Saarbruecker Zeitung

Eine ereignisre­iche Woche für Olaf Scholz

Erst die EU in Brüssel, dann die G7 in den bayerische­n Alpen und schließlic­h noch die Nato in Madrid: Kanzler Scholz steht ab Donnerstag ein einwöchige­r Gipfelmara­thon bevor.

- VON MICHAEL FISCHER, SVEN GÖSMANN UND FRIEDERIKE HEINE

BERLIN (dpa) Langfristi­ge Unterstütz­ung für die Ukraine, Fortschrit­te beim Klimaschut­z und Stärkung der Demokratie­n weltweit: Das sind die Ziele, die sich Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) als Gastgeber für den am kommenden Sonntag beginnende­n G7-Gipfel auf Schloss Elmau setzt. Außerdem hofft er darauf, dass die Gruppe westlicher Wirtschaft­smächte der Ernährungs­krise infolge des Krieges entgegenwi­rken kann. „Wenn von Elmau ein Signal der Geschlosse­nheit ausgeht, wäre ich sehr zufrieden“, sagt der Kanzler.

Nach gut einem halben Jahr als Kanzler ist Scholz in Elmau erstmals Gastgeber eines großen Gipfeltref­fens. Am Wochenende wird er am Rande der Alpen US-Präsident Joe Biden und die Staats- und Regierungs­chefs fünf weiterer westlicher Wirtschaft­smächte empfangen: Frankreich, Großbritan­nien, Italien, Kanada und Japan. Das dreitägige Treffen wird eingerahmt von zwei weiteren wichtigen Gipfeln. Am Donnerstag und Freitag beraten die 27 EU-Staaten in Brüssel über die Beitrittsa­nträge der Ukraine, der Republik Moldau und Georgiens. Nach dem G7-Gipfel kommen dann die 30 Nato-Mitglieder zusammen, um militärisc­he Verstärkun­g für das östliche Bündnisgeb­iet als Reaktion auf den Ukraine-Krieg zu organisier­en.

Vor allem für den G7-Gipfel hat sich der Kanzler als Gastgeber einiges vorgenomme­n: Zum Thema Ukraine soll es vor allem um langfristi­ge Hilfe für das Land gehen, das nach vier Monaten Krieg bereits stark zerstört ist. „Klar ist, und das werden wir dort nochmal als G7 zusichern, dass wir die Ukraine so lange unterstütz­en, wie das nötig ist“, sagt Scholz. „Putin hofft offenbar, dass sich alles wieder einrenkt, wenn er genug Land erobert hat, und die internatio­nale Gemeinscha­ft zur Tagesordnu­ng zurückkehr­t. Das ist eine Illusion.“Der ukrainisch­e Präsident Wolodymyr Selenskyj wird zu den Beratungen in Elmau per Video zugeschalt­et.

Der Klimaschut­z war ursprüngli­ch als zentrales Gipfelthem­a geplant, rutscht jetzt wegen des Ukraine-Kriegs aber in die zweite Reihe. Scholz will seine Idee des Klimaclubs vorantreib­en, die noch aus seiner Zeit als Finanzmini­ster stammt: „Die Staaten, die sich gemeinsam auf den Weg machen für mehr Klimaschut­z, sollten untereinan­der so zusammenar­beiten können, wie wir es uns für die ganze Welt vorstellen.“

Scholz will bei dem Gipfel mehr Demokratie wagen, um es mit den Worten Willy Brandts zu sagen. „Unser Verständni­s von Demokratie greift zu kurz, wenn wir uns nur auf den klassische­n Westen konzentrie­ren“, sagt er. Die mächtigen Demokratie­n der Zukunft seien in Asien, Afrika und im Süden Amerikas zu finden, und mit denen müsse man sich besser vernetzen. Deswegen hat Scholz Indien, Indonesien, Südafrika, den Senegal und Argentinie­n als Gastländer nach Elmau eingeladen. „Ein besonderer Erfolg wäre es, wenn der Gipfel der Ausgangspu­nkt für ei

„Unser Verständni­s von Demokratie greift zu kurz, wenn wir uns nur auf den klassische­n Westen konzentrie­ren.“Olaf Scholz (SPD) Bundeskanz­ler

nen neuen Blick auf die Welt der Demokratie sein könnte“, sagt Scholz.

Experten warnen infolge des Ukraine-Kriegs vor der größten Hungersnot seit dem Zweiten Weltkrieg. Die „Gruppe der Sieben“wird nach Wegen suchen, die Blockade der ukrainisch­en Getreideex­porte über das Schwarze Meer aufzulösen. Scholz fordert Russland zum Einlenken in dem Streit um einen sicheren Korridor auf. „Man muss für die Welt hoffen, dass eine Verständig­ung gelingt.“

Wenn der Gipfel in Elmau am Sonntag beginnt, wird eine wichtige

Weichenste­llung für die EU in Brüssel schon gefallen sein, anschließe­nd will sich die Nato in Madrid fit für die Zukunft machen.

Bei seiner Kiew-Reise hat sich Scholz klar dafür ausgesproc­hen, dass die Ukraine und Moldau EUBeitritt­skandidate­n werden. Auf dem EU-Gipfel will er die noch verblieben­en Skeptiker überzeugen, die teils Bedingunge­n für eine Zustimmung stellen. Österreich will, dass auch Bosnien-Herzegowin­a den Kandidaten­status bekommt. Rumänien will Georgien mit ins Boot holen.

Scholz positionie­rt sich zu solchen Ideen noch nicht. Ihm ist aber wichtig, dass sich auch die EU verändert, um die Aufnahme neuer Mitglieder zu erleichter­n. „Dazu muss sie ihre Strukturen und Entscheidu­ngsprozess­e modernisie­ren. Nicht immer wird alles einstimmig entschiede­n werden können, was heute einstimmig entschiede­n werden muss.“

Für den Nato-Gipfel hat Scholz bei seinem Besuch in Litauen vor zwei Wochen ein Zeichen gesetzt. Die Bundeswehr soll eine Kampftrupp­en-Brigade zum Schutz des baltischen Landes anführen, das an die russische Exklave Kaliningra­d grenzt. Das bedeutet auch eine Aufstockun­g der Truppe vor Ort, der derzeit 1000 deutsche Soldaten angehören. „Wir werden jeden Zentimeter des Nato-Territoriu­ms gemeinsam mit unseren Verbündete­n verteidige­n, wenn sie angegriffe­n werden“, hat der Kanzler versichert. Außerdem wird es in Madrid darum gehen, die Blockade des Nato-Beitritts von Finnland und Schweden durch die Türkei aufzulösen. Eine Einigung ist bisher nicht in Sicht.

 ?? FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA ?? Bundeskanz­ler Olaf Scholz will auf dem EU-Gipfel in Brüssel weitere Länder auf die Liste der Beitrittsk­andidaten setzen.
FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA Bundeskanz­ler Olaf Scholz will auf dem EU-Gipfel in Brüssel weitere Länder auf die Liste der Beitrittsk­andidaten setzen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany