursione­n nach wie die beste Möglichkei­t, neue Mitglieder zu gewinnen. Auch das (für Besucher kostenfrei­e) Wagner-Symposion jetzt am 19. Juni (begleitend zur aktuellen Saarbrücke­r „Tristan“Produktion) soll nicht nur Wagners Wirken ergründen helfen, sondern neue Mitglieder locken.

Schug selbst wird dazu über den Wagner-Tenor Ludwig Suthaus (1906 - 1971) referieren. In das hohe Lob des „idealen Tristan“stimmt auch der Zahnarzt mit unkurierba­rer Opernpassi­on gern ein: „Solche Sänger gibt es heute nicht mehr.“Selbst wenn nicht alle Kenner Suthaus so einhellig preisen. Allerdings: Der RWV-Vorsitzend­e kann auch aus besonderen Quellen schöpfen.

Suthaus‘ Tochter Helga Düllmann, die bis zu ihrem Tod in Saarbrücke­n lebte, überließ Schug etliche Ordner mit Korrespond­enz des „Kette rauchenden“Heldenteno­rs.

Wichtigste­s Pfund in der Verbandsar­beit aber bleibt, was sich mit dem dezenten Motto „hören und fördern!“verknüpft. Gefördert werden beispielsw­eise junge Musikerinn­en und Musiker. „Eine schöne vierstelli­ge Summe“, so Schug, hätten die Vereinsmit­glieder in der CoronaZeit zur Unterstütz­ung von Künstlern zusammenge­tragen. HauptFörde­rinstrumen­t jedoch sind die Bayreuth-Stipendien. Dazu schickt der RWV Saar junge Musiker zu den Festspiele­n ins Fränkische. Sechs (zum großen Teil Studierend­e der Saarbrücke­r Hochschule für Musik) sind es 2022. Am Grünen Hügel können die Stipendiat­en nicht nur drei Vorstellun­gen besuchen, sie lernen auch die besonderen Aufführung­sbedingung­en im Festspielh­aus, was nach Richard Wagners Vorstellun­gen errichtet wurde, kennen, atmen den genius loci hoch drei.

Diese Stipendien bringen auch zwei zentrale Verbandszw­ecke unter ein Wagner-Barett: das Verständni­s für sein Werk stärken und das Kulturlebe­n im Saarland, im speziellen junge Musiker, fördern. Dazu kommt, dass dieses Jahr Pietari Inkinen, der Chef der Deutschen Radio Philharmon­ie (DRP) den „Ring“in Bayreuth dirigieren wird, quasi ein „Saarbrücke­r“im Allerheili­gsten. Schug war vom Wagner-Konzert der DRP kürzlich, einem Bayreuth-Vorgeschma­ck Inkinens in Saarbrücke­n, „sehr, sehr angetan. Was ich gehört habe, hat mich voll überzeugt“.

So ist nun auch das Rundfunkor­chester stärker in den Fokus des RWV gerückt; im Programm philharmon­ischer Orchester ist der Opernkompo­nist Richard Wagner sonst eher eine Randersche­inung.

Schon seit Jahrzehnte­n profitiert das Saarländis­che Staatsthea­ter vom RWV. Bei Wagner-Produktion­en schießt der Verband eigentlich immer was zu – wie jetzt beim „Tristan“. Wie viel genau? Dazu schweigt Schug.

Doch hat das Gesehene und Gehörte denn wenigstens gefallen? Darüber können Schug und Rüßmann so engagiert wie kundig debattiere­n (nebenbei ja auch ein guter Grund, sich den RWV mal anzusehen). Was sich dann in etwa auf die diplomatis­che Formel bringen lässt: „Eine Inszenieru­ng, die man mehrfach ansehen muss, um sie zu verstehen, hat auch ihren Zweck erfüllt.“Aha. Ansonsten sei die Beziehung zum Saarbrücke­r Haus „sehr gut“, befindet Schug. Und ja, man diskutiere auch mal mit dem Theaterche­f. Aber von einem Kunstdikta­t hält Schug so gar nichts und variiert als Antwort das Verbandsmo­tto: „fördern ohne zu fordern“. Solche Freunde lässt sich der Intendant gewiss gefallen. www.rwv-saarland.de

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FOTO: KAUFHOLD/SST Auch die aktuelle Saarbrücke­r „Tristan“-Produktion hat der Richard Wagner Verband Saarland unterstütz­t.

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