Warum man Ärzten ihre Globuli lassen sollte
Verbände wollen Ärzten die Möglichkeit zur Weiterbildung in Homöopathie nehmen. Dabei hat auch die unwissenschaftliche Methode ihre Berechtigung.
SAARBRÜCKEN/DÜSSELDORF Der Deutsche Ärztetag will eine klare Grenze ziehen. Zumindest haben die Delegierten bei der jährlichen Versammlung der deutschen Ärztekammern kürzlich entschieden, Homöopathie-Weiterbildungen zu streichen. Lange konnten Schulmediziner mit Facharztausbildung eine solche Fortbildung über die Kammer absolvieren und dann „Homöopathie“mit auf ihr Praxisschild schreiben. Die Weiterbildung umfasst die Erfragung von Krankheitsbildern nach homöopathischem Ansatz, Analyse akuter und chronischer homöopathischer Behandlungsfälle, Herstellung, Prüfung und Wirkung von Arzneimitteln sowie deren Dosierung. Man kann also sagen, dass Ärzte in diesen Fortbildungen lernen, auf alternative Art mit Patienten umzugehen und Menschen, die an homöopathische Behandlung glauben, geschult zu begegnen. Zugleich werden sie angeleitet, selbst entsprechende Kuren anzubieten.
Nun kann man verstehen, dass eine Versammlung von Menschen mit anspruchsvoller naturwissenschaftlicher Ausbildung sich endlich distanzieren will von einer Heilkunde, bei der mit Mitteln therapiert wird, für die eine pharmakologische Wirkung nicht nachgewiesen ist. Trotzdem in diesem Bereich fortzubilden, ist eine Form der Anerkennung – und Aufwertung, die wissenschaftlich ausgebildeten Leuten widerstrebt. Homöopathie ist nach bisherigem Forschungsstand eine Pseudowissenschaft – und das sollte man auch benennen.
Allerdings bedeutet die pharmakologische Wirkungslosigkeit homöopathischer Mittel noch nicht, dass deren Anwendung keine Wirkung entfalten würde. Das mögen Placebo-Effekte sein, Autosuggestion oder Wirkungen, die auf der Zuwendung des Arztes beim homöopathisch strukturierten Patientengespräch beruhen. Entscheidend ist am Ende, dass eine Besserung eintritt. Und zwar nicht nur bei Esoterikern. Es gibt auch Menschen, die Methoden der Naturwissenschaften anerkennen, bei bestimmten, vor allem chronischen Erkrankungen aber ab einem gewissen Punkt des Herumlaborierens und Ärzteabklapperns der Homöopathie eine Chance geben – und Linderung erfahren. Warum sollten Ärzte nicht lernen, ihnen diese Möglichkeit zu bieten? Und zwar gerade Mediziner, die eine lange naturwissenschaftliche Ausbildung durchlaufen haben, der homöopathischen Lehre also mit genug Skepsis begegnen dürften?
Natürlich mag die Fortbildungsbereitschaft der Mediziner auch damit zu tun haben, dass sie die Behandlungszeit mit inzwischen 70 Krankenkassen abrechnen können. Doch dürften auch Krankenkassen das wohl zahlen, weil sie auf das Ergebnis schauen. Und weil eine Behandlung bei einem Arzt, der auch Homöopathie anbietet, am Ende günstiger ausfallen kann als immer neue Arztbesuche.
Corona hat gezeigt, wie viel Unverständnis für wissenschaftliche Methoden es in der Gesellschaft gibt. Natürlich muss es immer wieder darum gehen, Unterschiede deutlich zu machen und Wissenschaft von Pseudowissenschaft zu trennen. Doch gerade die Erfahrungen der Pandemie haben zu einer ideologischen Aufrüstung der Debatte geführt, die niemandem guttut. Gelassen und pragmatisch auf das Ergebnis schauen, auf das Resultat von Therapien, und Ärztinnen und Ärzten vertrauen, die schon wissen, wann Globuli helfen und wann nicht, ist womöglich am gesündesten für alle.