Ein Fördermaschinenhaus als Eigenheim
Am letzten Juniwochenende findet bundesweit der Tag der Architektur statt. Wer sich für Architektur interessiert, hat an diesem Wochenende die Chance, Gebäude oder Freianlagen zu besichtigen, die sonst nicht oder nur eingeschränkt zugänglich sind. Zwei besonders interessante Objekte im Regionalverband haben wir vorab besucht.
GÖTTELBORN Von außen verrät das Fördermaschinenhaus von Schacht II auf dem Campus Göttelborn nichts von seinem aufregenden Innenleben. Das Maschinenhaus, das 1959 fertiggestellt wurde, bedient sich der typischen Formensprache des saarländischen Bergbaus. Der einfache, kubische Stahlskelettbau wurde mit Ziegeln ausgefacht. Die raumhohen Bänder der Sprossenfenster brechen auf zwei Seiten die Wände auf.
Allerdings fällt von außen schon auf, dass sich das Gebäude in einem guten Zustand befindet, die Fenster sind vollständig, sauber und nicht verdrahtet. Denn das Fördermaschinenhaus wurde, obwohl unter Denkmalschutz stehend, privat gekauft, saniert und dient heute als Praxis und sehr spezielles Wohnhaus von Stefan und Carmen Spaniol.
Wie das Ganze zustande kam, hört sich fast schon abenteuerlich an, gepaart mit viel Engagement, Durchhaltevermögen und etwas Glück und Zufall. Der Ergotherapeut Stefan Spaniol und seine Frau Carmen suchten für die gemeinsame Praxis 2017 neue Räumlichkeiten. Genau zu diesem Zeitpunkt standen die Grubengebäude auf dem Campus Göttelborn zum Verkauf. „Ich fand, es war eine schöne Location, die man neu aufstellen sollte“, erzählt er.
Ein Glücksfall war in diesem Moment, dass er einem seiner Patienten davon berichtete, dem Architekten Bernd Decker. „Das war Schicksal“, sagt er heute. Denn gemeinsam überlegten sie nun, wie man das Fördermaschinenhaus als Praxis und Wohnhaus nutzen könnte, ohne dabei die denkmalgeschützte Fördermaschine auszubauen, ohne die denkmalgeschützte Architektur und den ehemaligen Arbeitsplatz des Fördermaschinisten zu verändern.
Schnell war klar: Hier ist nur ein „Haus im Haus“-Prinzip möglich. „Die Idee, Frachtcontainer als Wohnhaus zu nutzen, hatte ich schon länger im Kopf. Aber diese Idee, das hier umzusetzen, die hatten wir gemeinsam“, erklärt der Architekt. 2017 begann der Umbau – und damit eine unsichere Reise. Bis Baubehörde, Banken und Versicherungen alles genehmigt hatten, war das Jahr 2018 fast schon vorüber.
Außerdem kam ja noch der Denkmalschutz ins Spiel. Die Behörde war unter ihrem neuen Leiter, Dr. Georg Breitner, jedoch schnell überzeugt, dass hier etwas ganz Außergewöhnliches entstehen kann, nämlich der denkmalgerechte Erhalt eines Gebäudes der saarländischen Bergbauindustrie mit einer neuen, kreativen, zukunftsweisenden Nutzung.
Aber zuallererst musste die Halle saniert werden. „Als Erstes wurde das Dach neu abgedichtet und dann die alten Fenster saniert“. Dafür wurden alle Fensterscheiben ausgebaut, gereinigt, von ihrem schützenden Draht befreit, und wieder in situ, also an Ort und Stelle, eingebaut.
„Zu dieser Zeit standen hier zwei
Gerüste übereinander, eines für das Dach und ein zweites für die Fenster“, erinnert sich der Architekt an diese außergewöhnliche Baustelle. Stefan Spaniol musste für das ganze Vorhaben tief in die Tasche greifen, zum Glück konnte wenigstens die Sanierung von Dach und Fenstern von der Stiftung Deutscher Denkmalschutz übernommen werden.
Danach waren die Wände dran. „Uns war ganz wichtig, dass der Industriecharme erhalten bleibt“, erklärt Bernd Decker. Und so wurden die Wände innen nur abgebürstet und grundiert, behielten ihre Bergbau-Patina. Dann wurden die Überseecontainer bestellt. Allein die Geschichte, wie die sechs ursprünglich neuen, aber dann doch etwas ramponierten Container aus
China auf dem Tieflader ankamen und von einer speziellen Kranfirma zentimetergenau in das Maschinenhaus gehievt wurden, ist ein Abenteuer für sich.
Dann wurden die dreifach übereinander gesetzten Container miteinander verschweißt, einzelne Wände herausgenommen, innen mit Verpackungssperrholz verkleidet, eine Rohstahltreppe eingebaut. Denn auch in den Containern – und damit in den Wohnräumen – herrscht Industriecharme vor.
Dazu wurden Öffnungen geschaffen, damit dem Bauherrn Einblicke in sein Fördermaschinenhaus und die Landschaft ermöglicht werden. All dies immer in enger Absprache mit dem Landesdenkmalamt.
„Das war ein wirklich gut besetztes Projekt“, ist dann auch der Leiter des Landesdenkmalamtes Dr. Georg Breitner voll des Lobes. „Denn wir haben hier ein qualitativ hochwertiges Gebäude der Industriekultur, das nicht nur erhalten werden konnte, sondern auch einem ganz neuen Nutzungskonzept zugeführt werden konnte. Das ist nicht einfach. Da braucht man schon einen mutigen Eigentümer und einen guten Architekten, um solch ein Projekt zu entwickeln. Das ist hier das erste Mal geschehen und absolut einmalig“.
Seit Oktober vergangenen Jahres wohnt das Ehepaar Spaniol nun in einer der wohl außergewöhnlichsten Wohnungen des Saarlandes. Und für den „Tag der Architektur“am Sonntag, 26. Juni, öffnen sie ihr Fördermaschinenhaus samt Containerhaus für Interessierte.
Umnutzung des Fördermaschinenhauses II durch Schaus Decker Architekten GmbH, Sulzbach. Zu besichtigen am Sonntag, 26. Juni, von 13 bis 17 Uhr, Am Campus 11, 66287 Quierschied-Göttelborn.