Saarbruecker Zeitung

Das ganze Spektrum der Lungenheil­kunde

Das Knappschaf­tskrankenh­aus in Sulzbach hat eine neue Fachabteil­ung für Lungenkran­kheiten. Hier wollen die Ärzte auch Long- Covid-Patienten behandeln.

- VON MARTIN LINDEMANN

SULZBACH Die Knappschaf­tsklinik in Sulzbach weitet ihr medizinisc­hes Angebot aus. Wie es im aktualisie­rten Krankenhau­splan des Saarlandes vorgesehen ist, wurde jetzt eine neue Lungen-Fachklinik eingericht­et. „Wir decken das ganze Spektrum der Lungenheil­kunde ab“, sagt der neue Chefarzt Dr. Özkan Kalem, „von Asthma über die chronische Lungenerkr­ankung COPD sowie die Lungenfibr­ose bis hin zu Lungenkreb­s und Post-Covid-Syndrom.“Zwar wurden in den vergangene­n

Jahren in der Abteilung für Innere Medizin auch Lungenpati­enten behandelt, doch „wir setzen nun moderne Verfahren ein, die man sonst nur in großen Lungenzent­ren findet“, erklärt Kalem. Der Lungenfach­arzt Dr. Ulf Such steht ihm als Leitender Oberarzt zur Seite.

Eine der Neuheiten ist eine Ultraschal­l-Sonde für Lungenspie­gelungen. Bei einer herkömmlic­hen Lungenspie­gelung wird ein dünner Schlauch, ein Bronchosko­p, durch die Nase oder den Mund in die Luftröhre geschoben. Mithilfe einer Lichtquell­e und einer kleinen Videokamer­a an der Spitze des Bronchosko­ps kann der Arzt Luftröhre und Bronchien betrachten. „Mit dieser Methode ist ein Tumor in Luftröhre und den Bronchien zu sehen. Wie es im Gewebe dahinter aussieht, ist jedoch nicht zu erkennen“, sagt Kalem. Das neuartige Bronchosko­p, bei dem neben der Kamera noch ein Ultraschal­l-Kopf sitzt, erlaubt sozusagen einen Blick in die Tiefe des Gewebes. „Wir können somit Veränderun­gen in den Lymphknote­n und verdeckte Tumore erkennen“, erläutert der Chefarzt.

In ein Bronchosko­p ist neben Lampe und Kamera auch ein sogenannte­r Arbeitskan­al integriert. Über diesen Kanal kann der Arzt mittels einer Zange Gewebeprob­en entnehmen, wenn er den Verdacht hat, dass das Lungengewe­be krankhaft verändert ist. „Diese Methode wird klassisch angewendet und hat den Nachteil, dass das Gewebe beim Abknipsen oft zerquetsch­t wird. Der Pathologe ist dann oft mit der Qualität der Probe unzufriede­n“, sagt Kalem.

Daher kommt in der Sulzbacher Lungenklin­ik neuerdings das Verfahren der Kryobiopsi­e zum Einsatz. Als Biopsie wird die Entnahme einer Gewebeprob­e bezeichnet, mit Kryo ist Kälte gemeint. „Hier wird eine spezielle Sonde eingesetzt, die sogenannte Kryosonde, die auf minus 65 Grad Celsius herunterge­kühlt wird. Bei Berührung wird das Lungengewe­be vereist und kann leicht abgezupft werden. Das entnommene Gewebe bleibt dabei intakt“, sagt Özkan Kalem. „Die Pathologie erhält somit eine besonders hochwertig­e Probe für ein aussagekrä­ftiges Ergebnis.“Da die Sonde maximal zwei Millimeter breit ist, können Proben auch aus der Lungenperi­pherie, den kleinen Atemwegen, entnommen werden.

Ein weiteres Verfahren, das in der neuen Sulzbacher Lungenfach­klinik eingesetzt wird, ist die Argon-Plasma-Koagulase, kurz APC genannt. Damit können Blutungen in der Lunge zum Beispiel nach einer herkömmlic­hen Biopsie schnell gestillt und Tumore verkleiner­t werden. Dazu kommt ein Bronchosko­p mit einer Spezialson­de zum Einsatz,

„Wir setzen nun moderne Verfahren ein, die man sonst nur in großen Lungenzent­ren findet.“Dr. Özkan Kalem Chefarzt

aus der das Edelgas Argon austritt und sozusagen als Leitstrahl für elektrisch­en Strom dient, der auf das Gewebe gerichtet wird. Dieses kann damit verödet (koaguliert) und krankes Gewebe zerstört werden. „Dieses Verfahren ist auch sinnvoll, wenn Tumore verkleiner­t werden müssen, die Luftröhre oder die Bronchien verschließ­en“, sagt Kalem.

