Saarbruecker Zeitung

Wird die Tour de France zur Lotterie?

Am 1. Juli beginnt die Frankreich-Rundfahrt. Nach zahlreiche­n Corona-Fällen geht unter den Fahrern die Angst um.

- VON STEFAN TABELING

VADUZ (dpa) Steigende Infektions­zahlen in Europa, die Tour de Suisse als Corona-Farce und ein TourChampi­on Tadej Pogacar, der wieder Maske trägt: Weniger als zwei Wochen vor dem Start der Tour de France herrscht im Radsport höchste Alarmstimm­ung. Die Corona-Sommerwell­e lässt die Branche zittern. „Unserem Sport zuliebe hoffe ich nicht, dass es nur noch eine Lotterie wird“, sagte Teamchef Ralph Denk vom Rennstall Bora-hansgrohe mit Blick auf den Tour-Start am 1. Juli in Kopenhagen: „Die Sorge ist da. Es kann schon einschlage­n.“

Nach zahlreiche­n Corona-Fällen mussten mehr als 40 Radprofis die Tour de Suisse in den letzten Tagen vorzeitig beenden. Auch im Bora-Team gab es drei Fälle, darunter den des Russen Alexander Wlassow, der einen Tag nach seinem Etappensie­g und der Eroberung des Gelben Trikots am Freitag aussteigen musste. Auch das Umfeld von Pogacar, der daheim bei der Slowenien-Rundfahrt seine Generalpro­be absolviert­e und mit dem Sieg eine gelungene Tour-Generalpro­be feierte, war betroffen. Ein Teamkolleg­e wurde positiv getestet, ein weiterer sicherheit­shalber aus dem Rennen genommen. „Wir isolieren uns, so gut es geht“, sagte Pogacar: „An den ersten zwei Tagen haben wir Autogramme geschriebe­n und Fotos mit den Leuten gemacht. Nun bleiben wir auf Abstand, denn wir wollen bei der Tour am Start stehen.“

Die Teams sind aufgeschre­ckt, insbesonde­re in der Schweiz waren die Fahrer reihenweis­e positiv getestet worden. „Wir dachten eigentlich, dass wir all das hinter uns gelassen haben“, sagte Geraint Thomas, Gewinner der Frankreich-Rundfahrt 2018. Der Waliser ist sportlich gerüstet, holte sich in der Schweiz erstmals den Gesamtsieg. Vier Teams verließen wegen der Fälle ganz das Rennen, andere stellten zum Schluss nur noch eine Rumpfmanns­chaft, wie Bora-hansgrohe. „Ich kreuze die Finger, dass ich kein Corona bekomme“, sagte der deutsche Meister Maximilian Schachmann, der bereits zu Beginn des Jahres nach einer CoronaErkr­ankung und einem schweren Infekt zurückgewo­rfen worden war. Seine drei positiv getesteten Kollegen haben laut Denk nur leichte Symptome, „was uns Richtung Tour de France positiv stimmt“.

Wlassow war als Mann für die Gesamtwert­ung bei der Frankreich­Rundfahrt vorgesehen. „Wir haben es nicht aufgegeben. Es besteht schon noch eine Chance. Man muss jetzt mal eine Woche abwarten. Wenn er negativ ist, kann er wieder auf das Rad steigen. Im Moment trainiert er nicht“, erklärte Denk. Die Tour startet am 1. Juli in Kopenhagen. Auch die Mannschaft von Pogacars Rivalen Primoz Roglic war betroffen. Jumbo-Visma verließ nach Corona-Fällen im Team als erstes

„Wenn wir uns wieder vor den Fans, vor den Journalist­en isolieren, dann geht irgendwann das Flair des Sports verloren.“Ralph Denk Teamchef Bora-hansgrohe

das Rennen, weshalb nun zunächst kein Fahrer aus dem Schweiz-Aufgebot zu Roglic ins Trainingsl­ager nach Tignes reisen wird.

Laut Denk müssen alle Fahrer vor dem Tour-Start einen verpflicht­enden PCR-Test vorlegen, danach soll wie in den letzten beiden Jahren jeweils an den Ruhetagen getestet werden. Bei den Ausgaben 2020 und 2021 gab es keinen Positiv-Fall, allerdings hatte sich der Tour-Tross damals strikt isoliert und in einer eigenen Blase bewegt. Seit dieser Saison hat der Weltverban­d UCI die Regeln wieder gelockert. Bei Bora versuche man, den „gesunden Menschenve­rstand walten“zu lassen. „Wenn wir uns wieder vor den Fans, vor den Journalist­en isolieren, dann geht irgendwann das Flair des Sports verloren. Da habe ich Bauchschme­rzen“, meinte Denk. Man müsse sich mit dem Virus arrangiere­n.

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FOTO: EHRENZELLE­R/DPA Lange konnte sich Radprofi Alexander Wlassow vom Team Bora-hansgrohe nicht über seine Führung bei der Tour de Suisse freuen – einen Tag später wurde er positiv auf das Coronaviru­s getestet und musste aussteigen.

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