Imagine Dragons versetzen 11 000 Fans in Feierstimmung
ESCH-SUR-ALZETTE (ek) Die Macher der Rockhal haben bei ihren OpenAirs in puncto Wetter ein glückliches Händchen. Im Juni 2018 bei Sting und Shaggy strahlte die Sonne über den Hochöfen vor der Rockhal, so wie auch jetzt. Black Eyed Peas am Mittwoch und Imagine Dragons am Donnerstag hatten also perfekte Bedingungen, letztgenannte dazu eine konzert-hungrige, 11 000 Personen starke Zuschauerschar zu füttern. Steigenden Corona-Zahlen zum Trotz – die Pandemie und ihre zwei Jahre währenden Einschränkungen war keine Sekunde spürbar.
Imagine-Dragons-Sänger Dan Reynolds betonte gleich zu Beginn: „Corona nahm uns die Musik weg, jetzt fühlt sich die Welt vereint an“. Es seien zuletzt „für uns alle lange verrückte Jahre“gewesen, und nun, da man es endlich wieder könne, wolle man „das Leben feiern“. Im Studio taten er, Gitarrist Wayne Sermon, Bassist Ben McKee und Schlagzeuger Daniel Platzman das bereits, legten mit „Mercury – Act 1“im September 2021 das fünfte Album vor, der Nachfolger soll Anfang Juli rauskommen.
Und live feiern er und seine drei Mitstreiter, die zuletzt im Februar 2018 in Luxemburg auftraten, das Leben mit reichlich Bombast und temporeichen Hits. „It’s time“, der erste Erfolgssong von 2012 bildet den Auftakt, orchestriert von Konfetti-Kanonen, beim folgenden „Believer“schießen die Kunstwölkchen aus den CO2-Zylindern, später gibt es Feuereffekte und Raketen. Der muskelgestählte Reynolds hüpft und tanzt auf dem Steg vor der Bühne, als absolviere er ein Fitness-Programm. Nach „Polaroid“kniet er inmitten der nicht vom Reinigungsteam mittels Laubbläsern von der Bühne geschafften Konfetti-Schnipseln und gönnt sich eine Verschnaufpause. Der Wechsel von rasantem Tempo und Durchschnauf-Momenten zieht sich in der Folge durch die Show. „Thunder“mit seinen flirrenden Gitarren wechselt etwa mit der elegant-melodischen Ballade „Amsterdam“, das flotte „Shots“kontrastiert mit dem zurückgenommenen „Birds“. Die Setlist verzichtet auf experimentelle und bisweilen anstrengende Stücke, die die Band gerade jüngst immer öfter fabriziert hatte. Es gibt nur eins, was dem Konzert bisweilen etwas den Fluss nimmt: viel zu lange Videoanimationen, die von philosophischen, zähen Erzählungen aus dem Off begleitet werden.
Insgesamt ist man aber, während die Sonne untergeht, erfreut, wie viele „Dragons“-Songs man aus dem Radio nicht nur flüchtig kennt, sondern zumindest in weiten Teilen mitsingen kann: „Natural“, „Follow you“, „Whatever it takes“, „Demons“, die aktuellen „Enemy“und „Bones“. Eingängige Lieder, die die Tanzstimmung hochhalten und die Genregrenzen von Pop-Rock, Folk, Elektro oder Hip-Hop überwinden, mit Reynolds Stimme als rotem Faden: mal sehr tief, mal extrem hoch, genauso zerbrechlich wie hammerhart.
Nicht nur wegen des Verzichts auf allzu üppige Geschichten und große Anfeuerungsgesten ans Publikum nimmt man dem 34-Jährigen jederzeit den authentischen Musiker ab, der hier in erster Linie großen Spaß am Auftritt hat. Der auch mal spontan einen Song abwürgt, als ein Fan vor der Bühne medizinische Hilfe braucht. Und der Themen wie Depressionen offen anspricht. Er selbst ist gebranntes Kind, kennt Schmerzen. Er leidet an der rheumatisch-entzündlichen Krankheit Morbus Bechterew und einer Darmerkrankung.
Zuletzt ein echter Wermutstropfen: Nach 90 Minuten und 17 Songs ist mit einer gewöhnungsbedürftigen Unplugged-gestarteten Variante des größten Hits „Radioactive“Schluss, was ein Großteil der Zuschauer erst nach Minuten wahrhaben will. „On Top of the World“, „Bad Liar“, „Born to Be Yours“oder „Next to me“fehlten da noch – man hätte sie sich sehr gut bei dieser lauschigen Musikparty vorstellen können.