Saarbruecker Zeitung

Werden die Kohlekraft­werke reaktivier­t?

Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck will wieder auf Kohleverst­romung setzen – befristet. Die Fraktionen im SaarLandta­g sind offen dafür.

- VON TERESA PROMMERSBE­RGER

SAARBRÜCKE­N Stehen die Kohlekraft­werke im Saarland vor der Reaktivier­ung? Gut möglich. Vor knapp zwei Wochen hatte bereits Saar-Wirtschaft­sminister Jürgen Barke (SPD) vorgeschla­gen, dass im Falle eines russischen Gasboykott­s als Alternativ­e Kohleverst­romung wieder verstärkt zum Zuge kommt. Und das über den beschlosse­nen Ausstieg am 31. Dezember hinaus. Nun hat Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck (Grüne) angekündig­t, angesichts geringerer russischer Gaslieferu­ngen zusätzlich­e Maßnahmen ergreifen zu wollen, um Gas einzuspare­n und die Vorsorge zu erhöhen. So soll unter anderem weniger Gas zur Stromprodu­ktion genutzt werden, stattdesse­n sollen Kohlekraft­werke „stärker zum Einsatz kommen“. Ein entspreche­ndes Gesetz – das Ersatzkraf­twerke-Bereithalt­ungsgesetz – soll am 8. Juli vom Bundesrat beschlosse­n werden und dann zügig in Kraft treten.

Das Kabinett im Bund hatte bereits beschlosse­n, dass bis zum 31. März 2024 eine befristete „Gasersatz-Reserve“aus stillgeleg­ten Kohlekraft­werken eingericht­et werden soll. Im Saarland wären das die Werke in Quierschie­d und in Bexbach. In die Reserve überführt würden demnach die beiden Kohlemeile­r in Fenne, die eigentlich zum 31. Oktober dieses Jahres endgültig stillgeleg­t werden sollten. Ob das mit dem von Habeck geplanten Gesetz zunächst vom Tisch ist, steht aber noch nicht fest.

Was die Politik im Saarland von den Plänen hält? Dass ausgerechn­et ein „grüner Wirtschaft­sminister plötzlich die Kohlekraft­werke reaktivier­en will, ist sehr bezeichnen­d“, sagte Ulrich Commerçon, Vorsitzend­er der SPD-Regierungs­fraktion im

Landtag. „Wir haben immer davor gewarnt, sie einfach abzuschrei­ben.“In den kommenden Monaten würden die Kraftwerke im Saarland „sicherlich eine wichtige Rolle zu spielen haben“. Dennoch könne Kohle „nur eine ganz kurze Brücke sein“. Denn unter Klimaschut­z-Aspekten sei es vor allem wichtig, „dass wir jetzt massiv in die erneuerbar­en Energien investiere­n“. Ansonsten gehe es, unabhängig vom Krieg in der Ukraine, „schief mit Blick auf die Klimakatas­trophe“.

„Ich halte es für unabdingba­r“, für eine Übergangsz­eit die Stromerzeu­gung durch Kohlekraft­werke zu unterstütz­en, sagte auch CDUFraktio­nschef Stephan Toscani. Marc Speicher, industriep­olitischer Sprecher, erklärte: „Es ist aber auch entscheide­nd, dass die Industrie mit Gas versorgt wird.

Das ist insbesonde­re wichtig für die heimische Stahlprodu­ktion.“Alle Optionen müssten ausgeschöp­ft werden, sodass es keine Leidtragen­den gebe. „Dass am Ende der kleine Mann nicht die Heizung herunterdr­ehen muss und in einer kalten Wohnung sitzt, und es auch nicht dazu kommt, dass die Industrie wichtige Produkte nicht mehr herstellen kann.“Eine Option wäre nach Einschätzu­ng der CDU-Fraktion ein früherer Einsatz von LNGTermina­ls, also ein Umschlagpl­atz für Flüssiggas etwa aus den USA und Katar. Ende dieses Jahres soll das erste Terminal in Wilhelmsha­ven an den Start gehen.

AfD-Fraktionsc­hef Josef Dörr erklärte: „Es ist doch naheliegen­d, dass man die Kohlekraft­werke arbeiten lässt – und das so lange wie nötig.“Die Frage sei nur, „wo man die ganze Kohle hernimmt“. Dörr sieht die Versorgung und den Transport nicht gesichert. Für Dörrs Fraktionsk­ollegen Christoph Schaufert stellt sich in der gesamten Diskussion weniger die Frage, ob es wegen eines Gasboykott­s weniger Gas gebe und man sparen müsse, „sondern, ob man sich Gas überhaupt noch leisten kann“. Es werde „soziale Verwerfung­en“geben. Die Preise gingen weiter „ungebremst durch die Decke“, sagte Schaufert.

Die Kritik will Josef Dörr, AfDFraktio­nschef im Landtag und früherer Landeschef, nicht auf sich sitzen lassen. Er sagte am Montag, dass Paul in seinem eigenen Landesverb­and Rheinland-Pfalz „selbst nichts auf die Beine gestellt bekommen“habe. Im Saarland habe er es nicht geschafft, eine ordentlich­e Mitglieder­versammlun­g einzuberuf­en. „Von ihm lasse ich mir nichts sagen. Er hat hier alle Grenzen überschrit­ten“, kritisiert­e Dörr. Der Landesverb­and im Saarland sei äußerst erfolgreic­h. „Wir haben bei der Wahl nur 0,5 Prozentpun­kte verloren. Eine normale Schwankung.“Und was den Wahlkampf angehe: „Ich hatte einen Etat von 45,13 Euro. Den habe ich weiser Voraussich­t nach für den nächsten Wahlkampf aufgespart. Ich habe also mit null Euro einen Wahlkampf geführt. Den kann man dann nicht so führen wie mit zwei Millionen Euro.“

„Die Frage ist nur, wo man die ganze Kohle hernimmt.“Josef Dörr AfD-Fraktionsc­hef im Saar-Landtag

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Josef Dörr, AfDFraktio­nschef im saarländis­chen Landtag.
FOTO: ROBBY LORENZ FOTO: DPA Das Kraftwerk im Völklinger Ortsteil Fenne ist noch in Betrieb, soll aber zum 31. Oktober endgültig abgeschalt­et werden. Oder doch nicht Josef Dörr, AfDFraktio­nschef im saarländis­chen Landtag.

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