Unter weißen Segeln zu grünen Inseln
Wer Lust auf karibisches Flair und besondere Begegnungen hat, unternimmt eine Kreuzfahrt zu den Kleinen Antillen in der Karibik.
BRIDGETOWNBestens gelaunt wartet Reiseleiterin Cynthia vor dem Kleinbus am Hafen von Dominica. Sie schwenkt ihre Hüften und summt vor sich hin. Während der Inselrundfahrt beschreibt sie begeistert ihre Heimat. Die meisten Bewohner der karibischen Inseln sind wie Cynthia Nachfahren von aus Afrika stammenden Sklaven, die hier vor Jahrhunderten in die Kolonien europäischer Großmächte verschleppt wurden. Fast 80.000 meist schwarze Einwohner führen trotz der Hurricans, die zeitweise die Inseln heimsuchen, ein unbeschwertes Leben. Gerade auf Dominica leben im Vergleich mehr über Hundertjährige als sonst in der Karibik.
Der tropische Dschungel ist so dicht wie er nur sein kann. Zweifarbige Philodendrongewächse winden sich 30 Meter am Palmenstamm entlang bis zur Krone. Im dichten Unterholz hängen Helikonien und Orchideenblüten zwischen undurchdringlichem Grün. Roter und gelber Hibiskus, Bananen, Muskatnuss, Kakaobäume und Kaffeesträucher. Auf breiten Blättern glänzen jetzt noch Tropfen in der Sonne und erinnern an den morgendlichen Platzregen.
„Wir haben hier alles, was wir brauchen“, erzählt die lokale Reiseleiterin Cynthia Bellot während der Fahrt auf kurvenreicher Teerstraße quer durch die Insel. „Draußen schwimmen Fische und hier wachsen Früchte und Gemüse“, ergänzt sie und lacht schallend. Dominica gehört zu den Kleinen Antillen, den sogenannten Westindischen Inseln in der östlichen Karibik und wurde 1978 als Commonwealth of Dominica in die Unabhängigkeit entlassen. Nur 750 Quadratkilometer groß mit einer Erhebung von etwa 1500 Meter gehört sie mit über 10.000 Millimeter Regen zu den niederschlagsreichsten Regionen auf dem Globus. Das Wasser kracht nur so herab, und nach kurzer Zeit steigen weiße Nebelfetzen unter der tropischen Sonne aus dem Urwald.
Erste Station ist eine Schokoladenherstellung in der dazugehörigen Kakaoplantage. Vom Werdegang der Kakaofrucht bis zur süßen Versuchung zum Schluss erschließt sich der ganze Herstellungsprozess. Ein verführerisches Finale ist der Schokoladenpunsch auf der hölzernen Aussichtsterrasse: frische Schokoladencreme gelöst in karibischem Rum.
Cynthia ist glücklich, der Reisegruppe ihre Lebensfreude vermitteln zu können. Während der Rückfahrt zum Hafen singt sie die Nationalhymne der Insel Dominica im Bus auf Englisch. Zurück auf dem Kreuzfahrtschiff Seacloud zeigen alle Passagiere ihre Bordkarte. Mit dem Magnetstreifen wird registriert, ob alle an Bord sind.
Kaum ist der Anker gelichtet, bringt zunächst Motorkraft das Schiff aus der Bucht. Auf Deck steht schon die Besatzung in blauen Arbeitsanzügen parat. Es sollen 3000 Quadratmeter Segel gesetzt werden. Routiniert schallen Kommandos hin und her. Einige Matrosen klettern auf den 54 Meter hohen Großmast, und auf den etwas niedrigeren Kreuzmast dahinter und den Fockmast davor. Darunter sind auch zwei junge Frauen, die hier ihre Ausbildung machen: eine Brasilianerin und eine Portugiesin. Als sie entlang der Rahen auf Drahtseilen nach außen steigen, sichern sie sich mit Karabinern. Anschließend lösen sie die zusammen gerollten Rahsegel. Es ist harte Arbeit oben im Wind mit störrischem Material.Insgesamt verfügt das 1931 in Deutschland gebaute Schiff mehr als zehn Kilometer Reepschnüre und Taue.
