Keine Termine für Einbürgerungswillige
Einbürgerungswillige bekommen im Saarbrücker Bürgeramt für 2022 und 2023 derzeit keine Termine. Das hat Folgen für die Betroffenen.
SAARBRÜCKEN Rita Amman und ihr Ehemann Mahmoud Amman (Namen von der Redaktion geändert) sind verzweifelt. Das Ehepaar hat vor zwei Jahren in Saarbrücken geheiratet und dennoch können sie sich in der Landeshauptstadt nicht heimisch fühlen. Denn Ehemann Mahmoud, der 2015 als Palästinenser aus dem umkämpften Gaza-Streifen geflohen ist, will deutscher Staatsbürger werden, mit allen Pflichten und Rechten, die dazugehören. Er macht gerade eine Umschulung als IT-Fachmann und will auch seine beruflichen Aussichten mit der Einbürgerung verbessern.
Doch das Saarbrücker Bürgeramt stoppt das Ehepaar in den Zukunftsplänen. „Total unzufriedenstellend ist das“, sagt Rita Amman der SZ. Damit meint die Saarbrücker Sozialarbeiterin das, was auf der Internetseite des Bürgeramts unter der Rubrik Einbürgerungen zu lesen ist: „Alle Termine für 2022 belegt“, heißt es da in Großbuchstaben. Und weiter: „Alle verfügbaren Termine für Beratungs- und Antragsgespräche für Einbürgerungen im Jahr 2022 sind bereits vergeben. Für 2023 können noch keine Termine vereinbart werden. Sobald durch personelle und organisatorische Maßnahmen wieder Terminkapazitäten verfügbar sind, informieren wir an dieser Stelle. Bitte sehen sie derzeit von Terminanfragen – sei es telefonisch oder per E-Mail – ab, da dies zusätzlich personelle Kapazitäten bindet. Telefonische Anfragen in anderen Angelegenheiten betreffend Einbürgerungen sind weiterhin nur zwischen 8 und 9 Uhr möglich.“
Diese Worte sprechen eine deutliche Sprache, meint Rita Amman. Von einer Willkommenskultur sei das weit entfernt. Immerhin hat das Ehepaar im September einen Termin in der Bürgersprechstunde des Oberbürgermeisters Uwe Conradt (CDU) ergattern können. „Doch das Gespräch ersetzt einen Termin beim Bürgeramt für die Einbürgerung leider nicht“, beklagt Rita Amman.
Bereits zu Jahresanfang hatte die SZ von den Problemen berichtet, die das Saar-Innenministerium unter der Leitung des damaligen Innenministers Klaus Bouillon ( CDU) einbürgerungswilligen Syrerinnen und Syrern bereitete. Sehr viele von diesen wurden zur Feststellung der Identität in die Botschaft des Diktators Assad nach Berlin geschickt, wo sie mehrere hundert Euro für Pässe zahlen müssen. Jenes Assad, vor dem die meisten der mehr als 29 000 Syrerinnen und Syrer im Saarland 2015 geflohen waren. Es gab eine Demonstration gegen die Politik Bouillons vor dessen Ministerium in Saarbrücken, geändert hatte Bouillon seine Linie nicht. Inzwischen hat das Innenministerium unter der neuen Leitung von Reinhold Jost (SPD) Einbürgerungsanträge von Geflüchteten vereinfacht. So verhindere ein abgelaufener Pass nun nicht mehr zwangsläufig die Einbürgerung. Stattdessen sollen auch andere Dokumente – wie etwa ein Personalausweis, ein Führerschein, die Geburtsurkunde oder sogar Schulzeugnisse – berücksichtigt werden, wie am Mittwoch bekannt wurde.
Im Saarbrücker Rathaus bestehen dagegen weiter Hürden für Einwanderungswillige. Auf die SZ-Frage, warum es für das ganze Jahr 2022 und auch für 2023 keine Termine bei Antragsgesprächen für Einbürgerungen im Rathaus gebe, sagte Stadtpressesprecher Thomas Blug: „Die Zahl der Anträge und Verfahren im Bereich Einbürgerungen steigt seit 2021 rasant an und hat sich inzwischen mehr als verdoppelt. 2020 407 Anträge, 2021 623 Anträge und in 2022 Anfang Juni bereits über 400 Anträge, wir rechnen in diesem Jahr mit 1000 und mehr Anträgen.“
Die Anzahl der Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit sei in Saarbrücken in den zurückliegenden Jahren stark gestiegen.
Ende 2021 waren es 8000 mehr als noch 2015. Inzwischen hat mehr als ein Drittel der Saarbrücker Wurzeln im Ausland, hauptsächlich Syrer, aber auch Menschen anderer Nationalitäten, strebten die deutsche Staatsangehörigkeit an, so Blug. 2013 lebten demnach 213 syrische Staatsangehörige in Saarbrücken, Stand Ende 2021 8636 Personen. Geflüchtete könnten bereits nach sechs Jahren einen Einbürgerungsantrag stellen. „Um dieser hohen Nachfrage künftig besser gerecht werden zu können, muss und wird daher das Personal in der zuständigen Abteilung des Bürgeramtes aufgestockt“, versicherte der Sprecher des Oberbürgermeisters. Den Aufgabenbereich Einbürgerungen, in dem auch Namensänderungen und Staatsangehörigkeitsangelegenheiten bearbeitet würden, habe man um anderthalb Stellen verstärkt, betonte Blug.
