Vom Getriebenen zum Antreiber
Bernd Neuendorf ist seit 100 Tagen Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) und zieht eine Anfangsbilanz.
FRANKFURT (sid) Dem Kanzler hat Bernd Neuendorf schon geschrieben, den Fifa-Boss will er bald kennenlernen, die großen Ziele zügig realisieren – 100 Tage nach seiner Wahl zum Präsidenten hat sich der neue Chef des Deutschen FußballBundes (DFB) als Antreiber präsentiert. „Wir wollen nicht mehr die Getriebenen sein“, sagte Neuendorf über seine Anfangszeit: „Sondern eine treibende Kraft.“
Getreu diesem Motto sollen bei einem großen Aufregerthema Nägel mit Köpfen gemacht werden. Die Entscheidung über den Marketingbegriff „Die Mannschaft“steht kurz bevor. „Ende Juli wird es Sitzungen der zuständigen Gremien geben, dabei wird definitiv entschieden“, sagte Neuendorf mit Blick auf die ungeliebte Bezeichnung für die Nationalmannschaft: „Ich bin kein Freund endloser Geschichten.“
Endlos viel Zeit will sich Neuendorf auch nicht bei der Frage lassen, wie er als künftiges Mitglied im Fifa-Council dem umstrittenen Weltverbandsboss Gianni Infantino gegenübertreten möchte. „Natürlich registriere ich die Kritik an Infantino“, sagte Neuendorf: „Ich will aber erst einmal persönlich in einen Dialog mit ihm treten. Ohne diesen Dialog möchte ich mich nicht abschließend positionieren.“Allerdings machte Neuendorf mit seiner Kritik an der WM-Endrunde am Jahresende in Katar klar, dass es wohl eher ein distanziertes Verhältnis werden dürfte. „Die Vergabe ist fragwürdig“, sagte der 60-Jährige: „Ob es wirklich die tollste Veranstaltung aller Zeiten wird – dahinter würde ich mal ein Fragezeichen setzen.“
Fraglos steht für Neuendorf dagegen fest, dass er den krisengeplagten DFB nach „sehr intensiven“100 Tagen im Amt auf den Weg der Besserung geführt hat. „Es ist gelungen, eine gewisse Stabilität in den Verband zurückzubringen“, sagte der neue Boss, der sich am 11. März gegen Peter Peters durchgesetzt hatte: „Ich möchte eine produktive Unruhe im Verband. Ich brauche Ideen, Gedanken und Kreativität.“
„Ich möchte eine produktive Unruhe im Verband.“Bernd Neuendorf DFB-Präsident
Das ist auch bitter nötig. So wird Neuendorf in den kommenden Tagen in Berlin unterwegs sein, um bei der Bundesregierung für Unterstützung bei verschiedenen Themen wie der Verbesserung der Infrastruktur zu werben, bevor er am 30. Juni den 150 Millionen Euro teuren DFBCampus einweiht.
Im Kampf gegen die Einführung einer europäischen Super League kann der DFB auf die Politik zählen. Laut Neuendorf werden Regierungsvertreter bei der mündlichen Verhandlung vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg am 11. und 12. Juli vor Ort sein. „Es muss klargemacht werden, dass der Sport dem Allgemeinwohl und nicht den Interessen einiger Weniger dienen will“, sagte er. Die Interessen des DFB will Neuendorf den Sommer über auch mit Reisen auf den Balkan und nach Osteuropa vertreten. Dort möchten er und Generalsekretärin
Heike Ullrich für die gemeinsame Bewerbung mit Belgien und den Niederlanden um die Austragung der Frauen-WM 2027 werben. „Wir wollen für unsere Themen begeistern“, sagte Neuendorf.
Wie es mit der Begeisterung der Profiklubs angesichts der anstehenden Verhandlungen über den neuen Grundlagenvertrag aussehen wird, ist offen. Aber auch hier zeigt sich Neuendorf optimistisch. „Ich bin zuversichtlich, dass es weit weniger Konfrontation geben wird, als viele glauben“, sagte Neuendorf: „Wir ziehen an einem Strang mit der Liga.“