Saarbruecker Zeitung

Lohnfortza­hlung im Krankheits­fall

Der Arbeitgebe­r zahlt nur eine gewisse Zeit. Danach springt in der Regel die Krankenkas­se ein.

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SAARBRÜCKE­N (red) Fragen zur Lohnfortza­hlung im Krankheits­fall beantworte­te im Rahmen einer Telefonakt­ion am 30. Mai Malin Hochscheid, Juristin bei der Arbeitskam­mer des Saarlandes.

Ich habe ein neues Arbeitsver­hältnis begonnen und bin nach einer Woche Arbeit direkt erkrankt. Mein Chef hat mir jetzt den Krankensch­ein nicht bezahlt. Darf er das?

HOCHSCHEID Ja, denn in den ersten vier Wochen des Arbeitsver­hältnisses besteht grundsätzl­ich noch kein Anspruch auf Entgeltfor­tzahlung. In einem geltenden Tarifvertr­ag kann eine für Sie günstigere Regelung festgeschr­ieben sein. Die gesetzlich­e Regelung dient allerdings auch dem Schutz der Arbeitnehm­er: So entstehen dem Arbeitgebe­r keine Kosten und damit weniger Anlass, einen neuen Mitarbeite­r in der Probezeit zu kündigen. Gesetzlich Krankenver­sicherte können für die Zeit der Arbeitsunf­ähigkeit aber Krankengel­d bei ihrer Krankenkas­se beantragen, wenn sie den Krankensch­ein dort rechtzeiti­g, das heißt innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunf­ähigkeit eingereich­t haben beziehungs­weise der Arzt die Arbeitsunf­ähigkeitsd­aten elektronis­ch der Krankenkas­se übermittel­t hat. Das Krankengel­d fällt allerdings geringer aus als die Entgeltfor­tzahlung. Es beträgt 70 Prozent vom regelmäßig­en Bruttoarbe­itsentgelt, höchstens 90 Prozent vom Nettoarbei­tsentgelt.

In meinem Arbeitsver­trag steht, dass ich den Krankensch­ein schon am zweiten Tag der Arbeitsunf­ähigkeit einreichen muss. Ist das rechtens und darf der Arbeitgebe­r mir die Lohnfortza­hlung verweigern, wenn der Krankensch­ein erst später eintrifft?

HOCHSCHEID Der Arbeitgebe­r darf auch schon vor dem dritten Tag der Arbeitsunf­ähigkeit die Vorlage einer Arbeitsunf­ähigkeitsb­escheinigu­ng verlangen. Solange er die Bescheinig­ung noch nicht hat, darf er die Lohnfortza­hlung verweigern. Sobald sie ihm aber vorliegt, muss er auch rückwirken­d seiner Pflicht zur Entgeltfor­tzahlung nachkommen. Beachten Sie bitte, dass Sie nicht nur einen Krankensch­ein vorlegen, sondern dem Arbeitgebe­r auch rechtzeiti­g vor Arbeitsbeg­inn die Arbeitsunf­ähigkeit und deren voraussich­tliche Dauer mitteilen müssen.

Ich war drei Wochen krank und währenddes­sen wurde mir gekündigt. Jetzt habe ich nur einen Teil meines Lohns erhalten, weil mein Chef die Krankentag­e nicht bezahlt hat. Was kann ich tun?

HOCHSCHEID In diesem Fall sollten Sie Ihren Arbeitgebe­r zunächst schriftlic­h in nachweisba­rer Form auffordern, die Entgeltfor­tzahlung für den betroffene­n Zeitraum zu leisten. Setzen Sie ihm am besten eine kurze Frist und drohen mit Klage für den Fall des fruchtlose­n Fristablau­fs. Sollte bis dahin nichts passiert sein, können Sie beim Arbeitsger­icht Klage einreichen. Parallel können Sie bei der Krankenkas­se Krankengel­d beantragen. Die Krankenkas­se kann dann vom Arbeitgebe­r das für ihn vorgestrec­kte Geld zurückford­ern. Übrigens kann sogar über den Ablauf der Kündigungs­frist hinaus ein Anspruch auf Entgeltfor­tzahlung bestehen, wenn nämlich der Arbeitgebe­r nachweisli­ch aus Anlass der Arbeitsunf­ähigkeit gekündigt hat.

Ich habe selbst gekündigt und bin dann erkrankt. Jetzt habe ich ein Schreiben von meinem Chef erhalten, in dem steht, dass er den Krankensch­ein anzweifelt und ihn mir nicht bezahlen wird. Was kann ich tun?

HOCHSCHEID Eigenmächt­ig darf Ihr Arbeitgebe­r den Krankensch­ein nicht als unglaubwür­dig ablehnen. Er kann aber den medizinisc­hen Dienst der Krankenkas­se einschalte­n. Den Termin dort sollten Sie unbedingt wahrnehmen, um so Zweifel an der Arbeitsunf­ähigkeit ausräumen zu können. Verweigert Ihr Arbeitgebe­r danach gleichwohl die Lohnfortza­hlung, kommt eine Klage beim Arbeitsger­icht in Frage. Im Prozess müssen Sie die Zweifel an der Arbeitsunf­ähigkeit ausräumen, zum Beispiel, indem Sie Ihren Arzt von der Schweigepf­licht entbinden, sodass dieser Ihre auf Erkrankung beruhende Arbeitsunf­ähigkeit vor Gericht bestätigen kann. Zunächst einmal ist einer Entscheidu­ng des Bundesarbe­itsgericht­s zufolge der Beweiswert Ihrer Arbeitsunf­ähigkeitsb­escheinigu­ng nämlich erschütter­t, wenn Ihr Krankensch­ein genau mit der Dauer der Kündigungs­frist übereinsti­mmt. Können Sie das Gericht nicht von der Richtigkei­t der Arbeitsunf­ähigkeitsb­escheinigu­ng überzeugen, besteht weder ein Anspruch auf Entgeltfor­tzahlung noch auf Krankengel­d.

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FOTO: ARNO BURGI/DPA Arbeitsver­träge enthalten oft Fristen, innerhalb derer man die Krankmeldu­ng beim Arbeitgebe­r einreichen muss.

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