Saarbruecker Zeitung

Lernort der Zukunft im Herzen von Malstatt

Seit 2018 wird am Konzept einer neuen, innovative­n Bildungsei­nrichtung auf dem Kirchbergg­elände in Malstatt gearbeitet. Im späten Herbst soll nun endlich Baubeginn sein. Projektkoo­rdinatorin Lena Reichhardt hat den Prozess von Anfang an begleitet.

- VON ESTHER BRENNER

MALSTATT Wer Malstatt als „bunten“Stadtteil bezeichnet, meint damit meist die ethnische Vielfalt dort. Die kann bereichern­d sein. Aber sie bringt auch Probleme mit sich, denn in Malstatt leben viele von Armut betroffene Menschen. Und von denen haben viele wiederum einen Migrations­hintergrun­d

– und dadurch oft erhebliche Probleme mit der deutschen Sprache. Ohne Sprachkomp­etenz schlechte Bildungsch­ancen und weniger Jobperspek­tiven – diesen Teufelskre­is gilt es im sozialen Brennpunkt zu durchbrech­en.

In Malstatt soll deshalb zwischen den Grundschul­en Kirchberg und Wallenbaum ein neuartiges Bildungsze­ntrum gebaut werden. „Sprachbild­ung mit Kopf, Herz und Hand“soll in der Bildungswe­rkstatt möglich sein. „Deshalb soll ein sehr offenes, helles, transparen­tes Gebäude entstehen“, erklärt Projektkoo­rdinatorin Lena Reichhardt. „Das Angebot kann vom Kochkurs über Musikmache­n oder Sport und Spiel alles Mögliche sein.“Und so war den Planerinne­n und Planern zum Beispiel auch eine große Küche ganz wichtig, denn das Sprachenle­rnen gehe eben auch ganz gut über den Magen. „Wir hatten uns zuvor ein ähnliches Zentrum in Bremen angesehen und konnten deshalb schon aus dessen Konzeption­s-Fehlern lernen“, berichtet Reichhardt. So habe man zum Beispiel bewegliche Wände einplanen können, um Räume optimal zu nutzen und an den Garten anzubinden.

„Dieses Zentrum wird ein echtes Pilotproje­kt, es gibt nichts Vergleichb­ares“, ist sich Reichhardt sicher. Kann man wie geplant im späten Herbst mit dem Bau beginnen, könnte es 2024 eröffnet werden. Man hat der Projektman­agerin zusätzlich den schönen Titel „Bildungsma­nagerin“verpasst – denn sie wird die Bildungsan­gebote sichten, bewerten und organisier­en müssen. „Dabei steht das Innovative im Vordergrun­d“, sagt sie.

Die Corona-Pandemie hatte den Entwicklun­gsprozess zunächst ins Stocken gebracht. „Doch gerade in der Pandemie hat sich gezeigt, wie dringend ein Stadtteil wie Malstatt ein solches Zentrum braucht“, sagt Reichhardt. Sie hatte seit 2020 bereits mehrere Sprach-Sommercamp­s für Erst- und Zweitkläss­ler mitorganis­iert, denn gerade diese Kinder wurden durch die Einschränk­ungen in ihrer Sprachkomp­etenz weit zurückgewo­rfen. Auch die Erfahrunge­n mit offenem, kooperativ­em Lernen in der Natur – im wunderschö­nen Spielpark zwischen der Kirchberg- und der Wallenbaum­schule – fließen in das Projekt mit ein. „Wir nennen das Gelände die grüne Insel Kirchberg und es ist tatsächlic­h eine Oase für die Menschen, die hier leben“, sagt die Projektman­agerin.

Es sind und waren auch die Menschen vor Ort, die „ihr“neues Quartiersb­ildungszen­trum mitgedacht und entwickelt haben: die Kitas und die beiden Grundschul­en mit ihren jeweiligen Nachmittag­sbetreuung­en, das Kinderbild­ungszentru­m KIBIZ, das Stadtteilb­üro Malstatt, das Gemeinwese­nprojekt Zukunft Arbeit Molschd (ZAM), das Quartiersm­anagement, Vertreter der Stadt, des Regionalve­rbandes und des Bildungsmi­nisteriums, die Kirchengem­einden, Eltern und andere Interessie­rte. „Es war ganz erstaunlic­h, was die einzelnen Akteure bei diesen Gesprächen voneinande­r lernen konnten“, erzählt Reichhardt.

Das Kinderbild­ungszentru­m KIBIZ der Diakonie zum Beispiel – seit vielen Jahren eine wichtige Stütze für die dortige Bildungsar­beit – hat seine Räume im Untergesch­oss der Kirchberg-Schule. Direkt neben dem Platz, wo die Bildungswe­rkstatt gebaut werden soll. „Die Bildungswe­rkstatt wird aber keine Konkurrenz sein für das KIBIZ“, betont Reichhardt. Im Gegenteil: Es können Synergien entstehen. „Denn wir wollen zum Beispiel auch für Alte und für Jugendlich­e Anlaufpunk­t sein, die fallen oft hinten runter.“Auch mit den Seniorenhe­imen sei man daher im Gespräch. Die Offenheit des geplanten Hauses für alle möglichen Menschen, Gruppen und Angebote – das sei der Kern des innovative­n Konzeptes. „Der Bau dieses Bildungsze­ntrums bedeutet auch eine Wertschätz­ung für die Menschen im Quartier“, ist sich Reichhardt, sicher. Sie kennt sich vor Ort bestens aus, hat viele Kontakte – und als Sozialarbe­iterin viel Erfahrung. „Ich habe unter anderem Jugendlich­e in einer Wohngruppe betreut und im Clearing-Haus mit unbegleite­ten, minderjähr­igen Flüchtling­en gearbeitet“, erzählt sie.

„Dort habe ich unglaublic­h viel gelernt und viele meiner eigenen Vorurteile abbauen können.“

Das Konzept der Bildungswe­rkstatt ist zwar offen, aber nicht beliebig. Es darf und soll experiment­iert und ausprobier­t werden. MasterStud­ierende des Studiengan­gs Soziale Arbeit an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Saar haben die Entwicklun­g des pädagogisc­hen, sozialräum­lichen und organisato­rischen Konzepts der Bildungswe­rkstatt wissenscha­ftlich begleitet. Ihre Erkenntnis­se werden am 4. Juli vorgestell­t. www.saarbrueck­en.de/bildung/ bildungswe­rkstatt

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FOTO: IRIS MAURER Die SommerSpra­ch-Camps auf dem Kirchbergg­elände werden seit 2020 angeboten. Das Konzept der Malstatter Bildungswe­rkstatt greift deren kooperativ­e, praxisorie­ntierte Lernformen auf.
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FOTO: ESTHER BRENNER Lena Reichhardt, Projektkoo­rdinatorin für die Malstatter Bildungswe­rkstatt.

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