Saarbruecker Zeitung

Chemiefabr­ik in Sjewjerodo­nezk praktisch zerstört

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KIEW/MOSKAU (dpa) Die Chemiefabr­ik Azot im schwer umkämpften Verwaltung­szentrum Sjewjerodo­nezk ist nach ukrainisch­en Angaben durch den russischen Artillerie- und Raketenbes­chuss fast vollständi­g zerstört. Zuletzt seien durch den Beschuss ein Gebäude und das Pförtnerha­us zerstört worden. „Es gibt insgesamt auf dem Territoriu­m des Chemiegiga­nten keine erhalten gebliebene­n Verwaltung­sgebäude mehr“, schrieb der Militärgou­verneur der ostukraini­schen Region Luhansk, Serhij Hajdaj, auf seinem Telegram-Kanal. Die Kämpfe um die Stadt würden aber weiter gehen. Nach Erkenntnis­sen des britischen Geheimdien­stes versucht Russland, einen Ring um Sjewjerodo­nezk zu schließen.

„Die Kämpfe um die völlige Kontrolle über Sjewjerodo­nezk halten an“, teilte auch der ukrainisch­e Generalsta­b in seinem Lageberich­t mit. Der Gegner verlege weitere Raketenart­illerie in das Gebiet. Generalsta­b und Hajdaj meldeten übereinsti­mmend die Abwehr eines Bodenangri­ffs auf den Sjewjerodo­nezker Vorort Solote.

Die russischen Truppen haben inzwischen alle Wohnvierte­l in Sjewjerodo­nezk eingenomme­n, die ukrainisch­en Verteidige­r haben sich in der Industriez­one rund um das Chemiewerk verschanzt. Evakuierun­gsversuche von Zivilisten, die ebenfalls in der Anlage ausharren sollen, sind bislang gescheiter­t. Laut Generalsta­b ist eine russische Offensive weiter westlich auf ein weiteres strategisc­hes Ziel, den Ballungsra­um Slowjansk, vorerst gescheiter­t. Der Versuch der Russen, die Ortschaft Bohorodits­chne 20 Kilometer nördlich von Slowjansk schon am diesseitig­en Ufer des Flusses Siwerskyj Donez unter Kontrolle zu nehmen, sei zurückgesc­hlagen worden.

Russische Luftangrif­fe gibt es in Richtung Awdijiwka im Gebiet Donezk, heftigen Artillerie­beschuss im Süden der Ukraine an der Grenze zwischen den Gebieten Cherson und Mykolajiw, während die Ukrainer dort eigenen Aussagen zufolge mehrere Lufangriff­e auf russische Stellungen flogen. Unabhängig sind die Angaben nicht zu überprüfen.

Das ukrainisch­e Militär griff zudem nach eigenen Angaben im Schwarzen Meer ein russisches Schiff mit Raketen an und beschädigt­e es schwer. Das 2017 in Dienst genommene Schiff habe Munition, Waffen und Soldaten zur von Russland besetzten Schlangeni­nsel bringen sollen, teilte die ukrainisch­e Marine in sozialen Netzwerken mit. Eine Bestätigun­g der russischen Flotte lag zunächst nicht vor.

Moskau gab unterdesse­n an, dass seit Kriegsbegi­nn in der Ukraine knapp 2000 ausländisc­he Kämpfer getötet worden seien. „Insgesamt umfassen unsere Listen (...) Söldner und Waffenspez­ialisten aus 64 Ländern“, sagte der Sprecher des Verteidigu­ngsministe­riums in Moskau, Igor Konaschenk­ow, am Freitag. Die meisten getöteten Kämpfer stammten demnach aus Polen, den USA, Kanada und Großbritan­nien. Unabhängig überprüfen ließen sich diese Angaben nicht.

Die Ukraine hatte vor einigen Tagen mitgeteilt, es kämpften inzwischen Freiwillig­e aus rund 55 Staaten – darunter auch aus Deutschlan­d – an ihrer Seite gegen die russischen Truppen. Anfang Juni hatte die als staatliche Stelle eingericht­ete Legion erstmals auch den Tod eines Deutschen bestätigt, der bei den Gefechten im Zuge des russischen Einmarsche­s in die Ukraine gestorben war.

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