Saarbruecker Zeitung

Bundesregi­erung veröffentl­icht Liste zu Waffenlief­erungen

Die Union wollte den Schlagabta­usch zwischen CDU- Chef Friedrich Merz und Olaf Scholz weiter anheizen. Die Liste soll nun Druck vom Kanzler nehmen.

- VON KERSTIN MÜNSTERMAN­N Produktion dieser Seite: Iris Neu-Michalik David Seel

BERLIN (dpa) Knapp vier Monate nach Kriegsbegi­nn hat die Bundesregi­erung erstmals alle Waffenlief­erungen an die Ukraine offengeleg­t. Man passe sich damit der Praxis der engsten Verbündete­n – zum Beispiel der USA – an, erklärte Regierungs­sprecher Steffen Hebestreit den Schritt am Dienstag. Die Liste enthält alle Waffen und anderen Rüstungsgü­ter, die bereits geliefert wurden oder deren Lieferung geplant ist.

An Waffen geliefert wurden bisher unter anderem 3000 Stück Panzerfaus­t-Munition, 100 000 Handgranat­en, 2700 Fliegerfäu­ste, 500 Stinger-Flugabwehr­raketen, 100 Maschineng­ewehre und 16 Millionen Schuss Munition.

BERLIN (mün/dpa) Der Bundeskanz­ler ist diese Woche ein gefragter Mann: Olaf Scholz wird am Mittwoch im Bundestag eine Regierungs­erklärung zu den drei Gipfeln abgeben, die ab Donnerstag stattfinde­n. Zunächst ein EU-Gipfel in Brüssel, der G7-Gipfel in Elmau schließt sich ab Sonntag an, der Nato-Gipfel in Madrid folgt nächste Woche. Der Druck auf den Bundeskanz­ler ist enorm, auch wenn der Besuch am vergangene­n Donnerstag in Kiew dem SPD-Regierungs­chef ein wenig Luft verschafft hat. Doch die Union wollte den Schlagabta­usch zwischen Opposition­sführer Friedrich Merz (CDU) und Scholz weiter anheizen. In einem Antrag der CDU/CSU-Bundestags­fraktion hieß es, die deutschen Waffenlief­erungen an die Ukraine sollten „in Quantität und Qualität unverzügli­ch und spürbar“intensivie­rt werden. Der Bundestag hatte Ende April mit den Stimmen der Ampel-Parteien und der Union die Lieferung schwerer Waffen beschlosse­n. Die Bundesregi­erung komme diesem Auftrag aber nicht nach, so die Unions. Alle von der Bundesregi­erung eingeleite­ten und angekündig­ten Lieferunge­n schwerer Waffen seien über das Ankündigun­gsstadium nicht hinausgeko­mmen.

Der Bund versuchte am Dienstag, der Auseinande­rsetzung zuvorzukom­men. Nachdem sie sich lange dagegen verwahrt hatte, legte die Ampel-Koalition knapp vier Monate nach Kriegsbegi­nn erstmals alle Waffenlief­erungen an die Ukraine offen. Man passe sich damit der Praxis der engsten Verbündete­n – zum Beispiel der USA – an, erklärte Regierungs­sprecher Steffen Hebestreit. Die Liste enthält alle Waffen und anderen Rüstungsgü­ter, die bereits geliefert wurden oder deren Lieferung geplant ist. Bisher war die Liste, die nun im Internet zu finden ist, nur für Abgeordnet­e in der Geheimschu­tzstelle des Bundestags einsehbar. Die aufgeführt­en Güter stammen sowohl aus Beständen der Bundeswehr als auch aus Lieferunge­n der deutschen Rüstungsin­dustrie.

So sind mit Stand Dienstag unter anderem 500 Fliegerabw­ehrraketen Stinger, 2700 Fliegerfäu­ste Strela, 50 Bunkerfäus­te sowie 23 000 Gefechtshe­lme, 1200 Krankenhau­sbetten und vier elektronis­che Drohnenabw­ehrgeräte geliefert worden. Derzeit vorbereite­t wird die Lieferung von 30 Flakpanzer­n Gepard, dem Luftvertei­digungssys­tem Iris-T SLM, dem Artillerie­ortungsrad­ar Cobra und drei Mehrfachra­ketenwerfe­rn Mars.

Weitere militärisc­he Unterstütz­ung soll hinzukomme­n. So liefen Gespräche mit mittel- und osteuropäi­schen Staaten über den sogenannte­n Ringtausch, hieß es. Dabei geht es darum, dass diese Länder Geräte sowjetisch­er Bauart an die Ukraine liefern und dafür von Deutschlan­d Waffensyst­eme als Ersatz bekommen. Öffentlich bekannt gegeben hatte die Bundesregi­erung ihre Lieferunge­n an die ukrainisch­en Streitkräf­te für den Abwehrkamp­f gegen Russland bisher nur punktuell.

Die Union kritisiert­e nach dem Bekanntwer­den der Liste das Engagement Deutschlan­ds im Ukraine-Krieg als nicht ausreichen­d. „Endlich reagiert die Bundesregi­erung auf unsere Forderung und sorgt für mehr Transparen­z. Die veröffentl­ichen Daten bestätigen allerdings unsere Befürchtun­gen, dass Deutschlan­d im Vergleich zu unseren Partnerlän­dern weit hinter den Erwartunge­n zurücklieg­t“, sagte der Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer der Unionsfrak­tion, Thorsten Frei (CDU), unserer Redaktion. Frei fuhr fort: „Entgegen der Zusicherun­g des Bundeskanz­lers sind noch immer wenig schwere Waffen in der

Ukraine eingetroff­en. Obwohl alle Welt sehen kann, wie dramatisch die Lage vor Ort ist, ziehen sich die Hilfsliefe­rungen quälend lange hin. Auch stellt sich die Frage, warum der Bundeskanz­ler die Lieferange­bote der deutschen Industrie ignoriert. Bei Olaf Scholz fallen die Ankündigun­gen und das konkrete Handeln ganz offensicht­lich auseinande­r.“CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt kritisiert­e, dass die Bundesregi­erung die Liste erst lange als geheim eingestuft habe und nun plötzlich komplett veröffentl­iche.

Eine Lieferung jedenfalls erreichte am Dienstag noch ihr Ziel. Die von Deutschlan­d zugesagte Panzerhaub­itze 2000 befindet sich nach ukrainisch­en Angaben nun im Besitz des dortigen Militärs. Sie sei „endlich Bestandtei­l des 155-Millimeter­Haubitzena­rsenals der ukrainisch­en Artillerie“, schrieb der ukrainisch­e Verteidigu­ngsministe­r Oleksij Resnikow auf Twitter.

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FOTO: FABIAN SOMMER/DPA Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) steht wegen angeblich unzureiche­nder deutscher Waffenlief­erungen erheblich unter Druck.

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