Darüber hinaus werde ab Juli eine weitere zusätzliche Stelle zur Aufgabenbewältigung besetzt. „Sobald die Kollegen in ihr Aufgabengebiet eingearbeitet sind, werden wir auch perspektivisch wieder neue Termine vergeben können, voraussichtlich noch im dritten Quartal“, so die noch vage Voraussicht des Stadtsprechers. „Ausgesprochen problematisch war, dass 2021 in einer Phase steigender Antragszahlen durch personelle Veränderungen und damit verbundene temporäre Vakanzen massive Engpässe entstanden sind. 2021 hatten beide Mitarbeiter, die in dem Aufgabengebiet tätig waren, das Bürgeramt verlassen. Die Nachpersonalisierung hat sich als schwierig herausgestellt, die Bewerberlage war dünn“, räumt Blug ein. Daraufhin sei das Anforderungsprofil an die Bewerber geändert und offener gestaltet worden, um mehr potenzielle Kandidaten für die Jobs im Bürgeramt ansprechen zu können. „Dadurch konnten wir tatsächlich auch weitere Bewerber gewinnen und die Stellen besetzen“, betonte Blug.
Auf die Frage, wie viele Einbürgerungswillige derzeit auf einen Termin für ein Antragsgespräch bei der Stadtverwaltung warten müssen, sagte der Rathaussprecher: „Mehr als 500. Für das zweite Halbjahr 2022 haben wir bereits etwa 1000 Termine für Beratungs- und Antragsgespräche vereinbart.“
Für Rita und Mahmoud Amman gibt es noch keinen Termin. „Ich kann ja nicht jeden Tag auf die Homepage der Stadt gucken“, meint Rita Amman. Bis heute sei für das Ehepaar keine Terminvereinbarung möglich. „Warum sind nicht 2015, als die vielen Flüchtlinge kamen, die Weichen in den Ämtern für die Zeit nach 2021/22 für Einbürgerungen gestellt worden“, will die Saarbrückerin wissen. Rathaussprecher Blug sagt: „Wir arbeiten an einem Online-Dienst, über den es den Einbürgerungswilligen ermöglicht werden soll, vorab notwendige Unterlagen digital an das Bürgeramt zu senden. Sobald die Unterlagen übermittelt wurden, wird im Bürgeramt in jedem Einzelfall geprüft, ob alles vollständig ist oder ob zusätzliche Dokumente erforderlich sind. Auf den ansonsten notwendigen Beratungstermin kann man dann im besten Fall verzichten und direkt den Antragstermin vereinbaren.“Aber das ist bisher Zukunftsmusik.
Die Möglichkeit, im Rahmen der viel gelobten Interkommunalen Zusammenarbeit im Saarland die Ressourcen anderer Kommunen zugunsten einer schnelleren Hilfe für die Einbürgerungsantragsteller zu nutzen, schließt Blug aus. „Nach unserem Wissen ist die Anzahl der Anträge in allen Landkreisen gestiegen. Wir versuchen das Problem mit eigenen Maßnahmen zu lösen.“Zu einer direkten Antragstellung auf Einbürgerung beim jetzt von SPDInnenminister Reinhold Jost geleiteten Ministerium erklärte Conradts Sprecher: „Es ist gesetzlich geregelt, dass im Saarland die Beratung und die Antragsannahme bei Einbürgerungen bei den Landkreisen und bei der Landeshauptstadt durchgeführt werden. Welche Möglichkeiten das Innenministerium selbst sieht, die Kommunen zu unterstützen, ist dort zu erfragen.“
Die Stadtverwaltung und der Rat der Landeshauptstadt hatten im vergangenen Jahr die Verlegung der Ausländerbehörde aus Saarbrücken nach Lebach beklagt, wodurch in Saarbrücken lebende Ausländer gezwungen werden, für Behördengänge weite Wege in Kauf zu nehmen. Stadtverwaltung und Stadtrat forderten vom damaligen Innenminister Bouillon eine Revidierung der Verlegung. Wie passt das mit den bürokratischen Hürden zusammen, die die Stadt Saarbrücken nun einbürgerungswilligen Ausländern selbst in den Weg stellt? Dazu Blug: „In die Landeshauptstadt gehört eine Ausländerbehörde. Ein Zusammenhang zwischen dieser Forderung und dem Personalengpass bei uns im Aufgabenbereich der Einbürgerungen gibt es nicht. Wir haben ein Interesse an schnellen Einbürgerungen und arbeiten an Gegenmaßnahmen.“