Was vom Bergbau im Saarland übrig blieb
Vor zehn Jahren endete die Ära des Steinkohlebergbaus im Saarland. Spuren hat dieser bis heute hinterlassen – nicht nur Flächen, Schächte und Fördertürme.
SAARBRÜCKEN Tränenreich war es, das Ende des Steinkohlebergbaus, der das Land und die Menschen an der Saar tief geprägt hat. Nach über 250 Jahren verabschiedete sich das Saarland vor zehn Jahren von der Kohle. Mehr als 10 000 Menschen nahmen am 30. Juni 2012 an einem bewegenden Festakt und einer Mettenschicht auf dem Ensdorfer Bergwerksgelände teil.
Was ist zehn Jahre danach vom Bergbau übrig geblieben? Vieles, sagt Stefan Hager. Der Quierschieder ist Regionalbeauftragter Saar der RAG und damit für alles zuständig, was rund um den Nachbergbau zu erledigen ist. 54 Frauen und Männer arbeiten im Saarland noch für den Montan-Konzern.
Beispiel Bergschäden: Als an der Saar noch Kohle gefördert wurde, gehörten Risse an Häusern in den betroffenen Teilen des Landes zum Alltag, heftige Auseinandersetzungen inklusive. „Mit dem Ende der Förderung ist an dieser Ecke weitgehend Ruhe eingekehrt“, sagt Hager. Vor zehn Jahren gingen noch 5000 Schadensmeldungen bei der RAG ein, im vergangenen Jahr waren es immerhin noch 2800. Häufig würden etwa Risse in den Wänden bei Renovierungsarbeiten entdeckt und dann gemeldet. Schäden müssen bis zu 30 Jahre nach dem Ende des Bergbaus repariert werden. Die RAG hat zudem immer Grundstücke, Häuser oder Gebäude gekauft, bei denen Bergschäden auftraten. Heute werden sie als Baugrundstücke wieder an Privatleute verkauft. Allein im vergangenen Jahr hat die RAG 58 solcher Grundstück-Geschäfte getätigt.
Der Kohleabbau bringt es auch mit sich, dass sich an der einen oder anderen Stelle die Erde auftut. „Tagesbrüche über alten Grubenbauen oder Bruchspalten treten immer wieder mal auf. Sie müssen gesichert und verfüllt werden“, sagt Hager. Insgesamt gibt es an der Saar etwa 2500 ehemalige Tagesöffnungen. 1200 davon sind Stollen, die in den Berg getrieben wurden. „Alle diese Objekte werden regelmäßig überprüft“, so der Regionalbeauftragte. „Für Akutmeldungen haben wir eine Vor-Ort
Bereitschaft, um auf alles reagieren zu können.“
Die RAG ist im Saarland weiterhin ein großer Grundstückseigentümer; ihr gehören noch 1300 Hektar. Davon stehen knapp 600 Hektar unter Bergaufsicht. Auf diesen Flächen kann immer noch etwas passieren, sodass sie erst genutzt werden können, wenn das Bergamt nach einem so genannten Abschlussbetriebsplan-Verfahren (ABP) feststellt, dass von ihnen keine Gefahren mehr ausgehen. Die RAG hat sich schon von zahlreichen Grundstücke getrennt. „Allein 700 Hektar Wald haben wir inzwischen an Privatleute verkauft“, bilanziert Hager.
Auch die Erzeugung umweltfreundlicher Energie ist für den früheren Bergbau-Konzern ein Thema. „Wir haben bereits etliche Photovoltaik-Anlagen installiert“, sagt Hager – beispielsweise auf den ehemaligen Bergwerk-Standorten Mellin (Sulzbach) und Jägersfreude (Saarbrücken). Derzeit werde ein Solarkraftwerk auf der Halde Hirschbach vorbereitet, das bei Sonnenschein eine Leistung von neun Megawatt (MW) haben soll.
Zum Bergbau-Erbe im Saarland gehören auch die zahlreichen Fördertürme, die die Region weiterhin prägen, wie zum Beispiel der Schacht 4 der Grube Göttelborn mit seinem 90 Meter hohen Fördergerüst. „Alle bestehenden Türme und Fördergerüste wie zum Beispiel in
Camphausen, Ensdorf, Itzenplitz, Velsen oder Luisenthal stehen unter Denkmalschutz“, betont Hager. „Die RAG hat jedoch kein Geld, um sie zu erhalten, daher verschlechtert sich ihr Zustand im Laufe der Zeit.“Für deren Erhalt „ist eine stabile Basis erforderlich, was kaum ohne Unterstützung des Landes gehen wird“.
Für die meisten der früheren Bergwerks-Standorte gibt es inzwischen eine Lösung oder man ist auf der Zielgeraden. Auf dem Gelände des früheren Bergwerks Warndt ist das
Thema bereits durch. Dort haben sich Gewerbebetriebe niedergelassen, der Energiekonzern Steag produziert Strom und Wärme in einem Biomasse-Kraftwerk und der SaarForst Landesbetrieb betreibt einen zentralen Brennstoffhof. Für die Standorte Göttelborn und Reden ist die Industriekultur Saar GmbH (IKS) zuständig.
Bei der Anlage Duhamel in Ensdorf nähert man sich der Zielgeraden. Schon 2017 wurde mit der Gemeinde ein Masterplan entwickelt. Er sieht vor, dass dort ein 14 Hektar großes Gewerbegebiet entstehen soll, allerdings müssen auch Flächen für eine spätere Grubenwasser-Behandlung reserviert bleiben. Darüber hinaus will die RAG ihre Repräsentanz in der denkmalgeschützten Maschinenhalle weiter behalten. Die angrenzende Bergehalde mit dem Saarpolygon „soll nach der Sanierung touristisch genutzt werden“, sagt Hager. Um das Ganze in trockene Tücher zu bringen, wollen die RAG und die Gemeinde am 24. Juni eine Absichtserklärung unterschreiben.
Für das 119 Hektar Bergwerksgelände der Grube Luisenthal gibt es bereits eine solche Vereinbarung mit der Stadt Völklingen. Dort sollen ein Wohn- und ein Gewerbegebiet eingerichtet werden. Der Abriss von Gebäuden, die nicht mehr benötigt werden, soll im Herbst abgeschlossen sein. Die Bergehalde in Luisenthal „soll der Naherholung, aber auch dem Natur- und Artenschutz vorbehalten bleiben“, betont Hager. Viele Vögel, die die am Boden brüten, hätten die Halde schon für sich entdeckt.
Offen ist noch, was mit dem Nordschacht bei Lebach passiert. „Sollte es keine Möglichkeit der Folgenutzung geben, wird die Anlage zurückgebaut und die Fläche renaturiert“, erläutert Hager. Auf anderen ehemaligen Bergbau-Flächen ist die Renaturierung bereits weit fortgeschritten – zum Beispiel auf den Halden Göttelborn und Kohlwald mit dem benachbarten Absinkweiher (Neunkirchen). Das größte Projekt war jedoch das Rosseltal, das die RAG schon vor mehr als 20 Jahren zehn Meter hoch mit Bergematerial aufgefüllt hat, „um Senkungen zu kompensieren“, erinnert Hager. Seitdem dieses künstlich angelegte Tal renaturiert ist, „hat sich die Natur die Fläche wieder zurückgeholt und sich prächtig entwickelt“.