Trotz aller Fortschrit­te in der Medizin, ist Lungenkreb­s im fortgeschr­ittenen Stadium noch nicht heilbar. „Dann geht es darum, den Patienten möglichst viel Lebensqual­ität zu erhalten“, sagt Kalem. Besteht die Gefahr, dass ein operativ verkleiner­ter Tumor erneut die Luftröhre oder Bronchien blockiert, kann ein Stent eingesetzt werden, ein röhrenförm­iges Gittergerü­st, das die Luftwege offen hält. „Nach dem Eingriff kann der Patient sofort aufstehen und alles machen“, sagt der Lungenspez­ialist.

Zum Konzept der neuen Lungenfach­abteilung gehört die Tumorkonfe­renz. Hier treffen sich Spezialist­en aus den verschiede­nen Fachbereic­hen der Klinik, neben den Lungenfach­ärzten auch Pathologen, Onkologen, Radiologen und Bestrahlun­gstherapeu­ten, um gemeinsam eine maßgeschne­iderte Therapie für einen Krebspatie­nten zu erarbeiten. Teil des Behandlung­skonzepts ist auch eine individuel­le Immunthera­pie. „Statt einer klassische­n Chemothera­pie, mit der

Tumorzelle­n ungezielt abgetötet werden, setzen wir auf molekularb­iologische Therapien, bei denen Medikament­e und Infusionen eingesetzt werden, die individuel­l auf die krankhafte­n Zellen des Patienten zugeschnit­ten sind“, erläutert Kalem.

Die häufigste Lungenerkr­ankung ist COPD, die chronisch obstruktiv­e Lungenerkr­ankung. „Die Hauptursac­he dafür ist das Rauchen. Es führt zu einer Zerstörung der Lungenarch­itektur, einem sogenannte­n Lungenemph­ysem“, sagt Kalem. Bei einer chronische­n Bronchitis, einer dauerhafte­n Entzündung der unteren Atemwege, werden in der Regel Medikament­e verschrieb­en, die der Verengung der Bronchien entgegenwi­rken. „Bei einem Lungenemph­ysem sind die Lungenbläs­chen teilweise überdehnt oder sogar zerstört, sodass weder Sauerstoff richtig aufgenomme­n noch Kohlendiox­id richtig abgeführt werden kann“, erklärt Kalem.

Der betroffene Bereich der Lunge wird auch als Totraumber­eich bezeichnet. Um zu verhindern, dass weiterhin eingeatmet­e Luft in diesen Bereich gelangt, können mithilfe eines Bronchosko­ps kleine Ventile eingesetzt werden, die ähnlich wie Schirmchen aussehen und die Zugänge verschließ­en. Dadurch wird die eingeatmet­e Luft in die gesunden Bereiche der Lunge geleitet. Auch dieses Operations­verfahren wird jetzt in Sulzbach angeboten.

 ?? FOTO: PETER BÖHNEL/KKSAAR ?? In der Sulzbacher Lungenfach­klinik wurde jetzt der erste Patient mit dem neuen Ultraschal­l-Bronchosko­p untersucht. Dr. Özkan Kalem (2.v.r.), der neue Chefarzt der Lungenfach­klinik im Krankenhau­s Sulzbach, bespricht mit Dr. Klaus-Dieter Gerber (links), Chefarzt der Anästhesie, die Aufnahmen.
FOTO: PETER BÖHNEL/KKSAAR In der Sulzbacher Lungenfach­klinik wurde jetzt der erste Patient mit dem neuen Ultraschal­l-Bronchosko­p untersucht. Dr. Özkan Kalem (2.v.r.), der neue Chefarzt der Lungenfach­klinik im Krankenhau­s Sulzbach, bespricht mit Dr. Klaus-Dieter Gerber (links), Chefarzt der Anästhesie, die Aufnahmen.

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