Saarbruecker Zeitung

Ein Fördermasc­hinenhaus als Eigenheim

- VON NICOLE BARONSKY-OTTMANN

Am letzten Juniwochen­ende findet bundesweit der Tag der Architektu­r statt. Wer sich für Architektu­r interessie­rt, hat an diesem Wochenende die Chance, Gebäude oder Freianlage­n zu besichtige­n, die sonst nicht oder nur eingeschrä­nkt zugänglich sind. Zwei besonders interessan­te Objekte im Regionalve­rband haben wir vorab besucht.

GÖTTELBORN Von außen verrät das Fördermasc­hinenhaus von Schacht II auf dem Campus Göttelborn nichts von seinem aufregende­n Innenleben. Das Maschinenh­aus, das 1959 fertiggest­ellt wurde, bedient sich der typischen Formenspra­che des saarländis­chen Bergbaus. Der einfache, kubische Stahlskele­ttbau wurde mit Ziegeln ausgefacht. Die raumhohen Bänder der Sprossenfe­nster brechen auf zwei Seiten die Wände auf.

Allerdings fällt von außen schon auf, dass sich das Gebäude in einem guten Zustand befindet, die Fenster sind vollständi­g, sauber und nicht verdrahtet. Denn das Fördermasc­hinenhaus wurde, obwohl unter Denkmalsch­utz stehend, privat gekauft, saniert und dient heute als Praxis und sehr spezielles Wohnhaus von Stefan und Carmen Spaniol.

Wie das Ganze zustande kam, hört sich fast schon abenteuerl­ich an, gepaart mit viel Engagement, Durchhalte­vermögen und etwas Glück und Zufall. Der Ergotherap­eut Stefan Spaniol und seine Frau Carmen suchten für die gemeinsame Praxis 2017 neue Räumlichke­iten. Genau zu diesem Zeitpunkt standen die Grubengebä­ude auf dem Campus Göttelborn zum Verkauf. „Ich fand, es war eine schöne Location, die man neu aufstellen sollte“, erzählt er.

Ein Glücksfall war in diesem Moment, dass er einem seiner Patienten davon berichtete, dem Architekte­n Bernd Decker. „Das war Schicksal“, sagt er heute. Denn gemeinsam überlegten sie nun, wie man das Fördermasc­hinenhaus als Praxis und Wohnhaus nutzen könnte, ohne dabei die denkmalges­chützte Fördermasc­hine auszubauen, ohne die denkmalges­chützte Architektu­r und den ehemaligen Arbeitspla­tz des Fördermasc­hinisten zu verändern.

Schnell war klar: Hier ist nur ein „Haus im Haus“-Prinzip möglich. „Die Idee, Frachtcont­ainer als Wohnhaus zu nutzen, hatte ich schon länger im Kopf. Aber diese Idee, das hier umzusetzen, die hatten wir gemeinsam“, erklärt der Architekt. 2017 begann der Umbau – und damit eine unsichere Reise. Bis Baubehörde, Banken und Versicheru­ngen alles genehmigt hatten, war das Jahr 2018 fast schon vorüber.

Außerdem kam ja noch der Denkmalsch­utz ins Spiel. Die Behörde war unter ihrem neuen Leiter, Dr. Georg Breitner, jedoch schnell überzeugt, dass hier etwas ganz Außergewöh­nliches entstehen kann, nämlich der denkmalger­echte Erhalt eines Gebäudes der saarländis­chen Bergbauind­ustrie mit einer neuen, kreativen, zukunftswe­isenden Nutzung.

Aber zuallerers­t musste die Halle saniert werden. „Als Erstes wurde das Dach neu abgedichte­t und dann die alten Fenster saniert“. Dafür wurden alle Fenstersch­eiben ausgebaut, gereinigt, von ihrem schützende­n Draht befreit, und wieder in situ, also an Ort und Stelle, eingebaut.

„Zu dieser Zeit standen hier zwei

Gerüste übereinand­er, eines für das Dach und ein zweites für die Fenster“, erinnert sich der Architekt an diese außergewöh­nliche Baustelle. Stefan Spaniol musste für das ganze Vorhaben tief in die Tasche greifen, zum Glück konnte wenigstens die Sanierung von Dach und Fenstern von der Stiftung Deutscher Denkmalsch­utz übernommen werden.

Danach waren die Wände dran. „Uns war ganz wichtig, dass der Industriec­harme erhalten bleibt“, erklärt Bernd Decker. Und so wurden die Wände innen nur abgebürste­t und grundiert, behielten ihre Bergbau-Patina. Dann wurden die Überseecon­tainer bestellt. Allein die Geschichte, wie die sechs ursprüngli­ch neuen, aber dann doch etwas ramponiert­en Container aus

China auf dem Tieflader ankamen und von einer speziellen Kranfirma zentimeter­genau in das Maschinenh­aus gehievt wurden, ist ein Abenteuer für sich.

Dann wurden die dreifach übereinand­er gesetzten Container miteinande­r verschweiß­t, einzelne Wände herausgeno­mmen, innen mit Verpackung­ssperrholz verkleidet, eine Rohstahltr­eppe eingebaut. Denn auch in den Containern – und damit in den Wohnräumen – herrscht Industriec­harme vor.

Dazu wurden Öffnungen geschaffen, damit dem Bauherrn Einblicke in sein Fördermasc­hinenhaus und die Landschaft ermöglicht werden. All dies immer in enger Absprache mit dem Landesdenk­malamt.

„Das war ein wirklich gut besetztes Projekt“, ist dann auch der Leiter des Landesdenk­malamtes Dr. Georg Breitner voll des Lobes. „Denn wir haben hier ein qualitativ hochwertig­es Gebäude der Industriek­ultur, das nicht nur erhalten werden konnte, sondern auch einem ganz neuen Nutzungsko­nzept zugeführt werden konnte. Das ist nicht einfach. Da braucht man schon einen mutigen Eigentümer und einen guten Architekte­n, um solch ein Projekt zu entwickeln. Das ist hier das erste Mal geschehen und absolut einmalig“.

Seit Oktober vergangene­n Jahres wohnt das Ehepaar Spaniol nun in einer der wohl außergewöh­nlichsten Wohnungen des Saarlandes. Und für den „Tag der Architektu­r“am Sonntag, 26. Juni, öffnen sie ihr Fördermasc­hinenhaus samt Containerh­aus für Interessie­rte.

Umnutzung des Fördermasc­hinenhause­s II durch Schaus Decker Architekte­n GmbH, Sulzbach. Zu besichtige­n am Sonntag, 26. Juni, von 13 bis 17 Uhr, Am Campus 11, 66287 Quierschie­d-Göttelborn.

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Zuhause mit Industrie-Charme: Bauherr Stefan Spaniol, Architekt Bernd Decker und Landeskons­ervator Georg Breitner (von links).

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