Es geht rund bei der Deutschen Bahn
Der Konzern steht vor einer grundlegenden Sanierung. Damit nichts schiefgeht, will Verkehrsminister Volker Wissing die Zügel anziehen.
BERLIN Bahn-Konzernchef Richard Lutz und Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) haben am Mittwoch ihre Pläne zur „Generalsanierung“des Konzerns präsentiert. Es wird teuer, lange dauern und eine Herausforderung für die Kunden. Fragen und Antworten zu den Umbauplänen:
Wie ist die Lage der Bahn
Dramatisch schlecht. „So wie es ist, kann es nicht bleiben“, meinte Wissing. „Ich will die Probleme angehen und lösen, indem ich sie zur Chefsache mache.“Ein besserer Schienenverkehr sei unerlässlich auch für die Klimaziele der Regierung. Mit dem aktuellen Zustand der Bahn sei dies aber nicht zu erreichen. Und dieser Zustand stellt sich so dar: Rund 51 000 Züge fahren täglich, 2010 waren es noch 47 000. Die Nutzungsintensität auf dem Schienennetz hat sich seit der Bahnreform 1994 bis zum Jahr 2021 um mehr als 60 Prozent erhöht. Zugleich treffe die steigende Nachfrage auf ein Streckennetz und auf Bahnhöfe, die nicht mitgewachsen seien, so Bahnchef Richard Lutz. Oder anders: die marode sind. Viele Gleise, Weichen, Stellwerke und Brücken sind alt und störanfällig. Außerdem wird laut Bahn auf „Rekordniveau“gebaut. Das verschärft die Probleme.
Was sind die Folgen
Lutz formulierte es kompliziert: „Mit steigender Auslastung wachsen Staueffekte und Unpünktlichkeit exponentiell an.“Konkret heißt dies: mehr Verspätungen im Personen- und Güterverkehr. Laut Wissing stehen derzeit bereits rund 200 Güterzüge still. Ein Sprecher der Sparte DB Cargo sagte: „Die notwendigen Modernisierungsmaßnahmen des Schienennetzes führen zu zahlreichen Baustellen und damit zu Kapazitätseinschränkungen.“Man stehe
„im permanentem Austausch“mit den Kunden und arbeite „mit Hochdruck“an Lösungen. Was den Personenverkehr angeht, hat die Bahn ihre Pünktlichkeitsziele bereits einkassiert. Die angestrebten 80 Prozent im Gesamtjahr wird sie nicht erreichen. Im Mai waren nur 62,7 Prozent der Fernzüge pünktlich. Züge gelten als pünktlich, die weniger als sechs Minuten nach Fahrplan ankommen. Dass man nach der Bahn „die Uhr wieder stellen kann“, sagte Wissing, dürfte lange dauern.
Wie sehen die Sanierungspläne nun aus
Die Bahn hat sich dafür ein neues Prinzip verordnet, nach dem alle Baumaßnahmen gebündelt werden sollen, um die Folgen für die Kunden zu minimieren. Künftig sollen Schwellen und Schotter, Gleise und Weichen, Signale und Stellwerke komplett saniert werden statt nacheinander. Sperrungen könnten allerdings mehrere Wochen oder einige Monate dauern, so Lutz. „Einen schmerzfreien Weg der Gesundung wird es nicht geben.“Demnach sollen von 2024 bis 2030 besonders beanspruchte Streckenabschnitte zu einem Hochleistungsnetz ausgebaut werden. Konkret geht es dabei um zehn Prozent des Gesamtnetzes, also rund 3500 Kilometer – diese Abschnitte sind bereits heute zu 125 Prozent ausgelastet. Bis 2030 werde dieser Anteil Streckenabschnitte voraussichtlich auf 9000 Kilometer anwachsen.
Welches sind die besonders belasteten Korridore
Die überlasteten Korridore sind laut Bahn die Knotenpunkte Hamburg/ Hannover, Dortmund/Duisburg/ Düsseldorf/Köln, Mittelrheintal,
Frankfurt, Stuttgart, Mannheim/ Karlsruhe/Basel sowie Würzburg/ Nürnberg und München. Das neue Hochleistungsnetz solle vom „Problemfall zum Qualitäts- und Stabilitätsanker für die gesamte Infrastruktur“werden, sagte Lutz. Denn: Kleinste Störungen setzen sich von dort meist als Dominoeffekt im gesamten Netz fort. Wie viel Geld der Bund für den Ausbau zusätzlich bereitstellen wird, ist offen.
Was sagt der Bund
Wissing schlug einen harschen Ton an. Die Infrastruktur sei jahrelang vernachlässigt und an ihre absolute Grenze gebracht worden. Der Bund will nun als Eigentümer die Zügel anziehen. Er nehme die Unzufriedenheit der Bürger mit dem Zustand des Konzerns sehr ernst, sagte der Minister. Ab Juli soll im Verkehrsministerium eine „Steuerungsgruppe“eingerichtet werden, in der in Sachen Sanierung alle Fäden zusammenlaufen – sie soll direkt an Wissing berichten. Zudem soll es eine „Beschleunigungskommission Schiene“geben. Am heutigen Donnerstag tagt der Aufsichtsrat, der einen neuen Infrastrukturvorstand bestellen soll.