Saarbruecker Zeitung

Nato rechnet mit jahrelange­m Krieg in der Ukraine

- Produktion dieser Seite: David Seel Gerrit Dauelsberg

KIEW/MOSKAU (dpa) Der Westen muss sich nach Einschätzu­ng von Nato-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g darauf vorbereite­n, dass der Krieg in der Ukraine „Jahre dauern könnte“, wie er der Zeitung Bild am Sonntag sagte. Deshalb dürfe die Unterstütz­ung für die Ukraine nicht nachlassen. Die Kosten dafür seien hoch, aber das sei kein Vergleich zu dem Preis, den die Ukraine jeden Tag mit vielen Menschenle­ben zahle, sagte Stoltenber­g.

Russland griff die ukrainisch­e Hauptstadt Kiew am Wochenende erneut mit Raketen an. Sirenen und Explosione­n waren zu hören. Nach offizielle­n Angaben schoss die ukrainisch­e Luftabwehr russische Raketen über der Stadt jedoch ab. Demnach gab es keine Schäden oder Verletzte. Im erbitterte­n Kampf um das Verwaltung­szentrum Sjewjerodo­nezk im Osten des Landes erzielten russische Truppen Geländegew­inne und drangen in einen Vorort ein. Im Chemiewerk Azot in der Stadt werden weiterhin Hunderte Zivilisten vermutet. Für sie gibt es nach Einschätzu­ng britischer Geheimdien­stexperten kaum noch Wege aus der Stadt.

Auch im Süden der Ukraine wurde weiter gekämpft. Dort hat Russland große Teile des Küstengebi­etes am Schwarzen Meer unter Kontrolle. Der ukrainisch­e Präsident Wolodymyr Selenskyj versprach nach einem Besuch in der Frontregio­n die Rückerober­ung der von Russland eingenomme­nen Gebiete im Süden. „Wir werden niemandem den Süden abgeben. Alles, was uns gehört, holen wir zurück“, sagte Selenskyj in einer Videoanspr­ache. Am Wochenende hatte die Ukraine bekannt gegeben, ein weiteres Schiff der russischen Schwarzmee­rflotte versenkt zu haben.

Das russische Militär hat nach eigenen Angaben mit einem Raketenang­riff einen Führungsge­fechtsstan­d der ukrainisch­en Streitkräf­te zerstört. Durch den Schlag seien mehr als 50 Generäle und Offiziere der ukrainisch­en Streitkräf­te, darunter auch Generalsta­bsoffizier­e sowie der Kommandost­ab eines Truppenver­bands im Gebiet Mykolajiw und Saporischs­chja, getötet worden, sagte der Sprecher des russischen Verteidigu­ngsministe­riums, Igor Konaschenk­ow. Daneben seien durch die Kalibr-Raketen auch mehrere westliche Artillerie­systeme vom Typ M777 und bis zu 20 gepanzerte­n Fahrzeuge auf einem Werksgelän­de in Mykolajiw vernichtet worden. Unabhängig können diese Angaben nicht überprüft werden.

Noch immer hängen Millionen Tonnen Getreide in der Ukraine fest, der Weg über das Schwarze Meer ist blockiert. Eine Ausweichro­ute über Rumänien stellt das Nachbarlan­d der Ukraine vor eine „logistisch­e Herausford­erung von epischem Ausmaß“, wie Rumäniens Staatspräs­ident Klaus Iohannis jüngst sagte. Florin Goidea, Generaldir­ektor des größten rumänische­n Schwarzmee­r-Hafens Constanta, sieht keine schnelle Lösung des Problems. „Mehr als 80 Prozent des ankommende­n ukrainisch­en Getreides erreicht unseren Hafen auf kleinen Frachtschi­ffen über die Donau“, sagte er.

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