„Als ich 20 war, schien das für mich unvorstellbar“
Tote-Hosen-Frontmann Campino scheint selbst nicht ganz fassen zu können, dass er schon 60 wird. Klar ist: Von allen Punks der 80er ist er der populärste.
DÜSSELDORF (dpa) Nicht übel für einen Haufen Punks der frühen 80er: Mit ihrem Jubiläumsalbum „Alles aus Liebe: 40 Jahre Die Toten Hosen“haben die fünf Düsseldorfer Anfang Juni lässig die Charts-Spitze gestürmt und einen Rekord aufgestellt – sie sind nun die Band mit den meisten Nummer-eins-Platten in Deutschland (zwölf), noch vor den Beatles. Frontmann Campino, der diesen Mittwoch 60 wird, hat also wieder mal allen Grund zur Dankbarkeit.
Die äußert der Hosen-Sänger und -Texter derzeit häufig, und man nimmt ihm die Gefühle ab. Denn
Campino– bürgerlich Andreas Frege – hat eine sehr überzeugende Menschenfänger-Natur. Der Erfolg über so viele Jahrzehnte und die Nähe zu den Leuten seien „ein Riesengeschenk“, sagt er.
Dass die Toten Hosen trotz einiger Besetzungswechsel so stabil und populär sind, hat viel mit Campino zu tun. Denn der ist „nicht nur der Sänger, sondern auch das Gesicht der Band“, wie es auf der Hosen-Website heißt. Mit Charme und Willensstärke hält er den Laden zusammen, absolviert Medien-Auftritte, äußert sich so offenherzig wie reflektiert zu Politik und Gesellschaft. Den für RockbandLeitfiguren fast normalen Wunsch nach musikalischen Egotrips habe er nie verspürt, betont der DeutschBrite. Campinos Seitensprünge sahen anders aus: mal Theater spielen, mal ein Film, mal ein Fußball-Buch.
Dass er nach seiner nicht immer gesunden Punk-Lebensweise nun 60 werde, sei „erstmal schön – als ich 20 war, schien das für mich unvorstellbar“, sagt Campino grinsend. Und dann, ernsthaft: „Man kann schon ganz oft erkennen, dass man älter geworden ist, und muss sich von jeder Menge Sachen verabschieden. Aber gleichzeitig hat man wieder Raum, um andere Sachen zu entdecken.“
Kann er sich also heute, während der Jubiläumstournee, noch einen akrobatischen Sprung am Mikroständer vorstellen, wie früher? „Dieser Spagat würde wohl ziemlich bescheuert aussehen mittlerweile“, sagt Campino. „Es ist jetzt meine Aufgabe, den Abend so energetisch zu gestalten, dass alle nach Hause gehen und solche Aktionen aus der Vergangenheit nicht vermissen.“
Der gebürtige Düsseldorfer und Fußball-Fan hat sich inzwischen, vor allem wegen seines 18-jährigen Sohnes, zeitweise in Berlin eingerichtet. Über Campino privat weiß man aber doch recht wenig. Dass er 2019 erstmals geheiratet hat, gab er zum Beispiel mit Verspätung preis – den Namen der Ehefrau bis heute nicht.
Wie schafft es der Sänger der erfolgreichsten deutschen Rockband der vergangenen 40 Jahre, sein Leben so abzuschirmen? „Ich finde ganz wichtig, dass es einen Bereich gibt, wo man klarmacht: bis hierhin und nicht weiter. Stattdessen versuche ich auf andere Art, nahbar zu sein. Mich kann jeder alles fragen – aber welche Antwort ich gebe, das ist dann meine Sache. Wenn es mir zu intim oder voyeuristisch wurde, bin ich stets abgebogen.“