Nach weniger als einer halben Stunde sind alle 30 Segel gesetzt. Unter Deck arbeiten herkömmliche MAN-Dieselmotoren, die jetzt gestoppt werden. Bei den beständigen Passatwinden in der Karibik wird auch nachts gesegelt. Bis zu 30.000 Liter Frischwasser werden täglich an Bord durch Osmose aus dem Meerwasser gewonnen. Im
Maschinenraum unter Deck dauert eine Schicht jeweils nur vier Stunden, unter Berücksichtigung des Geräuschpegels und der hohen Temperatur.
Länger, als die persönliche Neugierde es verlangt, möchte niemand unter Deck bleiben. Neben dem Eingang zur Lounge hängt die Landkarte mit dem Fahrplan. Nächster Halt mit Exkursion wird Virgin Gorda innerhalb der Britischen Jungferninseln sein. Im offenen Kleinbus geht es quer durch die Insel. Knallbunt gestrichene Hütten, bescheidene, leicht verbeulte Autos, ein Haufen frisch geernteter Kokosnüsse und dazwischen Hunde, die sich selbst ihre Nahrung suchen müssen, gefolgt von Hühnern, die nach Essbarem picken. Unter den Wellblechdächern schallt Musik hervor, Männer sitzen draußen, blinzeln in die wieder hervorgekommene Sonne und beobachten wie die Wolken ziehen oder wer gerade vorbeifährt. Der Hahn kräht. Es scheint, als ob die Zeit verloren ging. So viel Gleichmut und Gelassenheit bringt viele
Beobachter aus dem Kleinbus mit ihrem Mobiltelefon in der Hand ins Grübeln.
Doch das Szenario ändert sich rasch während der Annäherung an die Teufelsbucht im „The Baths National Park“, und die Aufmerksamkeit gilt ganz dem Ziel. Ein breiter Parkplatz, auf dem wirklich Platz ist, ein Restaurant, Hinweisschilder und der Beginn eines Trails. Zwischen gewaltigen, meist rund erodierten Granitblöcken, die wohl der Teufel hierher geworfen haben soll, führt ein schmaler Sandweg zur Bucht. Die rote Fahne weht. Baden ist heute wegen der starken Brandung verboten. Aber wo liegt die Grenze zwischen im Wasser waten und baden? Eine Bucht wie man sie sonst nur von La Digue auf den Seychellen kennt. Erst dunkelblau, dann türkisgrün, zuletzt weiß schäumend wechselt das Farbenspiel auf dem vom offenen Meer hereindrängenden Wasser zwischen den felsigen Zyklopen. Es bricht sich und schäumt weiß über halbkugelförmige Brocken. Immer wieder zwingt eine größere Welle die sprachlose Besucherschar zurück auf den Sand. Urzeitempfindungen und Staunen, dazwischen immer wieder vor großen Wellen in Deckung gehen. Diese Natur braucht keine Zuschauer.
Eine karibische Band unterhält am selben Abend auf Deck, während auf dem Grill Thunfisch brutzelt. Es zischt und duftet, die Gitarren begleiten und Rumpunsch wird serviert. Dann kommen Matrosen herein, sie haben gute Neuigkeiten. Einheimische Fischer haben einen ganzen Sack frischer Hummer gebracht. Und sie konnten für beide Seiten einen fairen Preis aushandeln. Der Manager ist begeistert. „Morgen Abend werden wir das zubereiten, darauf hab ich nur gewartet!“, ruft er dem Chefkoch zu. Aber was ist schon morgen Abend auf Inseln, wo die Zeit verloren ging? Gerade spielt der Bordpianist „Island in the Sun“von Harry Belafonte.