Mehr Geld für Menschen mit Behinderung?
Die Fraktionen im SaarLandtag sind sich einig und fordern eine faire Entlohnung. Doch lediglich die SPD nennt eine konkrete Zahl.
SAARBRÜCKEN Über zwei Anträge zum selben Thema hat am Mittwochmorgen der saarländische Landtag debattiert. Das Ziel beider Anträge: eine bessere Bezahlung für Menschen mit Behinderung. Allein der Weg dahin ist ein unterschiedlicher. Während die CDU-Opposition „ein transparentes, innovatives und wertschätzendes Entgeltsystem in Werkstätten für Menschen mit Behinderung etablieren“will, ohne dabei konkretere Zahlen zu nennen, will die SPD-Regierungsfraktion den Mindestlohn als Basis nehmen.
Saar-Sozialminister Magnus Jung (SPD) hatte bereits Anfang Juni gefordert, dass Beschäftigte in Werkstätten für Menschen mit Behinderung besser bezahlt werden sollen. Angesichts eines Jahresumsatzes von rund 38,5 Millionen Euro von 31 Betriebsstätten im Saarland sei das monatliche Entgelt „viel zu gering“. Laut Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen e. V. beträgt es durchschnittlich rund 209 Euro. Im Saarland seien es laut dem SPD-Landtagsabgeordneten Frank Schmidt rund 218 Euro. Nach Angaben des Ministeriums halten zehn Träger die 31 Betriebsstätten und über 3900 Plätze vor.
Jung hatte angekündigt, sich für eine bundesweite Regelung nach den Maßgaben des Mindestlohns einsetzen zu wollen. Diese solle die Wettbewerbsfähigkeit der Werkstätten sichern und zugleich eine gute Kombination von Beschäftigung und weiteren Leistungen der Eingliederungshilfe ermöglichen. „Zwölf Euro Mindestlohn ist der Referenzrahmen für die Entwicklung eines Entlohnungsmodells, von dem die Menschen leben können, ohne auf Grundsicherungsleistungen angewiesen zu sein“, hatte Jung betont.
Als Vorsitzland der Arbeits- und Sozialministerkonferenz werde das Saarland darauf hinwirken, dass die Zwischenberichte eines Gutachtens des Bundesministeriums frühzeitig in die politische Diskussion eingebracht werden, „damit Lösungen für ein verbessertes Entgeltsystem zeitnah umgesetzt werden können“. Diese Absicht hat Jung am Mittwochmorgen nochmals betont.
Hermann Scharf (CDU) nannte das „Lohngefüge“in den saarländischen Behindertenwerkstätten „antiquiert“. Das Gehalt setzt sich zusammen aus einem Grundbetrag, einem Steigerungsbetrag und einem Arbeitsförderentgelt – ein System, das „nicht transparent“sei. Positiv sei zumindest, dass die Menschen mit Behinderung keinen Rentenbeitrag, keinen Beitrag zur Pflegeversicherung und Krankenkasse zahlen müssen und dass sie nach 20 Jahren die volle Erwerbsminderungsrente erhalten. Trotzdem müssten die Finger in die Wunde gelegt werden. „Wir wünschen uns eine Bundesratsinitiative“, sagte Scharf. Außerdem forderte die CDU eine Bestandsanalyse über die zur Verfügung stehenden
Plätze in saarländischen Behinderteneinrichtungen sowie über den Bedarf in den kommenden Jahren, so dass die Anzahl gegebenenfalls erhöht werden kann.
Frank Schmidt (SPD) sagte: „Beschäftigte in diesen Werkstätten haben ein ordentliches Arbeitsentgelt verdient und keinen Hungerlohn.“Das aktuelle Lohnmodell mit Grund- und Steigerungsbetrag sowie Arbeitsförderentgelt „ist schlecht und diskriminierend“, weil niemand nachvollziehen könne, wie sich die Beträge zusammensetzten. Die Bezahlung müsse stattdessen so weiterentwickelt werden, „dass die Beschäftigten davon leben können, ohne auf Sozialleistungen angewiesen sein zu müssen“. Seine Fraktionskollegin Christina Baltes warf der CDU vor, dass in deren Antrag kein Lösungsweg erwähnt sei, während die SPD den Mindestlohn als Basis heranziehen würde. Unklar sei auch, ob die Saar-CDU der Linie der Unionsfraktion im Bundestag folgen will. Die Union würde die Bezahlung an den Ausbildungsbetrag anpassen. „Das würde heißen, dass das Einkommen gerade mal um fünf Prozent steigt. Sozialleistungen müssten weiter gezahlt werden. Das ist nicht das, was die SPD will“, sagte Baltes.
Christoph Schaufert (AfD) forderte zwar ebenfalls ein „nachvollziehbares Entgeltsystem“. Allerdings sei es ein „Trugschluss, Lohn mit Wertschätzung“gleichzustellen. Außerdem dürfe man auch die Menschen ohne Behinderung nicht aus dem Blick verlieren, die „ungeschützt im Mindestlohnsektor ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen“. Er warnte davor, sich lediglich auf eine Gruppe zu fokussieren.
Als Landtagsabgeordneter zu sagen, „Wertschätzung müsse sich nicht zwingend in der Entlohnung ausdrücken, ist billig“, kritisierte Gesundheitsminister Jung den AfD-Abgeordneten Schaufert. Die Forderung der CDU nach einer Bundesratsinitiative wiederum komme „zu einem falschen Zeitpunkt“, so Jung. Klüger sei es, das Thema, wie er bereits angekündigt hatte, in der Sozialministerkonferenz zu diskutieren. Was die Forderung nach einer Bestandsanalyse über die Anzahl der Plätze in Behindertenwerkstätten angeht, so sagte Jung: „Das machen wir gerne.“
Der Antrag der CDU wurde am Mittwoch abgelehnt, der Antrag der SPD mit Stimmenmehrheit der Regierungsfraktion angenommen.
218 Euro pro Monat verdienen durchschnittlich Menschen mit Behinderung in einer Behindertenwerkstatt. Quelle: SPD-Fraktion im Saar-Landtag