Nato rechnet mit jahrelangem Krieg in der Ukraine
KIEW/MOSKAU (dpa) Der Westen muss sich nach Einschätzung von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg darauf vorbereiten, dass der Krieg in der Ukraine „Jahre dauern könnte“, wie er der Zeitung Bild am Sonntag sagte. Deshalb dürfe die Unterstützung für die Ukraine nicht nachlassen. Die Kosten dafür seien hoch, aber das sei kein Vergleich zu dem Preis, den die Ukraine jeden Tag mit vielen Menschenleben zahle, sagte Stoltenberg.
Russland griff die ukrainische Hauptstadt Kiew am Wochenende erneut mit Raketen an. Sirenen und Explosionen waren zu hören. Nach offiziellen Angaben schoss die ukrainische Luftabwehr russische Raketen über der Stadt jedoch ab. Demnach gab es keine Schäden oder Verletzte. Im erbitterten Kampf um das Verwaltungszentrum Sjewjerodonezk im Osten des Landes erzielten russische Truppen Geländegewinne und drangen in einen Vorort ein. Im Chemiewerk Azot in der Stadt werden weiterhin Hunderte Zivilisten vermutet. Für sie gibt es nach Einschätzung britischer Geheimdienstexperten kaum noch Wege aus der Stadt.
Auch im Süden der Ukraine wurde weiter gekämpft. Dort hat Russland große Teile des Küstengebietes am Schwarzen Meer unter Kontrolle. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj versprach nach einem Besuch in der Frontregion die Rückeroberung der von Russland eingenommenen Gebiete im Süden. „Wir werden niemandem den Süden abgeben. Alles, was uns gehört, holen wir zurück“, sagte Selenskyj in einer Videoansprache. Am Wochenende hatte die Ukraine bekannt gegeben, ein weiteres Schiff der russischen Schwarzmeerflotte versenkt zu haben.
Das russische Militär hat nach eigenen Angaben mit einem Raketenangriff einen Führungsgefechtsstand der ukrainischen Streitkräfte zerstört. Durch den Schlag seien mehr als 50 Generäle und Offiziere der ukrainischen Streitkräfte, darunter auch Generalstabsoffiziere sowie der Kommandostab eines Truppenverbands im Gebiet Mykolajiw und Saporischschja, getötet worden, sagte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow. Daneben seien durch die Kalibr-Raketen auch mehrere westliche Artilleriesysteme vom Typ M777 und bis zu 20 gepanzerten Fahrzeuge auf einem Werksgelände in Mykolajiw vernichtet worden. Unabhängig können diese Angaben nicht überprüft werden.
Noch immer hängen Millionen Tonnen Getreide in der Ukraine fest, der Weg über das Schwarze Meer ist blockiert. Eine Ausweichroute über Rumänien stellt das Nachbarland der Ukraine vor eine „logistische Herausforderung von epischem Ausmaß“, wie Rumäniens Staatspräsident Klaus Iohannis jüngst sagte. Florin Goidea, Generaldirektor des größten rumänischen Schwarzmeer-Hafens Constanta, sieht keine schnelle Lösung des Problems. „Mehr als 80 Prozent des ankommenden ukrainischen Getreides erreicht unseren Hafen auf kleinen Frachtschiffen über die Donau“, sagte er.