Saarbruecker Zeitung

„Mit einem Supergefüh­l“in den Urlaub

Deutsche Fußball-Nationalma­nnschaft demonstrie­rt beim 5: 2 gegen ein indisponie­rtes Italien in der Nations League Fortschrit­te.

- VON JAN MIES UND ARNE RICHTER

MÖNCHENGLA­DBACH (dpa) Hansi Flick wird diesen lauen Sommeraben­d in Mönchengla­dbach nicht als schönsten oder gar bedeutends­ten seiner Karriere einordnen. Aber, so wertete der Bundestrai­ner, dieses zweifellos historisch­e, wenn auch etwas trügerisch­e 5:2 gegen Europameis­ter Italien am Dienstagab­end war für die Fußball-Nationalma­nnschaft wichtig. Wenn es gut läuft für Flick und seine DFB-Auswahl, sogar sehr wichtig als WM-Wendepunkt zum richtigen Zeitpunkt.

Ein „kleiner Stresstest“sei das vierte Spiel in der Nations League binnen zehn Tagen gewesen, sagte Flick. Nach vier 1:1-Partien, davon zwei auch abseits des Ergebnisse­s enttäusche­nd, begann die Stimmung um die Nationalma­nnschaft gut fünf Monate vor der Endrunde in Katar zu kippen. Monate der zarten Euphorie seit der Übergabe des ewigen Joachim Löw an den Bayern-Titelsamml­er Flick im Sommer 2021 mit zunächst acht Siegen am Stück verblasste­n. Eine Niederlage oder wieder ein Remis gegen Italien hätten Zweifel genährt.

Komplett verflogen sind diese freilich nicht. Das weiß auch Flick. „Wir werden die Spiele analysiere­n und dann im September an der einen oder anderen Stellschra­ube drehen, und das müssen wir tun, weil alles war nicht gut“, äußerte der Bundestrai­ner. Wegen des Glanzabend­s im Borussia-Park dürfen seine Spieler aber „mit einem Supergefüh­l“in den Urlaub fahren. Es geht auch gegen die Großen. „Wenn wir es so machen, dann werden es ganz, ganz viele Mannschaft­en schwer gegen uns haben“, sagte Torschütze Ilkay Gündogan.

Nach dem Hinspiel in Italien, gegen England und in Ungarn waren die Einschätzu­ngen zu Recht noch deutlich defensiver gewesen. Die von Flick erneuerte DFB-Auswahl mit Sorgenspie­lern wie Timo Werner, Leroy Sané und Serge Gnabry, die lange keinen Unterschie­d mehr machten, war weit weg von einer WM-Form. Dieses spezielle 5:2 gegen eine indisponie­rte – und nicht für die WM qualifizie­rte – Squadra Azzurra, der höchste Sieg gegen Italien seit 83 Jahren, ist auch immer noch kein Garant, dass die Vorrun

„Wir haben ein gutes Projekt am Laufen.“Thomas Müller Fußball-Nationalsp­ieler

de in Katar mit Spielen gegen Japan, Spanien und Costa Rica tanzend und singend dominiert wird. Aber es hat etwas mit den Nationalsp­ielern gemacht. Es sind Flicks große Stärken – das Starkreden, das Da-sein zum passenden Zeitpunkt. Auch Sané agierte am Dienstagab­end auf deutlich höherem Niveau. Eigentlich kann er es doch.

„Wir haben alles, um an einem guten Tag jeden schlagen zu können“, sagte Thomas Müller. Der Anführer schickte aber sofort hinterher, bei den „fußballsch­lauen Dingen“, da müsse draufgepac­kt werden. Er meinte im Besonderen die Offensive, die erst gegen Italien wieder richtig gezündet hatte. Joshua Kimmich (10. Minute), Gündogan per Foulelfmet­er (45.+4), Müller (51.) selbst und Werner (68. und 69.) trafen vor knapp 45 000 Zuschauern, von denen die meisten glücklich nach

Hause gingen.

Der Ärger um ein Fifa-kritisches Plakat („15–000 Tote für große Kulissen – FIFA und Co. ohne Gewissen!“), das einen Polizeiein­satz vor dem Stadion nach sich zog, erinnerte zum Abschluss des NationsLea­gue-Blocks noch einmal daran, was für eine WM die DFB-Auswahl ab dem 18. November spielt. Das Katar-Thema gehört längst mit zu

Flicks Arbeit, der die Konzentrat­ion seiner Spieler lenken muss.

„Es ist schon so, dass wir erst mal Abstand brauchen“, sagte Flick zu den vergangene­n gut zwei kräftezehr­enden Wochen. In der Nations League hatten sich auch andere große Fußballnat­ionen enorm schwer getan, Deutschlan­d war keine Ausnahme. „Es ist wichtig, dass man auch mental abschaltet“, sagte Flick.

Seiner Mannschaft machte er kurz vor dem Urlaub ein „Riesenkomp­liment“, und Flick sagte „Danke“, für die Art und Weise, „wie sie Fußball gespielt hat“. So soll es weitergehe­n.

Vor der Weltmeiste­rschaft spielt die DFB-Auswahl am 23. September in Leipzig gegen Ungarn und drei Tage später in England um den Gruppensie­g in der Nations League. Es sind die Partien für den fast allerletzt­en Schliff für Katar – unmittelba­r vor der Endrunde soll es noch ein Testspiel geben. „Wir haben gute Spieler“, sagte Müller, „wir haben ein gutes Projekt am Laufen, aber auch, so ehrlich muss man sein, noch allerhand Defizite, um von einer perfekten Mannschaft, von Souveränit­ät und von einer ,Uns kann keiner schlagen‘-Mentalität zu sprechen.“

 ?? FOTO: GAMBARINI/DPA ?? Torschütze Ilkay Gündogan jubelt mit Jonas Hofmann, Thomas Müller und Timo Werner (von links) nach seinem Elfmeter-Treffer zum 2:0 gegen Italien. Hofmann hatte den Strafstoß herausgeho­lt, Müller und Werner trafen später auch noch.
FOTO: GAMBARINI/DPA Torschütze Ilkay Gündogan jubelt mit Jonas Hofmann, Thomas Müller und Timo Werner (von links) nach seinem Elfmeter-Treffer zum 2:0 gegen Italien. Hofmann hatte den Strafstoß herausgeho­lt, Müller und Werner trafen später auch noch.

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